Schwören, ein unsinniges Fluchen, zuletzt Händel, Schlägereien, -- nun kömmt die Strafe der Obrigkeit hintennach, dagegen sträubt sich der trotzige Sinn des Bauern, und sein falscher Ehrgeitz, grosse Herren nach- zuahmen; man verabredet nach und nach heimliche Spiel- gesellschaften in Privathäusern, und wie lange währt es dann noch, bis der Ruin der Familie sichtbar wird? Mir dünkt, die Polizei sollte das alles durchaus nicht gestatten in öffentlichen Häusern auf dem Lande, die Ge- legenheit, in Strafen zu verfallen, abschneiden, und den Wirth desto ernstlicher strafen, wenn er Karten oder Würsel hergibt, oder seine Gäste dazu ermuntert, damit sie ihm immer mehr Wein abtrinken sollen.
Ich habe auch mit Erstaunen gesehen, daß besonders die Katholicken an Sonntägen, nachdem die Fasttäge vorbei sind, der schrecklichen Hitze ungeachtet, sehr viel und oft verschiedenes Fleisch essen können, weit mehr, als unsre Lutherische Bauern, denen das Fleischessen an keinem Tage in der Woche verboten ist. Dazu kömmt der erstaunliche Absatz, den die kleinen Krämer überall auf dem Lande haben, wodurch freilich der Luxus immer mehr unter den gemeinen Leuten gepflanzt wird.
Man wird sich nicht wundern, daß so oft Feuers- brünste auf dem Lande entstehen, wenn man die erstaun- liche Unachtsamkeit sieht, womit Stallknechte, Fuhrleute und Bedienten mitten zwischen Heu und Stroh in Stal- lungen und Scheuren oft offne Lichter herumtragen, und Tabak rauchen. Die Polizei sollte sich billig darum be- kümmern, daß in jedem öffentlichen Stall, wo oft um Mitternacht die Arbeit wieder anfängt, in den Wänden Löcher ausgehauen würden, worein die Pferdeknechte,
Drescher
Schwoͤren, ein unſinniges Fluchen, zuletzt Haͤndel, Schlaͤgereien, — nun koͤmmt die Strafe der Obrigkeit hintennach, dagegen ſtraͤubt ſich der trotzige Sinn des Bauern, und ſein falſcher Ehrgeitz, groſſe Herren nach- zuahmen; man verabredet nach und nach heimliche Spiel- geſellſchaften in Privathaͤuſern, und wie lange waͤhrt es dann noch, bis der Ruin der Familie ſichtbar wird? Mir duͤnkt, die Polizei ſollte das alles durchaus nicht geſtatten in oͤffentlichen Haͤuſern auf dem Lande, die Ge- legenheit, in Strafen zu verfallen, abſchneiden, und den Wirth deſto ernſtlicher ſtrafen, wenn er Karten oder Wuͤrſel hergibt, oder ſeine Gaͤſte dazu ermuntert, damit ſie ihm immer mehr Wein abtrinken ſollen.
Ich habe auch mit Erſtaunen geſehen, daß beſonders die Katholicken an Sonntaͤgen, nachdem die Faſttaͤge vorbei ſind, der ſchrecklichen Hitze ungeachtet, ſehr viel und oft verſchiedenes Fleiſch eſſen koͤnnen, weit mehr, als unſre Lutheriſche Bauern, denen das Fleiſcheſſen an keinem Tage in der Woche verboten iſt. Dazu koͤmmt der erſtaunliche Abſatz, den die kleinen Kraͤmer uͤberall auf dem Lande haben, wodurch freilich der Luxus immer mehr unter den gemeinen Leuten gepflanzt wird.
Man wird ſich nicht wundern, daß ſo oft Feuers- bruͤnſte auf dem Lande entſtehen, wenn man die erſtaun- liche Unachtſamkeit ſieht, womit Stallknechte, Fuhrleute und Bedienten mitten zwiſchen Heu und Stroh in Stal- lungen und Scheuren oft offne Lichter herumtragen, und Tabak rauchen. Die Polizei ſollte ſich billig darum be- kuͤmmern, daß in jedem oͤffentlichen Stall, wo oft um Mitternacht die Arbeit wieder anfaͤngt, in den Waͤnden Loͤcher ausgehauen wuͤrden, worein die Pferdeknechte,
Dreſcher
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Schwoͤren, ein unſinniges Fluchen, zuletzt Haͤndel,
Schlaͤgereien, — nun koͤmmt die Strafe der Obrigkeit
hintennach, dagegen ſtraͤubt ſich der trotzige Sinn des
Bauern, und ſein falſcher Ehrgeitz, groſſe Herren nach-
zuahmen; man verabredet nach und nach heimliche Spiel-
geſellſchaften in Privathaͤuſern, und wie lange waͤhrt es
dann noch, bis der Ruin der Familie ſichtbar wird?
Mir duͤnkt, die Polizei ſollte das alles durchaus nicht
geſtatten in oͤffentlichen Haͤuſern auf dem Lande, die Ge-
legenheit, in Strafen zu verfallen, abſchneiden, und den
Wirth deſto ernſtlicher ſtrafen, wenn er Karten oder
Wuͤrſel hergibt, oder ſeine Gaͤſte dazu ermuntert, damit
ſie ihm immer mehr Wein abtrinken ſollen.
Ich habe auch mit Erſtaunen geſehen, daß beſonders
die Katholicken an Sonntaͤgen, nachdem die Faſttaͤge
vorbei ſind, der ſchrecklichen Hitze ungeachtet, ſehr viel
und oft verſchiedenes Fleiſch eſſen koͤnnen, weit mehr,
als unſre Lutheriſche Bauern, denen das Fleiſcheſſen an
keinem Tage in der Woche verboten iſt. Dazu koͤmmt
der erſtaunliche Abſatz, den die kleinen Kraͤmer uͤberall
auf dem Lande haben, wodurch freilich der Luxus immer
mehr unter den gemeinen Leuten gepflanzt wird.
Man wird ſich nicht wundern, daß ſo oft Feuers-
bruͤnſte auf dem Lande entſtehen, wenn man die erſtaun-
liche Unachtſamkeit ſieht, womit Stallknechte, Fuhrleute
und Bedienten mitten zwiſchen Heu und Stroh in Stal-
lungen und Scheuren oft offne Lichter herumtragen, und
Tabak rauchen. Die Polizei ſollte ſich billig darum be-
kuͤmmern, daß in jedem oͤffentlichen Stall, wo oft um
Mitternacht die Arbeit wieder anfaͤngt, in den Waͤnden
Loͤcher ausgehauen wuͤrden, worein die Pferdeknechte,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/372>, abgerufen am 22.11.2024.
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