Die Kleidung der alten Kaufleute ist simpel, gros, weit, aber ohne Pracht. Die jungen und die Damen lie- ben desto mehr das Putzen. Die Vornehmen gehen mit einem rothen scharlachenen Mantel über dem Kleide. Der Hut ist gros und hoch. Perücken sind sehr gewöhnlich. Degen werden selten getragen. Die Frauenzimmer ge- hen mit einem grossen Tuche verhüllt, bei schlechten und bei angenehmen Wetter, zum Theil in die Kirche. Wer mehr von der Kleidung wissen will, der gehe Sonntags um 2. Uhr auf den Kirchensaal in der Michaeliskirche.
Die Sprache der Hamburger sollte eigentlich Platt- deutsch seyn, und die Sprache, wenn man sie in der Ge- walt hat, ist nervös, angenehm, zum Singen geschickt, hat ihre eigenen Redensarten und eigenen Schönheiten. Man hat Hochzeitgedichte, die zum Scherz in dieser Spra- che verfertigt sind, und wahre Meisterstücke heissen können: aber viele verstehen sie gar nicht, und lernen sie nicht. Man redet Hochdeutsch, aber in einem erbärmlichen Dialekt; man sagt Maude statt Mode; blift statt bleibt; Tschesus statt Jesus; bettken statt bischen; Wa- ter statt Wasser; Gröte statt Grösse; Eten statt Essen; Tit statt Zeit. Lat mick mit Free. Win statt Wein. etc. Französisch und Englisch lernen alle junge Leute, und zum Theil von gar elenden Sprach- meistern.
Bei Hrn. Pastor Götze sieht man eine Bibelsamm- lung, die 400. Stücke enthält, und zwar nicht vollständig, aber ausgesucht ist. Er hat eine deutsche Bibel, die vor Luthern in Augspurg 1473. bei Sorger gedruckt ist, blos nach der Vulgata, sie ist von Wort zu Wort aus dem Lateinischen. Genesis heist darin Buch der Schöpfung,
Exodus,
Die Kleidung der alten Kaufleute iſt ſimpel, gros, weit, aber ohne Pracht. Die jungen und die Damen lie- ben deſto mehr das Putzen. Die Vornehmen gehen mit einem rothen ſcharlachenen Mantel uͤber dem Kleide. Der Hut iſt gros und hoch. Peruͤcken ſind ſehr gewoͤhnlich. Degen werden ſelten getragen. Die Frauenzimmer ge- hen mit einem groſſen Tuche verhuͤllt, bei ſchlechten und bei angenehmen Wetter, zum Theil in die Kirche. Wer mehr von der Kleidung wiſſen will, der gehe Sonntags um 2. Uhr auf den Kirchenſaal in der Michaeliskirche.
Die Sprache der Hamburger ſollte eigentlich Platt- deutſch ſeyn, und die Sprache, wenn man ſie in der Ge- walt hat, iſt nervoͤs, angenehm, zum Singen geſchickt, hat ihre eigenen Redensarten und eigenen Schoͤnheiten. Man hat Hochzeitgedichte, die zum Scherz in dieſer Spra- che verfertigt ſind, und wahre Meiſterſtuͤcke heiſſen koͤnnen: aber viele verſtehen ſie gar nicht, und lernen ſie nicht. Man redet Hochdeutſch, aber in einem erbaͤrmlichen Dialekt; man ſagt Maude ſtatt Mode; blift ſtatt bleibt; Tſcheſus ſtatt Jeſus; bettken ſtatt bischen; Wa- ter ſtatt Waſſer; Groͤte ſtatt Groͤſſe; Eten ſtatt Eſſen; Tit ſtatt Zeit. Lat mick mit Free. Win ſtatt Wein. ꝛc. Franzoͤſiſch und Engliſch lernen alle junge Leute, und zum Theil von gar elenden Sprach- meiſtern.
Bei Hrn. Paſtor Goͤtze ſieht man eine Bibelſamm- lung, die 400. Stuͤcke enthaͤlt, und zwar nicht vollſtaͤndig, aber ausgeſucht iſt. Er hat eine deutſche Bibel, die vor Luthern in Augſpurg 1473. bei Sorger gedruckt iſt, blos nach der Vulgata, ſie iſt von Wort zu Wort aus dem Lateiniſchen. Geneſis heiſt darin Buch der Schoͤpfung,
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Die Kleidung der alten Kaufleute iſt ſimpel, gros,
weit, aber ohne Pracht. Die jungen und die Damen lie-
ben deſto mehr das Putzen. Die Vornehmen gehen mit
einem rothen ſcharlachenen Mantel uͤber dem Kleide. Der
Hut iſt gros und hoch. Peruͤcken ſind ſehr gewoͤhnlich.
Degen werden ſelten getragen. Die Frauenzimmer ge-
hen mit einem groſſen Tuche verhuͤllt, bei ſchlechten und
bei angenehmen Wetter, zum Theil in die Kirche. Wer
mehr von der Kleidung wiſſen will, der gehe Sonntags
um 2. Uhr auf den Kirchenſaal in der Michaeliskirche.
Die Sprache der Hamburger ſollte eigentlich Platt-
deutſch ſeyn, und die Sprache, wenn man ſie in der Ge-
walt hat, iſt nervoͤs, angenehm, zum Singen geſchickt,
hat ihre eigenen Redensarten und eigenen Schoͤnheiten.
Man hat Hochzeitgedichte, die zum Scherz in dieſer Spra-
che verfertigt ſind, und wahre Meiſterſtuͤcke heiſſen koͤnnen:
aber viele verſtehen ſie gar nicht, und lernen ſie nicht. Man
redet Hochdeutſch, aber in einem erbaͤrmlichen Dialekt;
man ſagt Maude ſtatt Mode; blift ſtatt bleibt;
Tſcheſus ſtatt Jeſus; bettken ſtatt bischen; Wa-
ter ſtatt Waſſer; Groͤte ſtatt Groͤſſe; Eten ſtatt
Eſſen; Tit ſtatt Zeit. Lat mick mit Free. Win
ſtatt Wein. ꝛc. Franzoͤſiſch und Engliſch lernen alle
junge Leute, und zum Theil von gar elenden Sprach-
meiſtern.
Bei Hrn. Paſtor Goͤtze ſieht man eine Bibelſamm-
lung, die 400. Stuͤcke enthaͤlt, und zwar nicht vollſtaͤndig,
aber ausgeſucht iſt. Er hat eine deutſche Bibel, die vor
Luthern in Augſpurg 1473. bei Sorger gedruckt iſt,
blos nach der Vulgata, ſie iſt von Wort zu Wort aus dem
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/709>, abgerufen am 21.11.2024.
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