Darzu bleiben die grossen hölzernen Gerüste ein für alle- mahl stehen. Vor ihnen stehen 4--5. Queerreihen Pfähle, auf welchen wieder Fronten erbaut werden, die eine nach der andern abbrennen und zusammenstürzen. Ich besah die Maschinen des Melina, und des ihn über- treffenden Stuvers. Vorne sind Gallerien für die Da- men gebaut.
Wenn der Pabst den Segen gibt -- denn er se- gnete heute doch wieder -- so hört man wenig oder nichts von der Formel, man sieht nur die Zeichen mit der Hand, das Kreuzmachen nach allen Gegenden, und das Erheben der Hände. Das abergläubische Volk kniet dabei nieder. -- "Vergelts Gott, vergelts Gott", sagte eine Frau, und weinte vor Freuden. Man siehts ihm aber an, daß er die Gestikulation recht studirt hat, und an solchen pomp- haften Austritten, da er lange erwartet, und endlich wie ein Gott empfangen ward *), Freude hat. Moore**) hat ihn nach der Natur gezeichnet. Man merkts gleich, daß er ein Freund vom Ceremoniel ist. Aber was denkt der Weise, der aufgeklärte Freund und Verehrer der Re- ligion von dieser heiligen Maskerade! So ein elender Mensch, den andre Menschen in der Welt zu Etwas ge- macht haben, stellt sich dahin, und thut nicht anders, als wenn er Leben und Glückseligkeit ganzen Völkern aus- spenden könnte! Indem man das abergläubische Volk mit Mitleiden ansieht, geht man mit unendlichem Un-
willen
*) Gescheute Männer sagen doch, der Pabst hätte besser gethan, wenn er nicht gekommen wäre, er werde ge- wiß den Kaiser in keinem Punkte detourniren.
**) In seinem Abriß d. Gesellsch u. Sitten in Italien. Aus dem Engl. Lpz. 1781. Herausgeber.
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Darzu bleiben die groſſen hoͤlzernen Geruͤſte ein fuͤr alle- mahl ſtehen. Vor ihnen ſtehen 4—5. Queerreihen Pfaͤhle, auf welchen wieder Fronten erbaut werden, die eine nach der andern abbrennen und zuſammenſtuͤrzen. Ich beſah die Maſchinen des Melina, und des ihn uͤber- treffenden Stuvers. Vorne ſind Gallerien fuͤr die Da- men gebaut.
Wenn der Pabſt den Segen gibt — denn er ſe- gnete heute doch wieder — ſo hoͤrt man wenig oder nichts von der Formel, man ſieht nur die Zeichen mit der Hand, das Kreuzmachen nach allen Gegenden, und das Erheben der Haͤnde. Das aberglaͤubiſche Volk kniet dabei nieder. — „Vergelts Gott, vergelts Gott“, ſagte eine Frau, und weinte vor Freuden. Man ſiehts ihm aber an, daß er die Geſtikulation recht ſtudirt hat, und an ſolchen pomp- haften Auſtritten, da er lange erwartet, und endlich wie ein Gott empfangen ward *), Freude hat. Moore**) hat ihn nach der Natur gezeichnet. Man merkts gleich, daß er ein Freund vom Ceremoniel iſt. Aber was denkt der Weiſe, der aufgeklaͤrte Freund und Verehrer der Re- ligion von dieſer heiligen Maskerade! So ein elender Menſch, den andre Menſchen in der Welt zu Etwas ge- macht haben, ſtellt ſich dahin, und thut nicht anders, als wenn er Leben und Gluͤckſeligkeit ganzen Voͤlkern aus- ſpenden koͤnnte! Indem man das aberglaͤubiſche Volk mit Mitleiden anſieht, geht man mit unendlichem Un-
willen
*) Geſcheute Maͤnner ſagen doch, der Pabſt haͤtte beſſer gethan, wenn er nicht gekommen waͤre, er werde ge- wiß den Kaiſer in keinem Punkte detourniren.
**) In ſeinem Abriß d. Geſellſch u. Sitten in Italien. Aus dem Engl. Lpz. 1781. Herausgeber.
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Darzu bleiben die groſſen hoͤlzernen Geruͤſte ein fuͤr alle-
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Pfaͤhle, auf welchen wieder Fronten erbaut werden, die
eine nach der andern abbrennen und zuſammenſtuͤrzen. Ich
beſah die Maſchinen des Melina, und des ihn uͤber-
treffenden Stuvers. Vorne ſind Gallerien fuͤr die Da-
men gebaut.
Wenn der Pabſt den Segen gibt — denn er ſe-
gnete heute doch wieder — ſo hoͤrt man wenig oder nichts
von der Formel, man ſieht nur die Zeichen mit der Hand,
das Kreuzmachen nach allen Gegenden, und das Erheben der
Haͤnde. Das aberglaͤubiſche Volk kniet dabei nieder. —
„Vergelts Gott, vergelts Gott“, ſagte eine Frau, und
weinte vor Freuden. Man ſiehts ihm aber an, daß er
die Geſtikulation recht ſtudirt hat, und an ſolchen pomp-
haften Auſtritten, da er lange erwartet, und endlich wie
ein Gott empfangen ward *), Freude hat. Moore **)
hat ihn nach der Natur gezeichnet. Man merkts gleich,
daß er ein Freund vom Ceremoniel iſt. Aber was denkt
der Weiſe, der aufgeklaͤrte Freund und Verehrer der Re-
ligion von dieſer heiligen Maskerade! So ein elender
Menſch, den andre Menſchen in der Welt zu Etwas ge-
macht haben, ſtellt ſich dahin, und thut nicht anders,
als wenn er Leben und Gluͤckſeligkeit ganzen Voͤlkern aus-
ſpenden koͤnnte! Indem man das aberglaͤubiſche Volk
mit Mitleiden anſieht, geht man mit unendlichem Un-
willen
*) Geſcheute Maͤnner ſagen doch, der Pabſt haͤtte beſſer
gethan, wenn er nicht gekommen waͤre, er werde ge-
wiß den Kaiſer in keinem Punkte detourniren.
**) In ſeinem Abriß d. Geſellſch u. Sitten in Italien.
Aus dem Engl. Lpz. 1781. Herausgeber.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/511>, abgerufen am 24.11.2024.
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