Nur eine Viertelstunde von Haßlach entfernt, liegt das Dorf Mühlbach, das seinen Namen von einem kleinen Wasser hat. Dieser Ort ist wenigstens eine klei- ne halbe Stunde lang, besteht auch größtentheils aus einzelnen Höfen und zerstreuten Häusern, die an steilen Felsen hängen. Vor den Häusern läuft nur ein schmaler steinichter Weg, der für den Reiter beschwerlich genug zu machen ist. Wenn er aber zurückgelegt ist, dann rei- set man über eine Stunde durch die angenehmsten Ab- wechselungen von Bergen und Thälern, die ich Ihnen nicht beschreiben kan. Es war eben Vormittag um 10. Uhr, als ich mit meinem Wegweiser durch die fürchter- lich schönen Wege wanderte, und die Sonne trat eben hinter dunkeln Wolken hervor, und erleuchtete die Ge- gend, als wenn sie mir mit dieser Pracht der Natur ein Vergnügen machen, und mich locken wollte, mehrmals hieher zu kommen. Ich war bald auf einer schauderhaf- ten Höhe, bald wieder in einem stillen, ruhigen Thale. Gute freundliche Bergbewohner fand ich überall, und friedliche Hütten standen hie und da herum. Das Vieh kletterte an den steilsten Höhen; das Laub der Wälder hatte schon allerlei Farben, und vergnügte das Auge. Wasser, so klar und hell, daß Mann und Roß mit Her- zenslust davon tranken, flossen vor meinen Füssen hin. Die ganze Gegend kam mir so romantisch vor, daß ich mir es fest vornahm, einmal in meinem Leben, wenn einer meiner Zuhörer Prediger im Prechtthal seyn wür- de, hieher zu reisen, im schönsten Sommermonat hier einen Brunnen zu trinken, und an manchem Morgen in diesen prächtigen Gegenden spazieren zu reiten. Zuletzt war ich auf der Höhe bei einem Kreuz. von dem man mir gesagt hatte, und sah von da hinab in das Precht-
thal,
Nur eine Viertelſtunde von Haßlach entfernt, liegt das Dorf Muͤhlbach, das ſeinen Namen von einem kleinen Waſſer hat. Dieſer Ort iſt wenigſtens eine klei- ne halbe Stunde lang, beſteht auch groͤßtentheils aus einzelnen Hoͤfen und zerſtreuten Haͤuſern, die an ſteilen Felſen haͤngen. Vor den Haͤuſern laͤuft nur ein ſchmaler ſteinichter Weg, der fuͤr den Reiter beſchwerlich genug zu machen iſt. Wenn er aber zuruͤckgelegt iſt, dann rei- ſet man uͤber eine Stunde durch die angenehmſten Ab- wechſelungen von Bergen und Thaͤlern, die ich Ihnen nicht beſchreiben kan. Es war eben Vormittag um 10. Uhr, als ich mit meinem Wegweiſer durch die fuͤrchter- lich ſchoͤnen Wege wanderte, und die Sonne trat eben hinter dunkeln Wolken hervor, und erleuchtete die Ge- gend, als wenn ſie mir mit dieſer Pracht der Natur ein Vergnuͤgen machen, und mich locken wollte, mehrmals hieher zu kommen. Ich war bald auf einer ſchauderhaf- ten Hoͤhe, bald wieder in einem ſtillen, ruhigen Thale. Gute freundliche Bergbewohner fand ich uͤberall, und friedliche Huͤtten ſtanden hie und da herum. Das Vieh kletterte an den ſteilſten Hoͤhen; das Laub der Waͤlder hatte ſchon allerlei Farben, und vergnuͤgte das Auge. Waſſer, ſo klar und hell, daß Mann und Roß mit Her- zensluſt davon tranken, floſſen vor meinen Fuͤſſen hin. Die ganze Gegend kam mir ſo romantiſch vor, daß ich mir es feſt vornahm, einmal in meinem Leben, wenn einer meiner Zuhoͤrer Prediger im Prechtthal ſeyn wuͤr- de, hieher zu reiſen, im ſchoͤnſten Sommermonat hier einen Brunnen zu trinken, und an manchem Morgen in dieſen praͤchtigen Gegenden ſpazieren zu reiten. Zuletzt war ich auf der Hoͤhe bei einem Kreuz. von dem man mir geſagt hatte, und ſah von da hinab in das Precht-
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Nur eine Viertelſtunde von Haßlach entfernt, liegt
das Dorf Muͤhlbach, das ſeinen Namen von einem
kleinen Waſſer hat. Dieſer Ort iſt wenigſtens eine klei-
ne halbe Stunde lang, beſteht auch groͤßtentheils aus
einzelnen Hoͤfen und zerſtreuten Haͤuſern, die an ſteilen
Felſen haͤngen. Vor den Haͤuſern laͤuft nur ein ſchmaler
ſteinichter Weg, der fuͤr den Reiter beſchwerlich genug
zu machen iſt. Wenn er aber zuruͤckgelegt iſt, dann rei-
ſet man uͤber eine Stunde durch die angenehmſten Ab-
wechſelungen von Bergen und Thaͤlern, die ich Ihnen
nicht beſchreiben kan. Es war eben Vormittag um 10.
Uhr, als ich mit meinem Wegweiſer durch die fuͤrchter-
lich ſchoͤnen Wege wanderte, und die Sonne trat eben
hinter dunkeln Wolken hervor, und erleuchtete die Ge-
gend, als wenn ſie mir mit dieſer Pracht der Natur ein
Vergnuͤgen machen, und mich locken wollte, mehrmals
hieher zu kommen. Ich war bald auf einer ſchauderhaf-
ten Hoͤhe, bald wieder in einem ſtillen, ruhigen Thale.
Gute freundliche Bergbewohner fand ich uͤberall, und
friedliche Huͤtten ſtanden hie und da herum. Das Vieh
kletterte an den ſteilſten Hoͤhen; das Laub der Waͤlder
hatte ſchon allerlei Farben, und vergnuͤgte das Auge.
Waſſer, ſo klar und hell, daß Mann und Roß mit Her-
zensluſt davon tranken, floſſen vor meinen Fuͤſſen hin.
Die ganze Gegend kam mir ſo romantiſch vor, daß ich
mir es feſt vornahm, einmal in meinem Leben, wenn
einer meiner Zuhoͤrer Prediger im Prechtthal ſeyn wuͤr-
de, hieher zu reiſen, im ſchoͤnſten Sommermonat hier
einen Brunnen zu trinken, und an manchem Morgen
in dieſen praͤchtigen Gegenden ſpazieren zu reiten. Zuletzt
war ich auf der Hoͤhe bei einem Kreuz. von dem man
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/394>, abgerufen am 21.11.2024.
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