Falsch verbreitete man hier das Gerücht, der Kai- ser sei bei der Begleitung und dem endlichen Abschied vom Pabste vor ihm auf die Knie gefallen, habe geweint, und sich seinen Segen ausgebeten. In der Kirche ver- richteten sie die Andacht mit einander, aber sonst erfolgte nichts von der Art. Sie umarmten sich zuletzt wie beim Empfang.
Bemerkungen.
Viel schöne Gesichter sieht man hier nicht. Ent- weder sind sie geschminkt, oder bleich, oder gelblicht, kurz, sie haben die ungesunde Farbe der Unordnung und des schwelgerischen Lebens.
Auch gibt's hier keine Jungfern, sondern lauter Fräulein, und ausser den Bedienten ist niemand bür- gerlich, sondern alles adelich, gnädig. -- Man er- zählt, daß Kaiser FranzI. einmal im Scherz einen Bedienten, der ihm in Weg lief, auch Herr von nann- te. Der Mann hatte Gegenwart des Geistes, nahm den Kaiser beim Wort, bedankte sich zugleich allerunter- thänigst für die Nobilitirung, und seine Familie ist noch jetzt im Adelstande.
Man kan hier ganze Boutiquen von eingefaßten Ringen sehen, mit allen möglichen ächten und falschen Steinen, mit Köpfen, mit Blumen, mit nachgemach- ten Insekten, mit dem Bildnis des Kaisers, des Pabsts.
Man bringt eine Menge lebendiger Karpfen aus Böhmen hieher, setzt sie bei Nußdorf eine Zeitlang wieder ins Donauwasser, und verkauft sie hernach für Donaukarpfen. Wenn auch einer einen Teich anlegen, und erst mit Setzkarpfen besetzen will, kan er 130 -- 140. Stücke auf einmal verschreiben, und bekommt sie richtig.
Den
Falſch verbreitete man hier das Geruͤcht, der Kai- ſer ſei bei der Begleitung und dem endlichen Abſchied vom Pabſte vor ihm auf die Knie gefallen, habe geweint, und ſich ſeinen Segen ausgebeten. In der Kirche ver- richteten ſie die Andacht mit einander, aber ſonſt erfolgte nichts von der Art. Sie umarmten ſich zuletzt wie beim Empfang.
Bemerkungen.
Viel ſchoͤne Geſichter ſieht man hier nicht. Ent- weder ſind ſie geſchminkt, oder bleich, oder gelblicht, kurz, ſie haben die ungeſunde Farbe der Unordnung und des ſchwelgeriſchen Lebens.
Auch gibt’s hier keine Jungfern, ſondern lauter Fraͤulein, und auſſer den Bedienten iſt niemand buͤr- gerlich, ſondern alles adelich, gnaͤdig. — Man er- zaͤhlt, daß Kaiſer FranzI. einmal im Scherz einen Bedienten, der ihm in Weg lief, auch Herr von nann- te. Der Mann hatte Gegenwart des Geiſtes, nahm den Kaiſer beim Wort, bedankte ſich zugleich allerunter- thaͤnigſt fuͤr die Nobilitirung, und ſeine Familie iſt noch jetzt im Adelſtande.
Man kan hier ganze Boutiquen von eingefaßten Ringen ſehen, mit allen moͤglichen aͤchten und falſchen Steinen, mit Koͤpfen, mit Blumen, mit nachgemach- ten Inſekten, mit dem Bildnis des Kaiſers, des Pabſts.
Man bringt eine Menge lebendiger Karpfen aus Boͤhmen hieher, ſetzt ſie bei Nußdorf eine Zeitlang wieder ins Donauwaſſer, und verkauft ſie hernach fuͤr Donaukarpfen. Wenn auch einer einen Teich anlegen, und erſt mit Setzkarpfen beſetzen will, kan er 130 — 140. Stuͤcke auf einmal verſchreiben, und bekommt ſie richtig.
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Falſch verbreitete man hier das Geruͤcht, der Kai-
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vom Pabſte vor ihm auf die Knie gefallen, habe geweint,
und ſich ſeinen Segen ausgebeten. In der Kirche ver-
richteten ſie die Andacht mit einander, aber ſonſt erfolgte
nichts von der Art. Sie umarmten ſich zuletzt wie
beim Empfang.
Bemerkungen.
Viel ſchoͤne Geſichter ſieht man hier nicht. Ent-
weder ſind ſie geſchminkt, oder bleich, oder gelblicht,
kurz, ſie haben die ungeſunde Farbe der Unordnung und
des ſchwelgeriſchen Lebens.
Auch gibt’s hier keine Jungfern, ſondern lauter
Fraͤulein, und auſſer den Bedienten iſt niemand buͤr-
gerlich, ſondern alles adelich, gnaͤdig. — Man er-
zaͤhlt, daß Kaiſer Franz I. einmal im Scherz einen
Bedienten, der ihm in Weg lief, auch Herr von nann-
te. Der Mann hatte Gegenwart des Geiſtes, nahm
den Kaiſer beim Wort, bedankte ſich zugleich allerunter-
thaͤnigſt fuͤr die Nobilitirung, und ſeine Familie iſt noch
jetzt im Adelſtande.
Man kan hier ganze Boutiquen von eingefaßten
Ringen ſehen, mit allen moͤglichen aͤchten und falſchen
Steinen, mit Koͤpfen, mit Blumen, mit nachgemach-
ten Inſekten, mit dem Bildnis des Kaiſers, des Pabſts.
Man bringt eine Menge lebendiger Karpfen aus
Boͤhmen hieher, ſetzt ſie bei Nußdorf eine Zeitlang
wieder ins Donauwaſſer, und verkauft ſie hernach fuͤr
Donaukarpfen. Wenn auch einer einen Teich anlegen,
und erſt mit Setzkarpfen beſetzen will, kan er 130 — 140.
Stuͤcke auf einmal verſchreiben, und bekommt ſie richtig.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/544>, abgerufen am 24.11.2024.
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