ziemlich gerade, besser gepflastert als Hamburg, mei- stens breit, aber die Stadt ist vielmal kleiner als Ham- burg. So viel Handelschaft und Leben ist auch bei weitem nicht hier, wie dort. Hingegen sind die Leute fei- ner, höflicher, die Sprache hat einen schönen Accent, die Leute werden alt, 50, 55. Jahr ist bei ihnen noch kein Alter. Essen, Trinken, und überhaupt die ganze Lebensart ist von der Hamburgischen wenig unter- schieden. Die Kirchen sind ungeheuer gros, aber eben so sehr mit ekelhaften Zierrathen angefüllt, die grosse Marienkirche besonders. Da steht das prächtige Uhr- werk, das den Tag, den Monat, die Himmelszeichen, die Sonnen- und Mondfinsternisse zeigt, und wie man sagt, 100. Jahre laufen soll. Es ist eine prächtige gros- se Scheibe, hinter einem von Eisendrat geflochtenen Git- ter. Die Uhr ist alt, und vor kurzem von einem ma- thematischen Pastor Becher reparirt und mit neuen In- schriften vermehrt worden. Unten steht eine Adjuration wider den, der das Werk beschmuzen oder verderben woll- te, in plattdeutscher Sprache. Darneben ist das Wahr- zeichen der Stadt, eine Katze, die auf eine Maus lau- ert, abgemalt. Oben über sieht man, wenn es Mit- tags 12. Uhr geschlagen hat, nach dem letzten Streich eine kleine Thür aufgehen, daraus kommen, vom Uhr- werk getrieben, die 12. Apostel in alten wunderlichen Klei- dungen. Sie stehen auf einem halben Zirkelbogen, sind nicht gros, graulicht, vermuthlich von Holz, bieten den untenstehenden Zuschauern den Rücken, und rücken ganz langsam, allmählig von einer Seite zur andern. In der Mitte der halben Zirkellinie, die sie beschreiben, steht in einer Nische ein Bild von unserm Erlöser, der durch die Stralen am Haupt kenntlich wird. So wie einer
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ziemlich gerade, beſſer gepflaſtert als Hamburg, mei- ſtens breit, aber die Stadt iſt vielmal kleiner als Ham- burg. So viel Handelſchaft und Leben iſt auch bei weitem nicht hier, wie dort. Hingegen ſind die Leute fei- ner, hoͤflicher, die Sprache hat einen ſchoͤnen Accent, die Leute werden alt, 50, 55. Jahr iſt bei ihnen noch kein Alter. Eſſen, Trinken, und uͤberhaupt die ganze Lebensart iſt von der Hamburgiſchen wenig unter- ſchieden. Die Kirchen ſind ungeheuer gros, aber eben ſo ſehr mit ekelhaften Zierrathen angefuͤllt, die groſſe Marienkirche beſonders. Da ſteht das praͤchtige Uhr- werk, das den Tag, den Monat, die Himmelszeichen, die Sonnen- und Mondfinſterniſſe zeigt, und wie man ſagt, 100. Jahre laufen ſoll. Es iſt eine praͤchtige groſ- ſe Scheibe, hinter einem von Eiſendrat geflochtenen Git- ter. Die Uhr iſt alt, und vor kurzem von einem ma- thematiſchen Paſtor Becher reparirt und mit neuen In- ſchriften vermehrt worden. Unten ſteht eine Adjuration wider den, der das Werk beſchmuzen oder verderben woll- te, in plattdeutſcher Sprache. Darneben iſt das Wahr- zeichen der Stadt, eine Katze, die auf eine Maus lau- ert, abgemalt. Oben uͤber ſieht man, wenn es Mit- tags 12. Uhr geſchlagen hat, nach dem letzten Streich eine kleine Thuͤr aufgehen, daraus kommen, vom Uhr- werk getrieben, die 12. Apoſtel in alten wunderlichen Klei- dungen. Sie ſtehen auf einem halben Zirkelbogen, ſind nicht gros, graulicht, vermuthlich von Holz, bieten den untenſtehenden Zuſchauern den Ruͤcken, und ruͤcken ganz langſam, allmaͤhlig von einer Seite zur andern. In der Mitte der halben Zirkellinie, die ſie beſchreiben, ſteht in einer Niſche ein Bild von unſerm Erloͤſer, der durch die Stralen am Haupt kenntlich wird. So wie einer
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ziemlich gerade, beſſer gepflaſtert als Hamburg, mei-
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weitem nicht hier, wie dort. Hingegen ſind die Leute fei-
ner, hoͤflicher, die Sprache hat einen ſchoͤnen Accent,
die Leute werden alt, 50, 55. Jahr iſt bei ihnen noch
kein Alter. Eſſen, Trinken, und uͤberhaupt die ganze
Lebensart iſt von der Hamburgiſchen wenig unter-
ſchieden. Die Kirchen ſind ungeheuer gros, aber eben
ſo ſehr mit ekelhaften Zierrathen angefuͤllt, die groſſe
Marienkirche beſonders. Da ſteht das praͤchtige Uhr-
werk, das den Tag, den Monat, die Himmelszeichen,
die Sonnen- und Mondfinſterniſſe zeigt, und wie man
ſagt, 100. Jahre laufen ſoll. Es iſt eine praͤchtige groſ-
ſe Scheibe, hinter einem von Eiſendrat geflochtenen Git-
ter. Die Uhr iſt alt, und vor kurzem von einem ma-
thematiſchen Paſtor Becher reparirt und mit neuen In-
ſchriften vermehrt worden. Unten ſteht eine Adjuration
wider den, der das Werk beſchmuzen oder verderben woll-
te, in plattdeutſcher Sprache. Darneben iſt das Wahr-
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ert, abgemalt. Oben uͤber ſieht man, wenn es Mit-
tags 12. Uhr geſchlagen hat, nach dem letzten Streich
eine kleine Thuͤr aufgehen, daraus kommen, vom Uhr-
werk getrieben, die 12. Apoſtel in alten wunderlichen Klei-
dungen. Sie ſtehen auf einem halben Zirkelbogen, ſind
nicht gros, graulicht, vermuthlich von Holz, bieten den
untenſtehenden Zuſchauern den Ruͤcken, und ruͤcken ganz
langſam, allmaͤhlig von einer Seite zur andern. In
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/718>, abgerufen am 21.11.2024.
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