Mund fuhr und alles zerschneiden wollte. Man befand sich recht wohl, wenn man in die Sonne treten und sich wärmen konnte. Aber da, wo sie immer hin scheinen kan, ist gleich ein solcher feiner dürrer Staub, daß man wieder davon in den Augen und im Halse leidet. Es soll auch hier mitten im Sommer, wenn es nur einige Tage regnet, gleich sehr kalt, und nachher wieder sehr heis seyn.
Ich brachte den Vormittag wieder auf der Kaiser- lichen Bibliothek zu, wo ich Taube's Beschreibung von Sklavonien und Syrmien las. Was würde JosephII. seyn, wenn er alle seine Länder nützen könnte, wie's möglich wäre! Man erstaunt über die Reichthümer der Provinzen. Die Natur scheint da fast eine Ver- schwendung gemacht zu haben. Aber die Bauern sind faul, es fehlt an Kultur und Thätigkeit, der Adel hat alles, und der Bauer muß Sklave seyn. Die Landgü- ter sind zu gros, die wahre Oekonomie kennt man noch nicht; mit dem beständigen Weiden verlieren die Bauern allen Dünger; wenn Ströme austreten, versteht kein Mensch die Moräste auszutrocknen, und niemand denkt daran, die Moräste und Ueberschwemmungen zu hüten, oft fehlt es auch wirklich an Absatz der überflüssigen Lan- desprodukte. Das Land ist nicht bevölkert nach Maas- gabe seiner Grösse und Güte, und im Bauer ist so we- nig Thätigkeit, daß er, wie Taube sagt, lieber im Winter seinen Zaun ums Haus verbrennt, als daß er in den Wald fährt und Holz macht. Taube ist schon lange todt, scheint einen vernünftigen Patriotismus ge- habt zu haben, gab sich sehr viel Mühe, fand aber auch keinen Dank und Ehre bei Hofe. --
Um
Mund fuhr und alles zerſchneiden wollte. Man befand ſich recht wohl, wenn man in die Sonne treten und ſich waͤrmen konnte. Aber da, wo ſie immer hin ſcheinen kan, iſt gleich ein ſolcher feiner duͤrrer Staub, daß man wieder davon in den Augen und im Halſe leidet. Es ſoll auch hier mitten im Sommer, wenn es nur einige Tage regnet, gleich ſehr kalt, und nachher wieder ſehr heis ſeyn.
Ich brachte den Vormittag wieder auf der Kaiſer- lichen Bibliothek zu, wo ich Taube’s Beſchreibung von Sklavonien und Syrmien las. Was wuͤrde JoſephII. ſeyn, wenn er alle ſeine Laͤnder nuͤtzen koͤnnte, wie’s moͤglich waͤre! Man erſtaunt uͤber die Reichthuͤmer der Provinzen. Die Natur ſcheint da faſt eine Ver- ſchwendung gemacht zu haben. Aber die Bauern ſind faul, es fehlt an Kultur und Thaͤtigkeit, der Adel hat alles, und der Bauer muß Sklave ſeyn. Die Landguͤ- ter ſind zu gros, die wahre Oekonomie kennt man noch nicht; mit dem beſtaͤndigen Weiden verlieren die Bauern allen Duͤnger; wenn Stroͤme austreten, verſteht kein Menſch die Moraͤſte auszutrocknen, und niemand denkt daran, die Moraͤſte und Ueberſchwemmungen zu huͤten, oft fehlt es auch wirklich an Abſatz der uͤberfluͤſſigen Lan- desprodukte. Das Land iſt nicht bevoͤlkert nach Maas- gabe ſeiner Groͤſſe und Guͤte, und im Bauer iſt ſo we- nig Thaͤtigkeit, daß er, wie Taube ſagt, lieber im Winter ſeinen Zaun ums Haus verbrennt, als daß er in den Wald faͤhrt und Holz macht. Taube iſt ſchon lange todt, ſcheint einen vernuͤnftigen Patriotismus ge- habt zu haben, gab ſich ſehr viel Muͤhe, fand aber auch keinen Dank und Ehre bei Hofe. —
Um
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Mund fuhr und alles zerſchneiden wollte. Man befand
ſich recht wohl, wenn man in die Sonne treten und ſich
waͤrmen konnte. Aber da, wo ſie immer hin ſcheinen
kan, iſt gleich ein ſolcher feiner duͤrrer Staub, daß man
wieder davon in den Augen und im Halſe leidet. Es
ſoll auch hier mitten im Sommer, wenn es nur einige
Tage regnet, gleich ſehr kalt, und nachher wieder ſehr
heis ſeyn.
Ich brachte den Vormittag wieder auf der Kaiſer-
lichen Bibliothek zu, wo ich Taube’s Beſchreibung
von Sklavonien und Syrmien las. Was wuͤrde
Joſeph II. ſeyn, wenn er alle ſeine Laͤnder nuͤtzen koͤnnte,
wie’s moͤglich waͤre! Man erſtaunt uͤber die Reichthuͤmer
der Provinzen. Die Natur ſcheint da faſt eine Ver-
ſchwendung gemacht zu haben. Aber die Bauern ſind
faul, es fehlt an Kultur und Thaͤtigkeit, der Adel hat
alles, und der Bauer muß Sklave ſeyn. Die Landguͤ-
ter ſind zu gros, die wahre Oekonomie kennt man noch
nicht; mit dem beſtaͤndigen Weiden verlieren die Bauern
allen Duͤnger; wenn Stroͤme austreten, verſteht kein
Menſch die Moraͤſte auszutrocknen, und niemand denkt
daran, die Moraͤſte und Ueberſchwemmungen zu huͤten,
oft fehlt es auch wirklich an Abſatz der uͤberfluͤſſigen Lan-
desprodukte. Das Land iſt nicht bevoͤlkert nach Maas-
gabe ſeiner Groͤſſe und Guͤte, und im Bauer iſt ſo we-
nig Thaͤtigkeit, daß er, wie Taube ſagt, lieber im
Winter ſeinen Zaun ums Haus verbrennt, als daß er
in den Wald faͤhrt und Holz macht. Taube iſt ſchon
lange todt, ſcheint einen vernuͤnftigen Patriotismus ge-
habt zu haben, gab ſich ſehr viel Muͤhe, fand aber auch
keinen Dank und Ehre bei Hofe. —
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/576>, abgerufen am 26.11.2024.
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