Mit seiner Lage war er nicht ganz zufrie- den. Ueberhaupt blickt ein gewisser Mißmuth, den man leicht für Egoismus halten könnte, fast aus allen seinen Schriften hervor. Er spricht, wie Montagne, oft von sich, und ver- liehrt sich wie Roußeau, so wenig ähnliches er sonst mit ihm hat, in bittere Klagen, über den Undank, die Kaltsinnigkeit und Bosheit der Menschen. Zum Beweiß mag folgende Stelle aus seinem Erbauungsbuche dienen: "Wenn "man mich verfolgt, herabsetzt und lästert, wenn "mich die, die mich unterstützen solten, selbst "hindern, das kleine Brod in Ruhe zu essen, und "in deinem Reiche Gutes zu stiften, so erinnere "mich daran, daß dein größter Apostel dir auch "unter vielen Anfechtungen, und oft mit Thrä- "nen dienen mußte." ---
Er besaß übrigens ein großes wohlwollen- des Herz. Er war nichts weniger, als stolz, neidisch und verleumderisch. Niemand war be- reitwilliger als er, großen Männern Gerechtigkeit wiederfahren zu laßen. Er sprach mit Entzü- cken von einem Weisse, Morus, Zolliko- fer, Nikolai, Teller, Semler, Spal- ding, und andern großen Männern, die er auf
seinen
Mit ſeiner Lage war er nicht ganz zufrie- den. Ueberhaupt blickt ein gewiſſer Mißmuth, den man leicht fuͤr Egoismus halten koͤnnte, faſt aus allen ſeinen Schriften hervor. Er ſpricht, wie Montagne, oft von ſich, und ver- liehrt ſich wie Roußeau, ſo wenig aͤhnliches er ſonſt mit ihm hat, in bittere Klagen, uͤber den Undank, die Kaltſinnigkeit und Bosheit der Menſchen. Zum Beweiß mag folgende Stelle aus ſeinem Erbauungsbuche dienen: „Wenn „man mich verfolgt, herabſetzt und laͤſtert, wenn „mich die, die mich unterſtuͤtzen ſolten, ſelbſt „hindern, das kleine Brod in Ruhe zu eſſen, und „in deinem Reiche Gutes zu ſtiften, ſo erinnere „mich daran, daß dein groͤßter Apoſtel dir auch „unter vielen Anfechtungen, und oft mit Thraͤ- „nen dienen mußte.“ ---
Er beſaß uͤbrigens ein großes wohlwollen- des Herz. Er war nichts weniger, als ſtolz, neidiſch und verleumderiſch. Niemand war be- reitwilliger als er, großen Maͤnnern Gerechtigkeit wiederfahren zu laßen. Er ſprach mit Entzuͤ- cken von einem Weiſſe, Morus, Zolliko- fer, Nikolai, Teller, Semler, Spal- ding, und andern großen Maͤnnern, die er auf
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[XXIV/0030]
Mit ſeiner Lage war er nicht ganz zufrie-
den. Ueberhaupt blickt ein gewiſſer Mißmuth,
den man leicht fuͤr Egoismus halten koͤnnte,
faſt aus allen ſeinen Schriften hervor. Er
ſpricht, wie Montagne, oft von ſich, und ver-
liehrt ſich wie Roußeau, ſo wenig aͤhnliches
er ſonſt mit ihm hat, in bittere Klagen, uͤber
den Undank, die Kaltſinnigkeit und Bosheit der
Menſchen. Zum Beweiß mag folgende Stelle
aus ſeinem Erbauungsbuche dienen: „Wenn
„man mich verfolgt, herabſetzt und laͤſtert, wenn
„mich die, die mich unterſtuͤtzen ſolten, ſelbſt
„hindern, das kleine Brod in Ruhe zu eſſen, und
„in deinem Reiche Gutes zu ſtiften, ſo erinnere
„mich daran, daß dein groͤßter Apoſtel dir auch
„unter vielen Anfechtungen, und oft mit Thraͤ-
„nen dienen mußte.“ ---
Er beſaß uͤbrigens ein großes wohlwollen-
des Herz. Er war nichts weniger, als ſtolz,
neidiſch und verleumderiſch. Niemand war be-
reitwilliger als er, großen Maͤnnern Gerechtigkeit
wiederfahren zu laßen. Er ſprach mit Entzuͤ-
cken von einem Weiſſe, Morus, Zolliko-
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ding, und andern großen Maͤnnern, die er auf
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. XXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/30>, abgerufen am 21.11.2024.
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