hig im Wagen fahren, wollen die Pferde selber leiten, hauen sie immer oben über den Bug herüber, daß sie in den volkreichsten Strassen aufspringen und traversiren müssen, dabei schreit dann der adeliche Fuhrknecht im Wagen trotz jedem andern Bauerfuhrmann, und so zeigt er sich, seinen Wagen und seine Pferde in einer Strasse nach der andern.
Den 3ten Mai.
Mit dem frühen Morgen und einigen warmen Son- nenblicken machte ich mir die Freude wieder, zu Hrn. von Jacquin in den
Botanischen Garten hinauszufahren, und brach- te da den ganzen Vormittag zu, bis er mich in seinem Wagen zurückführen lies.
Er ist ein gar guter Mann. Man sieht in ihm gleich den Mann, der früh, viel und ernstlich studirt hat, und sein Wissen gern jedem mittheilt, dessen Wiß- begierde nicht Charlatanerie ist. Man spricht den Ge- lehrten, der viel gereißt ist, und daher über Gnaden, Unterthänig, und anderes Wienerisches Schwätzwerk weit weg ist; den Mann, der gern mit jedem vom Hand- werk Freundschaft macht, aber auch tief den Undank und die Ungerechtigkeit des Hofes fühlt. -- Man hat ihm die Pension genommen, die ihm vermöge eines Kon- trakts mit Kaiser FranzI. gehörte, als er auf dessen Befehl die Reise nach Amerika that: man hat ihm und allen Professoren auf der Universita[e]t ihre Hofquartiere genommen, Born bekam doch noch Quartiergeld, aber Jacquin und die andern alle nichts. Man spricht auch schon von Verminderungen der Besoldungen, und will,
die
hig im Wagen fahren, wollen die Pferde ſelber leiten, hauen ſie immer oben uͤber den Bug heruͤber, daß ſie in den volkreichſten Straſſen aufſpringen und traverſiren muͤſſen, dabei ſchreit dann der adeliche Fuhrknecht im Wagen trotz jedem andern Bauerfuhrmann, und ſo zeigt er ſich, ſeinen Wagen und ſeine Pferde in einer Straſſe nach der andern.
Den 3ten Mai.
Mit dem fruͤhen Morgen und einigen warmen Son- nenblicken machte ich mir die Freude wieder, zu Hrn. von Jacquin in den
Botaniſchen Garten hinauszufahren, und brach- te da den ganzen Vormittag zu, bis er mich in ſeinem Wagen zuruͤckfuͤhren lies.
Er iſt ein gar guter Mann. Man ſieht in ihm gleich den Mann, der fruͤh, viel und ernſtlich ſtudirt hat, und ſein Wiſſen gern jedem mittheilt, deſſen Wiß- begierde nicht Charlatanerie iſt. Man ſpricht den Ge- lehrten, der viel gereißt iſt, und daher uͤber Gnaden, Unterthaͤnig, und anderes Wieneriſches Schwaͤtzwerk weit weg iſt; den Mann, der gern mit jedem vom Hand- werk Freundſchaft macht, aber auch tief den Undank und die Ungerechtigkeit des Hofes fuͤhlt. — Man hat ihm die Penſion genommen, die ihm vermoͤge eines Kon- trakts mit Kaiſer FranzI. gehoͤrte, als er auf deſſen Befehl die Reiſe nach Amerika that: man hat ihm und allen Profeſſoren auf der Univerſita[ͤ]t ihre Hofquartiere genommen, Born bekam doch noch Quartiergeld, aber Jacquin und die andern alle nichts. Man ſpricht auch ſchon von Verminderungen der Beſoldungen, und will,
die
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hig im Wagen fahren, wollen die Pferde ſelber leiten,
hauen ſie immer oben uͤber den Bug heruͤber, daß ſie in
den volkreichſten Straſſen aufſpringen und traverſiren
muͤſſen, dabei ſchreit dann der adeliche Fuhrknecht im
Wagen trotz jedem andern Bauerfuhrmann, und ſo zeigt
er ſich, ſeinen Wagen und ſeine Pferde in einer Straſſe
nach der andern.
Den 3ten Mai.
Mit dem fruͤhen Morgen und einigen warmen Son-
nenblicken machte ich mir die Freude wieder, zu Hrn.
von Jacquin in den
Botaniſchen Garten hinauszufahren, und brach-
te da den ganzen Vormittag zu, bis er mich in ſeinem
Wagen zuruͤckfuͤhren lies.
Er iſt ein gar guter Mann. Man ſieht in ihm
gleich den Mann, der fruͤh, viel und ernſtlich ſtudirt
hat, und ſein Wiſſen gern jedem mittheilt, deſſen Wiß-
begierde nicht Charlatanerie iſt. Man ſpricht den Ge-
lehrten, der viel gereißt iſt, und daher uͤber Gnaden,
Unterthaͤnig, und anderes Wieneriſches Schwaͤtzwerk
weit weg iſt; den Mann, der gern mit jedem vom Hand-
werk Freundſchaft macht, aber auch tief den Undank und
die Ungerechtigkeit des Hofes fuͤhlt. — Man hat ihm
die Penſion genommen, die ihm vermoͤge eines Kon-
trakts mit Kaiſer Franz I. gehoͤrte, als er auf deſſen
Befehl die Reiſe nach Amerika that: man hat ihm und
allen Profeſſoren auf der Univerſitaͤt ihre Hofquartiere
genommen, Born bekam doch noch Quartiergeld, aber
Jacquin und die andern alle nichts. Man ſpricht auch
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/579>, abgerufen am 27.11.2024.
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