Hofbauer, und die andern Geschwister sind meistens sei- ne Sklaven *). Die Ehen sind fruchtbar, und die Leute werden alt. Köstliches Trinkwasser ist hier überall, im Sommer sind manche Brunnen eiskalt, und im Winter sind sie so warm, daß sie nicht gefrieren. Die Leute trinken alle Bergwasser, und man sieht doch keine Krö- pfe. Die Witterung ist sehr abwechselnd. Schrecklich ist die Hitze im Sommer; oft fällt schon um Michaelis Schnee. Die Bauern sind es gewohnt, immer Ofen- wärme zu haben; sie kochen alles im Ofen, und können die schrecklichste Hitze aushalten. Hasen sind hier in gros- ser Menge vorhanden, und werden nach Strasburg verkauft. Die Männer machen hölzerne Uhren, und die Weiber und die kleinsten Kinder lernen alle von Ju- gend auf Strohhüte flechten, aus weissem und feinem Roggenstroh. Jeder Bauer braucht alle Jahre einen Strohhut, aber viele tausend werden nach der Schweiz verkauft. Indem sie unterweges sind, betteln, und den Rosenkranz beten, flechten sie immer Stroh. Auf den steilsten Bergen wird Frucht gebaut, aber in trockenen Jahren bekommen sie oft blos die Saat. Sie brennen Kohlen, verkaufen Bauholz, Dielen, Planken, Latten etc.; daher sind an der Elz gar viele Sägemühlen erbaut. In gar vielen Haushaltungen wird aus rothen und schwarzen Kirschen Kirschwasser gebrannt. Die Leute trinken dieses
statt
*) Die Bauern sind solche rohe Naturmenschen, daß ei- ner einmahl zum Pfarrer kam, die Geburt seines er- sten Sohnes anzeigte, sich aber dabei vom Pfarrer recht ernstlich ausbat, er sollte ihm diesen Buben rechtschaffen, d. h. stark, vollständig taufen, dann dieser müßte nach seinem Tode den Hof haben!
Hofbauer, und die andern Geſchwiſter ſind meiſtens ſei- ne Sklaven *). Die Ehen ſind fruchtbar, und die Leute werden alt. Koͤſtliches Trinkwaſſer iſt hier uͤberall, im Sommer ſind manche Brunnen eiskalt, und im Winter ſind ſie ſo warm, daß ſie nicht gefrieren. Die Leute trinken alle Bergwaſſer, und man ſieht doch keine Kroͤ- pfe. Die Witterung iſt ſehr abwechſelnd. Schrecklich iſt die Hitze im Sommer; oft faͤllt ſchon um Michaelis Schnee. Die Bauern ſind es gewohnt, immer Ofen- waͤrme zu haben; ſie kochen alles im Ofen, und koͤnnen die ſchrecklichſte Hitze aushalten. Haſen ſind hier in groſ- ſer Menge vorhanden, und werden nach Strasburg verkauft. Die Maͤnner machen hoͤlzerne Uhren, und die Weiber und die kleinſten Kinder lernen alle von Ju- gend auf Strohhuͤte flechten, aus weiſſem und feinem Roggenſtroh. Jeder Bauer braucht alle Jahre einen Strohhut, aber viele tauſend werden nach der Schweiz verkauft. Indem ſie unterweges ſind, betteln, und den Roſenkranz beten, flechten ſie immer Stroh. Auf den ſteilſten Bergen wird Frucht gebaut, aber in trockenen Jahren bekommen ſie oft blos die Saat. Sie brennen Kohlen, verkaufen Bauholz, Dielen, Planken, Latten ꝛc.; daher ſind an der Elz gar viele Saͤgemuͤhlen erbaut. In gar vielen Haushaltungen wird aus rothen und ſchwarzen Kirſchen Kirſchwaſſer gebrannt. Die Leute trinken dieſes
ſtatt
*) Die Bauern ſind ſolche rohe Naturmenſchen, daß ei- ner einmahl zum Pfarrer kam, die Geburt ſeines er- ſten Sohnes anzeigte, ſich aber dabei vom Pfarrer recht ernſtlich ausbat, er ſollte ihm dieſen Buben rechtſchaffen, d. h. ſtark, vollſtaͤndig taufen, dann dieſer muͤßte nach ſeinem Tode den Hof haben!
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Hofbauer, und die andern Geſchwiſter ſind meiſtens ſei-
ne Sklaven *). Die Ehen ſind fruchtbar, und die Leute
werden alt. Koͤſtliches Trinkwaſſer iſt hier uͤberall, im
Sommer ſind manche Brunnen eiskalt, und im Winter
ſind ſie ſo warm, daß ſie nicht gefrieren. Die Leute
trinken alle Bergwaſſer, und man ſieht doch keine Kroͤ-
pfe. Die Witterung iſt ſehr abwechſelnd. Schrecklich
iſt die Hitze im Sommer; oft faͤllt ſchon um Michaelis
Schnee. Die Bauern ſind es gewohnt, immer Ofen-
waͤrme zu haben; ſie kochen alles im Ofen, und koͤnnen
die ſchrecklichſte Hitze aushalten. Haſen ſind hier in groſ-
ſer Menge vorhanden, und werden nach Strasburg
verkauft. Die Maͤnner machen hoͤlzerne Uhren, und
die Weiber und die kleinſten Kinder lernen alle von Ju-
gend auf Strohhuͤte flechten, aus weiſſem und feinem
Roggenſtroh. Jeder Bauer braucht alle Jahre einen
Strohhut, aber viele tauſend werden nach der Schweiz
verkauft. Indem ſie unterweges ſind, betteln, und den
Roſenkranz beten, flechten ſie immer Stroh. Auf den
ſteilſten Bergen wird Frucht gebaut, aber in trockenen
Jahren bekommen ſie oft blos die Saat. Sie brennen
Kohlen, verkaufen Bauholz, Dielen, Planken, Latten ꝛc.;
daher ſind an der Elz gar viele Saͤgemuͤhlen erbaut. In
gar vielen Haushaltungen wird aus rothen und ſchwarzen
Kirſchen Kirſchwaſſer gebrannt. Die Leute trinken dieſes
ſtatt
*) Die Bauern ſind ſolche rohe Naturmenſchen, daß ei-
ner einmahl zum Pfarrer kam, die Geburt ſeines er-
ſten Sohnes anzeigte, ſich aber dabei vom Pfarrer
recht ernſtlich ausbat, er ſollte ihm dieſen Buben
rechtſchaffen, d. h. ſtark, vollſtaͤndig taufen, dann
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/396>, abgerufen am 22.11.2024.
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