seinen Reisen hatte kennen lernen, ob er gleich ihre Ideen nicht durchgängig adoptirte. Beim Geheimderath Göthe in Weimar, sagt' er, habe ich einen herrlichen Abend gehabt, den ich in meinem Leben nie vergessen werde. Wenn *** fuhr er fort, von sich erhalten könnte, so ungekünstelt, natürlich, und doch stark und kraftvoll zu schreiben, als er im gesellschaftlichen Umgange spricht, so wären wir alle Stümper gegen ihn. Seine Urtheile über Menschen und Bücher hatten immer das Gepräge der freymü- thigen Wahrheitsliebe, ohne ins Beleidigende zu fallen. Schröckh war einer von denenje- nigen Gelehrten der neuern Zeit, die er vorzüg- lich hochschätzte. Alle Wunderwerke der Na- tur und Kunst machten auf seine gefühlvolle See- le den tiefsten Eindruck. Die Bergvestung Königstein, und das freyherrlich Ucker- mannische Schloß Wesenstein zogen seine Bewunderung vorzüglich auf sich. Ich hatte das Vergnügen, ihn an beide Orte zu begleiten, und war ein Zeuge von der Sensation, welche die durch die Kunst verschönerte Natur in ihm er- regte. Mit Vergnügen verweilte er sich auf der Höhe von Meusegast, wo er die ganze pa- radiesische Gegend von Königstein, Pirna,
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ſeinen Reiſen hatte kennen lernen, ob er gleich ihre Ideen nicht durchgaͤngig adoptirte. Beim Geheimderath Goͤthe in Weimar, ſagt’ er, habe ich einen herrlichen Abend gehabt, den ich in meinem Leben nie vergeſſen werde. Wenn *** fuhr er fort, von ſich erhalten koͤnnte, ſo ungekuͤnſtelt, natuͤrlich, und doch ſtark und kraftvoll zu ſchreiben, als er im geſellſchaftlichen Umgange ſpricht, ſo waͤren wir alle Stuͤmper gegen ihn. Seine Urtheile uͤber Menſchen und Buͤcher hatten immer das Gepraͤge der freymuͤ- thigen Wahrheitsliebe, ohne ins Beleidigende zu fallen. Schroͤckh war einer von denenje- nigen Gelehrten der neuern Zeit, die er vorzuͤg- lich hochſchaͤtzte. Alle Wunderwerke der Na- tur und Kunſt machten auf ſeine gefuͤhlvolle See- le den tiefſten Eindruck. Die Bergveſtung Koͤnigſtein, und das freyherrlich Ucker- manniſche Schloß Weſenſtein zogen ſeine Bewunderung vorzuͤglich auf ſich. Ich hatte das Vergnuͤgen, ihn an beide Orte zu begleiten, und war ein Zeuge von der Senſation, welche die durch die Kunſt verſchoͤnerte Natur in ihm er- regte. Mit Vergnuͤgen verweilte er ſich auf der Hoͤhe von Meuſegaſt, wo er die ganze pa- radieſiſche Gegend von Koͤnigſtein, Pirna,
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[XXV/0031]
ſeinen Reiſen hatte kennen lernen, ob er gleich
ihre Ideen nicht durchgaͤngig adoptirte. Beim
Geheimderath Goͤthe in Weimar, ſagt’ er,
habe ich einen herrlichen Abend gehabt, den ich
in meinem Leben nie vergeſſen werde. Wenn
*** fuhr er fort, von ſich erhalten koͤnnte, ſo
ungekuͤnſtelt, natuͤrlich, und doch ſtark und
kraftvoll zu ſchreiben, als er im geſellſchaftlichen
Umgange ſpricht, ſo waͤren wir alle Stuͤmper
gegen ihn. Seine Urtheile uͤber Menſchen und
Buͤcher hatten immer das Gepraͤge der freymuͤ-
thigen Wahrheitsliebe, ohne ins Beleidigende
zu fallen. Schroͤckh war einer von denenje-
nigen Gelehrten der neuern Zeit, die er vorzuͤg-
lich hochſchaͤtzte. Alle Wunderwerke der Na-
tur und Kunſt machten auf ſeine gefuͤhlvolle See-
le den tiefſten Eindruck. Die Bergveſtung
Koͤnigſtein, und das freyherrlich Ucker-
manniſche Schloß Weſenſtein zogen ſeine
Bewunderung vorzuͤglich auf ſich. Ich hatte
das Vergnuͤgen, ihn an beide Orte zu begleiten,
und war ein Zeuge von der Senſation, welche
die durch die Kunſt verſchoͤnerte Natur in ihm er-
regte. Mit Vergnuͤgen verweilte er ſich auf
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. XXV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/31>, abgerufen am 03.12.2024.
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