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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Mund fuhr und alles zerschneiden wollte. Man befand
sich recht wohl, wenn man in die Sonne treten und sich
wärmen konnte. Aber da, wo sie immer hin scheinen
kan, ist gleich ein solcher feiner dürrer Staub, daß man
wieder davon in den Augen und im Halse leidet. Es
soll auch hier mitten im Sommer, wenn es nur einige
Tage regnet, gleich sehr kalt, und nachher wieder sehr
heis seyn.

Ich brachte den Vormittag wieder auf der Kaiser-
lichen Bibliothek
zu, wo ich Taube's Beschreibung
von Sklavonien und Syrmien las. Was würde
Joseph II. seyn, wenn er alle seine Länder nützen könnte,
wie's möglich wäre! Man erstaunt über die Reichthümer
der Provinzen. Die Natur scheint da fast eine Ver-
schwendung gemacht zu haben. Aber die Bauern sind
faul, es fehlt an Kultur und Thätigkeit, der Adel hat
alles, und der Bauer muß Sklave seyn. Die Landgü-
ter sind zu gros, die wahre Oekonomie kennt man noch
nicht; mit dem beständigen Weiden verlieren die Bauern
allen Dünger; wenn Ströme austreten, versteht kein
Mensch die Moräste auszutrocknen, und niemand denkt
daran, die Moräste und Ueberschwemmungen zu hüten,
oft fehlt es auch wirklich an Absatz der überflüssigen Lan-
desprodukte. Das Land ist nicht bevölkert nach Maas-
gabe seiner Grösse und Güte, und im Bauer ist so we-
nig Thätigkeit, daß er, wie Taube sagt, lieber im
Winter seinen Zaun ums Haus verbrennt, als daß er
in den Wald fährt und Holz macht. Taube ist schon
lange todt, scheint einen vernünftigen Patriotismus ge-
habt zu haben, gab sich sehr viel Mühe, fand aber auch
keinen Dank und Ehre bei Hofe. --

Um

Mund fuhr und alles zerſchneiden wollte. Man befand
ſich recht wohl, wenn man in die Sonne treten und ſich
waͤrmen konnte. Aber da, wo ſie immer hin ſcheinen
kan, iſt gleich ein ſolcher feiner duͤrrer Staub, daß man
wieder davon in den Augen und im Halſe leidet. Es
ſoll auch hier mitten im Sommer, wenn es nur einige
Tage regnet, gleich ſehr kalt, und nachher wieder ſehr
heis ſeyn.

Ich brachte den Vormittag wieder auf der Kaiſer-
lichen Bibliothek
zu, wo ich Taube’s Beſchreibung
von Sklavonien und Syrmien las. Was wuͤrde
Joſeph II. ſeyn, wenn er alle ſeine Laͤnder nuͤtzen koͤnnte,
wie’s moͤglich waͤre! Man erſtaunt uͤber die Reichthuͤmer
der Provinzen. Die Natur ſcheint da faſt eine Ver-
ſchwendung gemacht zu haben. Aber die Bauern ſind
faul, es fehlt an Kultur und Thaͤtigkeit, der Adel hat
alles, und der Bauer muß Sklave ſeyn. Die Landguͤ-
ter ſind zu gros, die wahre Oekonomie kennt man noch
nicht; mit dem beſtaͤndigen Weiden verlieren die Bauern
allen Duͤnger; wenn Stroͤme austreten, verſteht kein
Menſch die Moraͤſte auszutrocknen, und niemand denkt
daran, die Moraͤſte und Ueberſchwemmungen zu huͤten,
oft fehlt es auch wirklich an Abſatz der uͤberfluͤſſigen Lan-
desprodukte. Das Land iſt nicht bevoͤlkert nach Maas-
gabe ſeiner Groͤſſe und Guͤte, und im Bauer iſt ſo we-
nig Thaͤtigkeit, daß er, wie Taube ſagt, lieber im
Winter ſeinen Zaun ums Haus verbrennt, als daß er
in den Wald faͤhrt und Holz macht. Taube iſt ſchon
lange todt, ſcheint einen vernuͤnftigen Patriotismus ge-
habt zu haben, gab ſich ſehr viel Muͤhe, fand aber auch
keinen Dank und Ehre bei Hofe. —

Um
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[538/0576] Mund fuhr und alles zerſchneiden wollte. Man befand ſich recht wohl, wenn man in die Sonne treten und ſich waͤrmen konnte. Aber da, wo ſie immer hin ſcheinen kan, iſt gleich ein ſolcher feiner duͤrrer Staub, daß man wieder davon in den Augen und im Halſe leidet. Es ſoll auch hier mitten im Sommer, wenn es nur einige Tage regnet, gleich ſehr kalt, und nachher wieder ſehr heis ſeyn. Ich brachte den Vormittag wieder auf der Kaiſer- lichen Bibliothek zu, wo ich Taube’s Beſchreibung von Sklavonien und Syrmien las. Was wuͤrde Joſeph II. ſeyn, wenn er alle ſeine Laͤnder nuͤtzen koͤnnte, wie’s moͤglich waͤre! Man erſtaunt uͤber die Reichthuͤmer der Provinzen. Die Natur ſcheint da faſt eine Ver- ſchwendung gemacht zu haben. Aber die Bauern ſind faul, es fehlt an Kultur und Thaͤtigkeit, der Adel hat alles, und der Bauer muß Sklave ſeyn. Die Landguͤ- ter ſind zu gros, die wahre Oekonomie kennt man noch nicht; mit dem beſtaͤndigen Weiden verlieren die Bauern allen Duͤnger; wenn Stroͤme austreten, verſteht kein Menſch die Moraͤſte auszutrocknen, und niemand denkt daran, die Moraͤſte und Ueberſchwemmungen zu huͤten, oft fehlt es auch wirklich an Abſatz der uͤberfluͤſſigen Lan- desprodukte. Das Land iſt nicht bevoͤlkert nach Maas- gabe ſeiner Groͤſſe und Guͤte, und im Bauer iſt ſo we- nig Thaͤtigkeit, daß er, wie Taube ſagt, lieber im Winter ſeinen Zaun ums Haus verbrennt, als daß er in den Wald faͤhrt und Holz macht. Taube iſt ſchon lange todt, ſcheint einen vernuͤnftigen Patriotismus ge- habt zu haben, gab ſich ſehr viel Muͤhe, fand aber auch keinen Dank und Ehre bei Hofe. — Um

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/576>, abgerufen am 26.11.2024.