deutsches Paris in Absicht auf Volksmenge, Karossen und Getümmel in den Strassen.
Durch die Thore der Stadt kan man zu allen Zei- ten ungehindert durchkommen. Der ankommende Rei- sende wird nicht nach Namen, Karakter, Logis etc. ge- fragt. Ich fuhr durch die Vorstadt Mariähülf, die breite Gassen und neue Häuser hat. In der Stadt sind die Häuser gewaltig hoch, und die meisten Strassen eng.
Mein Logis bekam ich bei Hrn. von Stockmaier, Herzogl. Würtemberg. Gesandten am hiesigen Hose *), in der Wohlzey**) im 4ten Stock eines der höch- sten Häuser in der Stadt, das so hoch ist, wie das Ob- servatorium. Ich hatte von hier die Uebersicht der gan- zen Stadt, die viel grösser ist, als Berlin.
Um doch etwas heute zu besehen, ging ich noch in die
grosse Stephanskirche, die wegen der vielen Ue- berladungen mit Zierrathen doch finster war, wiewohl jede Seitenkapelle und jedes Bild ***) schon mit vielen Lichtern erhellt waren. Es war nur Abends Gottesdienst, und doch eine abscheuliche Menge Menschen in der Kir- che, und als sie alle heraus waren, bemerkte man auf der Strasse kaum eine Verstärkung. -- So voll Menschen
ist
*) Er ist aber auch noch einigen andern Reichsfürstl. Höfen hier bedient.
**) So spricht der Wiener aus, was Waldzeile heis- sen solte.
***) Eine Kreuzigung Christi von Sandrart hängt in dieser Kirche, und dies ist das einzige schöne Gemäl- de in allen Wiener Kirchen.
deutſches Paris in Abſicht auf Volksmenge, Karoſſen und Getuͤmmel in den Straſſen.
Durch die Thore der Stadt kan man zu allen Zei- ten ungehindert durchkommen. Der ankommende Rei- ſende wird nicht nach Namen, Karakter, Logis ꝛc. ge- fragt. Ich fuhr durch die Vorſtadt Mariaͤhuͤlf, die breite Gaſſen und neue Haͤuſer hat. In der Stadt ſind die Haͤuſer gewaltig hoch, und die meiſten Straſſen eng.
Mein Logis bekam ich bei Hrn. von Stockmaier, Herzogl. Wuͤrtemberg. Geſandten am hieſigen Hoſe *), in der Wohlzey**) im 4ten Stock eines der hoͤch- ſten Haͤuſer in der Stadt, das ſo hoch iſt, wie das Ob- ſervatorium. Ich hatte von hier die Ueberſicht der gan- zen Stadt, die viel groͤſſer iſt, als Berlin.
Um doch etwas heute zu beſehen, ging ich noch in die
groſſe Stephanskirche, die wegen der vielen Ue- berladungen mit Zierrathen doch finſter war, wiewohl jede Seitenkapelle und jedes Bild ***) ſchon mit vielen Lichtern erhellt waren. Es war nur Abends Gottesdienſt, und doch eine abſcheuliche Menge Menſchen in der Kir- che, und als ſie alle heraus waren, bemerkte man auf der Straſſe kaum eine Verſtaͤrkung. — So voll Menſchen
iſt
*) Er iſt aber auch noch einigen andern Reichsfuͤrſtl. Hoͤfen hier bedient.
**) So ſpricht der Wiener aus, was Waldzeile heiſ- ſen ſolte.
***) Eine Kreuzigung Chriſti von Sandrart haͤngt in dieſer Kirche, und dies iſt das einzige ſchoͤne Gemaͤl- de in allen Wiener Kirchen.
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deutſches Paris in Abſicht auf Volksmenge, Karoſſen
und Getuͤmmel in den Straſſen.
Durch die Thore der Stadt kan man zu allen Zei-
ten ungehindert durchkommen. Der ankommende Rei-
ſende wird nicht nach Namen, Karakter, Logis ꝛc. ge-
fragt. Ich fuhr durch die Vorſtadt Mariaͤhuͤlf, die
breite Gaſſen und neue Haͤuſer hat. In der Stadt ſind
die Haͤuſer gewaltig hoch, und die meiſten Straſſen eng.
Mein Logis bekam ich bei Hrn. von Stockmaier,
Herzogl. Wuͤrtemberg. Geſandten am hieſigen Hoſe *),
in der Wohlzey **) im 4ten Stock eines der hoͤch-
ſten Haͤuſer in der Stadt, das ſo hoch iſt, wie das Ob-
ſervatorium. Ich hatte von hier die Ueberſicht der gan-
zen Stadt, die viel groͤſſer iſt, als Berlin.
Um doch etwas heute zu beſehen, ging ich noch in
die
groſſe Stephanskirche, die wegen der vielen Ue-
berladungen mit Zierrathen doch finſter war, wiewohl
jede Seitenkapelle und jedes Bild ***) ſchon mit vielen
Lichtern erhellt waren. Es war nur Abends Gottesdienſt,
und doch eine abſcheuliche Menge Menſchen in der Kir-
che, und als ſie alle heraus waren, bemerkte man auf der
Straſſe kaum eine Verſtaͤrkung. — So voll Menſchen
iſt
*) Er iſt aber auch noch einigen andern Reichsfuͤrſtl.
Hoͤfen hier bedient.
**) So ſpricht der Wiener aus, was Waldzeile heiſ-
ſen ſolte.
***) Eine Kreuzigung Chriſti von Sandrart haͤngt in
dieſer Kirche, und dies iſt das einzige ſchoͤne Gemaͤl-
de in allen Wiener Kirchen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/504>, abgerufen am 23.11.2024.
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