im höchsten Grade undankbar seyn, wenn ich die gros- müthige Liebe, und die edle Denkungsart dieser beiden vortreflichen Personen verschweigen wollte. Herr von Reinach ist ohne Zweifel einer der gescheitesten Männer in der Stadt, frei von allen Vorurtheilen, in welchen sonst die meisten in Costanz aufgezogen werden, aber die Klugheit befiehlt oft Stillschweigen.
Bibliotheken sind gar keine hier. Ein einziger Buchhändler ist in der Stadt, und der darf fast nichts verkaufen, als die gewöhnlichsten Gebetbücher, Quin- que vulnerum etc. Die geistliche Curia wird alle- mahl die Aufsicht über die Bücher behalten, wenn auch des Kaisers Maj. die Druck- und Lesefreiheit erweitern wird. Man hat hier Mühe, wenn man nur die nächste gelehrte Zeitung aus Deutschland, z. B. die Frank- furter bekommen will. Ich erfuhr von einem im Jure und Hist. Eccles. sehr geschickten Manne, Prof. Bü- zenberger, der, aller seiner Verdienste ungeachtet, durch die Allgewalt der Vorurtheile schon oft verläumdet, ge- hindert, und selbst im Kabinet der verstorbenen Kaiserin als ein irreligieuser und profaner Mensch, sogar als ein Aufrührer abgemalt wurde. Ach, daß es doch bald überall helle werden, und die Wahrheit überall siegen möchte!
Und nun erlauben Sie mir noch einige vermischte Anmerkungen über diese Stadt, so wie sie mir beifallen.
Es ist ein einziges Haus, die Herren Leiner hier, die flächsene Leinwand vertreiben, und auch in Genna eine Niederlage haben. Sie kaufen den Flachs, lassen ihn in der Schweiz spinnen, weben, und am Boden- see bleichen.
Eine
im hoͤchſten Grade undankbar ſeyn, wenn ich die gros- muͤthige Liebe, und die edle Denkungsart dieſer beiden vortreflichen Perſonen verſchweigen wollte. Herr von Reinach iſt ohne Zweifel einer der geſcheiteſten Maͤnner in der Stadt, frei von allen Vorurtheilen, in welchen ſonſt die meiſten in Coſtanz aufgezogen werden, aber die Klugheit befiehlt oft Stillſchweigen.
Bibliotheken ſind gar keine hier. Ein einziger Buchhaͤndler iſt in der Stadt, und der darf faſt nichts verkaufen, als die gewoͤhnlichſten Gebetbuͤcher, Quin- que vulnerum etc. Die geiſtliche Curia wird alle- mahl die Aufſicht uͤber die Buͤcher behalten, wenn auch des Kaiſers Maj. die Druck- und Leſefreiheit erweitern wird. Man hat hier Muͤhe, wenn man nur die naͤchſte gelehrte Zeitung aus Deutſchland, z. B. die Frank- furter bekommen will. Ich erfuhr von einem im Jure und Hiſt. Eccleſ. ſehr geſchickten Manne, Prof. Buͤ- zenberger, der, aller ſeiner Verdienſte ungeachtet, durch die Allgewalt der Vorurtheile ſchon oft verlaͤumdet, ge- hindert, und ſelbſt im Kabinet der verſtorbenen Kaiſerin als ein irreligieuſer und profaner Menſch, ſogar als ein Aufruͤhrer abgemalt wurde. Ach, daß es doch bald uͤberall helle werden, und die Wahrheit uͤberall ſiegen moͤchte!
Und nun erlauben Sie mir noch einige vermiſchte Anmerkungen uͤber dieſe Stadt, ſo wie ſie mir beifallen.
Es iſt ein einziges Haus, die Herren Leiner hier, die flaͤchſene Leinwand vertreiben, und auch in Genna eine Niederlage haben. Sie kaufen den Flachs, laſſen ihn in der Schweiz ſpinnen, weben, und am Boden- ſee bleichen.
Eine
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im hoͤchſten Grade undankbar ſeyn, wenn ich die gros-
muͤthige Liebe, und die edle Denkungsart dieſer beiden
vortreflichen Perſonen verſchweigen wollte. Herr von
Reinach iſt ohne Zweifel einer der geſcheiteſten Maͤnner
in der Stadt, frei von allen Vorurtheilen, in welchen
ſonſt die meiſten in Coſtanz aufgezogen werden, aber
die Klugheit befiehlt oft Stillſchweigen.
Bibliotheken ſind gar keine hier. Ein einziger
Buchhaͤndler iſt in der Stadt, und der darf faſt nichts
verkaufen, als die gewoͤhnlichſten Gebetbuͤcher, Quin-
que vulnerum etc. Die geiſtliche Curia wird alle-
mahl die Aufſicht uͤber die Buͤcher behalten, wenn auch
des Kaiſers Maj. die Druck- und Leſefreiheit erweitern
wird. Man hat hier Muͤhe, wenn man nur die naͤchſte
gelehrte Zeitung aus Deutſchland, z. B. die Frank-
furter bekommen will. Ich erfuhr von einem im Jure
und Hiſt. Eccleſ. ſehr geſchickten Manne, Prof. Buͤ-
zenberger, der, aller ſeiner Verdienſte ungeachtet, durch
die Allgewalt der Vorurtheile ſchon oft verlaͤumdet, ge-
hindert, und ſelbſt im Kabinet der verſtorbenen Kaiſerin
als ein irreligieuſer und profaner Menſch, ſogar als ein
Aufruͤhrer abgemalt wurde. Ach, daß es doch bald
uͤberall helle werden, und die Wahrheit uͤberall ſiegen
moͤchte!
Und nun erlauben Sie mir noch einige vermiſchte
Anmerkungen uͤber dieſe Stadt, ſo wie ſie mir beifallen.
Es iſt ein einziges Haus, die Herren Leiner hier,
die flaͤchſene Leinwand vertreiben, und auch in Genna
eine Niederlage haben. Sie kaufen den Flachs, laſſen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/318>, abgerufen am 25.11.2024.
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