stühle stehen an allen Ecken der Kirche, sind gros, und haben Fenster, 2, 3. Kronenleuchter hängen in der Mitte herab, und dienen bei den Leichen des Nachts. Alle Kirchen sind dunkel, die Stühle haben Thüren, viele Abtheilungen und fast gar keine Plätze. Alle Wän- de sind weis. Ferner sind alle Schritte in der Kirche mit Grabsteinen besetzt, und längst der ganzen Kirche hin liegen Todte. Man geht darin so weit, daß viele Familien ihre eigene Erbbegräbnisse in den Kirchen ha- ben; daß jeder Grabstein oben einen dicken eisernen Ring hat, an dem man ihn aufhebt, über den man aber auch fallen kan, und wie sehr verunstaltet es den Fußboden der Kirche? daß man es sogar an den Kirchthüren ge- druckt anschlagen läßt, wenn einige Gräber feil sind, und daß man sogar in die Sakristei begräbt. -- Der Dohm oder Dumm ist hier gar das nicht, was an andern Or- ten. Es ist die elendeste und schlechteste Kirche, wo auch Buchläden aufgeschlagen sind. Solche Nebenkir- chen brauchen die Leute als Passagen, um den Weg abzukürzen. Die Michaeliskirche ward vor einigen Jahren vom Wetter angezündet, brannte bis aufs Mauerwerk ab, und ward mit schweren Kosten wieder erbaut -- noch ist kein Thurm daran. Die Engli- schen Kaufleute haben hier das Englische Haus, wo ihnen ihr Prediger Englisch predigt. Sie beobachten das Reciprocum in London. Man kan auch ein Schiff *) sehen, auf dem gepredigt wird. Das Mini-
sterium
*) Das ist ein altes sehr grosses Konvoyschiff, das ehe- mals wider die Türken gebraucht worden. Man weis, daß es in Lissabon und in Cadix eingelaufen. Jetzt ist es schadhaft und man läßt es abgehen. Man steigt an einer Treppe hinauf.
ſtuͤhle ſtehen an allen Ecken der Kirche, ſind gros, und haben Fenſter, 2, 3. Kronenleuchter haͤngen in der Mitte herab, und dienen bei den Leichen des Nachts. Alle Kirchen ſind dunkel, die Stuͤhle haben Thuͤren, viele Abtheilungen und faſt gar keine Plaͤtze. Alle Waͤn- de ſind weis. Ferner ſind alle Schritte in der Kirche mit Grabſteinen beſetzt, und laͤngſt der ganzen Kirche hin liegen Todte. Man geht darin ſo weit, daß viele Familien ihre eigene Erbbegraͤbniſſe in den Kirchen ha- ben; daß jeder Grabſtein oben einen dicken eiſernen Ring hat, an dem man ihn aufhebt, uͤber den man aber auch fallen kan, und wie ſehr verunſtaltet es den Fußboden der Kirche? daß man es ſogar an den Kirchthuͤren ge- druckt anſchlagen laͤßt, wenn einige Graͤber feil ſind, und daß man ſogar in die Sakriſtei begraͤbt. — Der Dohm oder Dumm iſt hier gar das nicht, was an andern Or- ten. Es iſt die elendeſte und ſchlechteſte Kirche, wo auch Buchlaͤden aufgeſchlagen ſind. Solche Nebenkir- chen brauchen die Leute als Paſſagen, um den Weg abzukuͤrzen. Die Michaeliskirche ward vor einigen Jahren vom Wetter angezuͤndet, brannte bis aufs Mauerwerk ab, und ward mit ſchweren Koſten wieder erbaut — noch iſt kein Thurm daran. Die Engli- ſchen Kaufleute haben hier das Engliſche Haus, wo ihnen ihr Prediger Engliſch predigt. Sie beobachten das Reciprocum in London. Man kan auch ein Schiff *) ſehen, auf dem gepredigt wird. Das Mini-
ſterium
*) Das iſt ein altes ſehr groſſes Konvoyſchiff, das ehe- mals wider die Tuͤrken gebraucht worden. Man weis, daß es in Liſſabon und in Cadix eingelaufen. Jetzt iſt es ſchadhaft und man laͤßt es abgehen. Man ſteigt an einer Treppe hinauf.
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ſtuͤhle ſtehen an allen Ecken der Kirche, ſind gros, und
haben Fenſter, 2, 3. Kronenleuchter haͤngen in der
Mitte herab, und dienen bei den Leichen des Nachts.
Alle Kirchen ſind dunkel, die Stuͤhle haben Thuͤren, viele
Abtheilungen und faſt gar keine Plaͤtze. Alle Waͤn-
de ſind weis. Ferner ſind alle Schritte in der Kirche
mit Grabſteinen beſetzt, und laͤngſt der ganzen Kirche
hin liegen Todte. Man geht darin ſo weit, daß viele
Familien ihre eigene Erbbegraͤbniſſe in den Kirchen ha-
ben; daß jeder Grabſtein oben einen dicken eiſernen Ring
hat, an dem man ihn aufhebt, uͤber den man aber auch
fallen kan, und wie ſehr verunſtaltet es den Fußboden
der Kirche? daß man es ſogar an den Kirchthuͤren ge-
druckt anſchlagen laͤßt, wenn einige Graͤber feil ſind, und
daß man ſogar in die Sakriſtei begraͤbt. — Der Dohm
oder Dumm iſt hier gar das nicht, was an andern Or-
ten. Es iſt die elendeſte und ſchlechteſte Kirche, wo
auch Buchlaͤden aufgeſchlagen ſind. Solche Nebenkir-
chen brauchen die Leute als Paſſagen, um den Weg
abzukuͤrzen. Die Michaeliskirche ward vor einigen
Jahren vom Wetter angezuͤndet, brannte bis aufs
Mauerwerk ab, und ward mit ſchweren Koſten wieder
erbaut — noch iſt kein Thurm daran. Die Engli-
ſchen Kaufleute haben hier das Engliſche Haus, wo
ihnen ihr Prediger Engliſch predigt. Sie beobachten
das Reciprocum in London. Man kan auch ein
Schiff *) ſehen, auf dem gepredigt wird. Das Mini-
ſterium
*) Das iſt ein altes ſehr groſſes Konvoyſchiff, das ehe-
mals wider die Tuͤrken gebraucht worden. Man
weis, daß es in Liſſabon und in Cadix eingelaufen.
Jetzt iſt es ſchadhaft und man laͤßt es abgehen. Man
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/700>, abgerufen am 24.11.2024.
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