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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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ter schwören, daß sie sich nirgends anderswo festsetzen oder
niederlassen wollten, als hier oder in Freiburg. Aber
mit Hülfe eines aus Freiburg davon gelaufenen Schlei-
fers soll ein Graf in Böhmen eine Schleife haben bauen
lassen. Ob die Sache ihren guten Erfolg hatte, weis
ich nicht. Nur das muß ich Ihnen noch sagen. Die
Leute in diesen Mühlen waren nun alle in der größten Un-
ruhe, weil das Gerüchte ging, daß Ihro Majestät,
der Kaiser, die Ausfuhre der rohen Granaten aus
Böhmen verboten hätten. Sollte sich das bestätigen,
so ist zu wünschen, daß eben dieser geliebte und angebe-
tete Monarch, wenn er den Böhmen ihre einheimischen
Schätze der Natur lassen will, auch seinen Unterthanen
am Fuß des Schwarzwaldes andre Nahrungsquellen
eröfne, damit nicht etliche hundert Familien plötzlich an
den Bettelstab gerathen. Und sollte sich diese schöne Ar-
beit in diesen Gegenden wieder ganz verlieren, und der
Granatenhandel einen andern Weg nehmen, so ist es
mir um so angenehmer, daß ich alles noch zu rechter Zeit
gesehen habe.

Der Bergkrystall, der hier verarbeitet wird, kommt
aus der Schweiz, und wird auf eben die Art, wie die
Granaten geschliffen. Man macht Kleiderknöpfe, Stock-
knöpfe, Triangel, Prisma, Pettschafte, Kelche, Kir-
chenlampen, Kronleuchter etc. daraus, in der Stadt sind
ganze Magazine davon, und der Handel wird mit den
Granaten zugleich getrieben. Vielleicht setzen einige diese
Arbeit fort, wenn keine rohe Granaten mehr zu haben
sind. Oft wünsche ich, immer einer solchen Mühle
nahe zu seyn. Wie manchen schönen Kiesel, den ich
am Wasser und auf der Strasse finde, würde ich an-

schleifen,

ter ſchwoͤren, daß ſie ſich nirgends anderswo feſtſetzen oder
niederlaſſen wollten, als hier oder in Freiburg. Aber
mit Huͤlfe eines aus Freiburg davon gelaufenen Schlei-
fers ſoll ein Graf in Boͤhmen eine Schleife haben bauen
laſſen. Ob die Sache ihren guten Erfolg hatte, weis
ich nicht. Nur das muß ich Ihnen noch ſagen. Die
Leute in dieſen Muͤhlen waren nun alle in der groͤßten Un-
ruhe, weil das Geruͤchte ging, daß Ihro Majeſtaͤt,
der Kaiſer, die Ausfuhre der rohen Granaten aus
Boͤhmen verboten haͤtten. Sollte ſich das beſtaͤtigen,
ſo iſt zu wuͤnſchen, daß eben dieſer geliebte und angebe-
tete Monarch, wenn er den Boͤhmen ihre einheimiſchen
Schaͤtze der Natur laſſen will, auch ſeinen Unterthanen
am Fuß des Schwarzwaldes andre Nahrungsquellen
eroͤfne, damit nicht etliche hundert Familien ploͤtzlich an
den Bettelſtab gerathen. Und ſollte ſich dieſe ſchoͤne Ar-
beit in dieſen Gegenden wieder ganz verlieren, und der
Granatenhandel einen andern Weg nehmen, ſo iſt es
mir um ſo angenehmer, daß ich alles noch zu rechter Zeit
geſehen habe.

Der Bergkryſtall, der hier verarbeitet wird, kommt
aus der Schweiz, und wird auf eben die Art, wie die
Granaten geſchliffen. Man macht Kleiderknoͤpfe, Stock-
knoͤpfe, Triangel, Prisma, Pettſchafte, Kelche, Kir-
chenlampen, Kronleuchter ꝛc. daraus, in der Stadt ſind
ganze Magazine davon, und der Handel wird mit den
Granaten zugleich getrieben. Vielleicht ſetzen einige dieſe
Arbeit fort, wenn keine rohe Granaten mehr zu haben
ſind. Oft wuͤnſche ich, immer einer ſolchen Muͤhle
nahe zu ſeyn. Wie manchen ſchoͤnen Kieſel, den ich
am Waſſer und auf der Straſſe finde, wuͤrde ich an-

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[368/0406] ter ſchwoͤren, daß ſie ſich nirgends anderswo feſtſetzen oder niederlaſſen wollten, als hier oder in Freiburg. Aber mit Huͤlfe eines aus Freiburg davon gelaufenen Schlei- fers ſoll ein Graf in Boͤhmen eine Schleife haben bauen laſſen. Ob die Sache ihren guten Erfolg hatte, weis ich nicht. Nur das muß ich Ihnen noch ſagen. Die Leute in dieſen Muͤhlen waren nun alle in der groͤßten Un- ruhe, weil das Geruͤchte ging, daß Ihro Majeſtaͤt, der Kaiſer, die Ausfuhre der rohen Granaten aus Boͤhmen verboten haͤtten. Sollte ſich das beſtaͤtigen, ſo iſt zu wuͤnſchen, daß eben dieſer geliebte und angebe- tete Monarch, wenn er den Boͤhmen ihre einheimiſchen Schaͤtze der Natur laſſen will, auch ſeinen Unterthanen am Fuß des Schwarzwaldes andre Nahrungsquellen eroͤfne, damit nicht etliche hundert Familien ploͤtzlich an den Bettelſtab gerathen. Und ſollte ſich dieſe ſchoͤne Ar- beit in dieſen Gegenden wieder ganz verlieren, und der Granatenhandel einen andern Weg nehmen, ſo iſt es mir um ſo angenehmer, daß ich alles noch zu rechter Zeit geſehen habe. Der Bergkryſtall, der hier verarbeitet wird, kommt aus der Schweiz, und wird auf eben die Art, wie die Granaten geſchliffen. Man macht Kleiderknoͤpfe, Stock- knoͤpfe, Triangel, Prisma, Pettſchafte, Kelche, Kir- chenlampen, Kronleuchter ꝛc. daraus, in der Stadt ſind ganze Magazine davon, und der Handel wird mit den Granaten zugleich getrieben. Vielleicht ſetzen einige dieſe Arbeit fort, wenn keine rohe Granaten mehr zu haben ſind. Oft wuͤnſche ich, immer einer ſolchen Muͤhle nahe zu ſeyn. Wie manchen ſchoͤnen Kieſel, den ich am Waſſer und auf der Straſſe finde, wuͤrde ich an- ſchleifen,

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/406>, abgerufen am 22.11.2024.