Der Salzstock oder Salzberg liegt eine starke Stun- de gegen Mitternacht von Hall weg. Es leben wohl 1000. Männer, und viele mit Familien davon. Schwer- lich geht zu irgend einem Bergwerke in der Welt so eine prächtige Chaussee, als man hier eine gemacht hat. Oben kamen wir freilich wohl eine Stunde in Tiefen und Berge von Schnee und Eis, wo weder Mann noch Roß festen Fuß hatte, und wo Bergleute zum Führen unent- behrlich sind. Erica carnea L. wuchs überall und ver- schönerte die Felsen. Zu beiden Seiten sieht man immer die Sohl-Leitung, und die Leitungen des süssen Was- sers. Jene ist der Sicherheit wegen auf dem ganzen langen Wege mit Steinen bedeckt. Noch rauschen zu beiden Seiten überall wilde Wasser herab. Da kan man recht sehen, wie die grosse Maschine der Erde spielt und wirkt. Ueberall quillt alles. Viele hunderttausend Quellen sind da, die einen schrecklichen Sturz haben, in die Höhe springen, wo sie gehindert werden, hernach wieder in ein natürliches Bassin von Steinen herabstür- zen, daß das Pferd vom Geräusch scheu wird, und die Wanderer sich gar nicht mehr verstehen. Man sieht auch die abscheulichen Wege, auf welchen die armen Alpen- bauern ihr Heu und Holz, erst im Winter, wenn alles voll Schnee liegt, herabrutschen können. Oft ist man ganz zwischen den schrecklichsten Bergen in Klüften ein- geschlossen, und hört und sieht nichts mehr von der übri- gen Welt. Wie Obelisken stehen auf pyramidenförmi- gen Felsen ganz abgerissen höhere Stücke empor, und trotzen allen Stürmen der Luft.
Dem Direktor Menz macht das schöne steinerne Haus, das er oben am Eingangs-Schurf dem Berg-
meister
Der Salzſtock oder Salzberg liegt eine ſtarke Stun- de gegen Mitternacht von Hall weg. Es leben wohl 1000. Maͤnner, und viele mit Familien davon. Schwer- lich geht zu irgend einem Bergwerke in der Welt ſo eine praͤchtige Chauſſee, als man hier eine gemacht hat. Oben kamen wir freilich wohl eine Stunde in Tiefen und Berge von Schnee und Eis, wo weder Mann noch Roß feſten Fuß hatte, und wo Bergleute zum Fuͤhren unent- behrlich ſind. Erica carnea L. wuchs uͤberall und ver- ſchoͤnerte die Felſen. Zu beiden Seiten ſieht man immer die Sohl-Leitung, und die Leitungen des ſuͤſſen Waſ- ſers. Jene iſt der Sicherheit wegen auf dem ganzen langen Wege mit Steinen bedeckt. Noch rauſchen zu beiden Seiten uͤberall wilde Waſſer herab. Da kan man recht ſehen, wie die groſſe Maſchine der Erde ſpielt und wirkt. Ueberall quillt alles. Viele hunderttauſend Quellen ſind da, die einen ſchrecklichen Sturz haben, in die Hoͤhe ſpringen, wo ſie gehindert werden, hernach wieder in ein natuͤrliches Baſſin von Steinen herabſtuͤr- zen, daß das Pferd vom Geraͤuſch ſcheu wird, und die Wanderer ſich gar nicht mehr verſtehen. Man ſieht auch die abſcheulichen Wege, auf welchen die armen Alpen- bauern ihr Heu und Holz, erſt im Winter, wenn alles voll Schnee liegt, herabrutſchen koͤnnen. Oft iſt man ganz zwiſchen den ſchrecklichſten Bergen in Kluͤften ein- geſchloſſen, und hoͤrt und ſieht nichts mehr von der uͤbri- gen Welt. Wie Obeliſken ſtehen auf pyramidenfoͤrmi- gen Felſen ganz abgeriſſen hoͤhere Stuͤcke empor, und trotzen allen Stuͤrmen der Luft.
Dem Direktor Menz macht das ſchoͤne ſteinerne Haus, das er oben am Eingangs-Schurf dem Berg-
meiſter
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Der Salzſtock oder Salzberg liegt eine ſtarke Stun-
de gegen Mitternacht von Hall weg. Es leben wohl
1000. Maͤnner, und viele mit Familien davon. Schwer-
lich geht zu irgend einem Bergwerke in der Welt ſo eine
praͤchtige Chauſſee, als man hier eine gemacht hat.
Oben kamen wir freilich wohl eine Stunde in Tiefen und
Berge von Schnee und Eis, wo weder Mann noch Roß
feſten Fuß hatte, und wo Bergleute zum Fuͤhren unent-
behrlich ſind. Erica carnea L. wuchs uͤberall und ver-
ſchoͤnerte die Felſen. Zu beiden Seiten ſieht man immer
die Sohl-Leitung, und die Leitungen des ſuͤſſen Waſ-
ſers. Jene iſt der Sicherheit wegen auf dem ganzen
langen Wege mit Steinen bedeckt. Noch rauſchen zu
beiden Seiten uͤberall wilde Waſſer herab. Da kan man
recht ſehen, wie die groſſe Maſchine der Erde ſpielt und
wirkt. Ueberall quillt alles. Viele hunderttauſend
Quellen ſind da, die einen ſchrecklichen Sturz haben, in
die Hoͤhe ſpringen, wo ſie gehindert werden, hernach
wieder in ein natuͤrliches Baſſin von Steinen herabſtuͤr-
zen, daß das Pferd vom Geraͤuſch ſcheu wird, und die
Wanderer ſich gar nicht mehr verſtehen. Man ſieht auch
die abſcheulichen Wege, auf welchen die armen Alpen-
bauern ihr Heu und Holz, erſt im Winter, wenn alles
voll Schnee liegt, herabrutſchen koͤnnen. Oft iſt man
ganz zwiſchen den ſchrecklichſten Bergen in Kluͤften ein-
geſchloſſen, und hoͤrt und ſieht nichts mehr von der uͤbri-
gen Welt. Wie Obeliſken ſtehen auf pyramidenfoͤrmi-
gen Felſen ganz abgeriſſen hoͤhere Stuͤcke empor, und
trotzen allen Stuͤrmen der Luft.
Dem Direktor Menz macht das ſchoͤne ſteinerne
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/490>, abgerufen am 22.11.2024.
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