Die grosse Wachparade vor dem Schlosse, aufzie- hen. Sonntags kömmt die ganze Wache da zusammen. Wenigstens 2500. Mann ziehen alle Tage auf. Nur allein 150. Mann ziehen ins Schloß. Die Artilleristen besetzen die Posten unten am Park, an der Spree, bei den Pulvermagazinen etc. Der kommandirende Obrist ritt an der Fronte, und zwischen den Gliedern fürchterlich durch, und die Leute standen wie Mauern. Ein schreckliches Getöse machts, wenn 80. Trommelschläger und 40. Queer- pfeifer auf einmal anfangen. Die Janitscharenmusik der Artilleristen klingt am besten. Jetzt hatte die Infante- rie eben die neuen, gleichaus dicken und schweren Ladestö- cke bekommen, die gar nicht brauchen umgekehrt zu wer- den, und doch die Patrone gewisser, sichrer und fester hinabgestossen, so daß 2. Tempos erspart werden. Statt 1, 2, 3. zu kommandiren, kommandirt man jetzt nur 1. Die Offiziere tragen alle Spontons. Um den inländi- schen Fabriken einen beständigen Absatz zu geben, hat der König so viele kostbare Uniformen eingeführt, dem Offi- zier wird das Geld dafür monathlich an der Löhnung ab- gezogen. Das Regiment der Gens d'Armes ist un- streitig das schönste und prächtigste Korps in der ganzen Armee. Die Gemeinen gehen fast wie unsre Garde, die Offiziere auch roth. Die letztern müssen lauter reiche Leu- te seyn. Der General kam von der Ferne der Stadt auf den Paradeplatz unter den Linden geritten. Da zeigte man mir 2. Majors von Kleist, Verwandte des Dich- ters und Zwillingsbrüder, die schwer zu unterscheiden sind.
Die katholische Kirche zu St. Hedwig. Sie ist völlig wie die Rotunda in Rom gebaut, mit korinthi- schen gereifelten Säulen. Der König hat selbst den
Riß
Die groſſe Wachparade vor dem Schloſſe, aufzie- hen. Sonntags koͤmmt die ganze Wache da zuſammen. Wenigſtens 2500. Mann ziehen alle Tage auf. Nur allein 150. Mann ziehen ins Schloß. Die Artilleriſten beſetzen die Poſten unten am Park, an der Spree, bei den Pulvermagazinen ꝛc. Der kommandirende Obriſt ritt an der Fronte, und zwiſchen den Gliedern fuͤrchterlich durch, und die Leute ſtanden wie Mauern. Ein ſchreckliches Getoͤſe machts, wenn 80. Trommelſchlaͤger und 40. Queer- pfeifer auf einmal anfangen. Die Janitſcharenmuſik der Artilleriſten klingt am beſten. Jetzt hatte die Infante- rie eben die neuen, gleichaus dicken und ſchweren Ladeſtoͤ- cke bekommen, die gar nicht brauchen umgekehrt zu wer- den, und doch die Patrone gewiſſer, ſichrer und feſter hinabgeſtoſſen, ſo daß 2. Tempos erſpart werden. Statt 1, 2, 3. zu kommandiren, kommandirt man jetzt nur 1. Die Offiziere tragen alle Spontons. Um den inlaͤndi- ſchen Fabriken einen beſtaͤndigen Abſatz zu geben, hat der Koͤnig ſo viele koſtbare Uniformen eingefuͤhrt, dem Offi- zier wird das Geld dafuͤr monathlich an der Loͤhnung ab- gezogen. Das Regiment der Gens d’Armes iſt un- ſtreitig das ſchoͤnſte und praͤchtigſte Korps in der ganzen Armee. Die Gemeinen gehen faſt wie unſre Garde, die Offiziere auch roth. Die letztern muͤſſen lauter reiche Leu- te ſeyn. Der General kam von der Ferne der Stadt auf den Paradeplatz unter den Linden geritten. Da zeigte man mir 2. Majors von Kleiſt, Verwandte des Dich- ters und Zwillingsbruͤder, die ſchwer zu unterſcheiden ſind.
Die katholiſche Kirche zu St. Hedwig. Sie iſt voͤllig wie die Rotunda in Rom gebaut, mit korinthi- ſchen gereifelten Saͤulen. Der Koͤnig hat ſelbſt den
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Die groſſe Wachparade vor dem Schloſſe, aufzie-
hen. Sonntags koͤmmt die ganze Wache da zuſammen.
Wenigſtens 2500. Mann ziehen alle Tage auf. Nur
allein 150. Mann ziehen ins Schloß. Die Artilleriſten
beſetzen die Poſten unten am Park, an der Spree, bei
den Pulvermagazinen ꝛc. Der kommandirende Obriſt
ritt an der Fronte, und zwiſchen den Gliedern fuͤrchterlich
durch, und die Leute ſtanden wie Mauern. Ein ſchreckliches
Getoͤſe machts, wenn 80. Trommelſchlaͤger und 40. Queer-
pfeifer auf einmal anfangen. Die Janitſcharenmuſik der
Artilleriſten klingt am beſten. Jetzt hatte die Infante-
rie eben die neuen, gleichaus dicken und ſchweren Ladeſtoͤ-
cke bekommen, die gar nicht brauchen umgekehrt zu wer-
den, und doch die Patrone gewiſſer, ſichrer und feſter
hinabgeſtoſſen, ſo daß 2. Tempos erſpart werden. Statt
1, 2, 3. zu kommandiren, kommandirt man jetzt nur 1.
Die Offiziere tragen alle Spontons. Um den inlaͤndi-
ſchen Fabriken einen beſtaͤndigen Abſatz zu geben, hat der
Koͤnig ſo viele koſtbare Uniformen eingefuͤhrt, dem Offi-
zier wird das Geld dafuͤr monathlich an der Loͤhnung ab-
gezogen. Das Regiment der Gens d’Armes iſt un-
ſtreitig das ſchoͤnſte und praͤchtigſte Korps in der ganzen
Armee. Die Gemeinen gehen faſt wie unſre Garde, die
Offiziere auch roth. Die letztern muͤſſen lauter reiche Leu-
te ſeyn. Der General kam von der Ferne der Stadt auf
den Paradeplatz unter den Linden geritten. Da zeigte
man mir 2. Majors von Kleiſt, Verwandte des Dich-
ters und Zwillingsbruͤder, die ſchwer zu unterſcheiden ſind.
Die katholiſche Kirche zu St. Hedwig. Sie iſt
voͤllig wie die Rotunda in Rom gebaut, mit korinthi-
ſchen gereifelten Saͤulen. Der Koͤnig hat ſelbſt den
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/230>, abgerufen am 26.11.2024.
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