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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Sie mir diesen Eifer! Menschenliebe und dankbare Wert-
schätzung meines Freundes, der mit diesen sogenannten
geistlichen Lehrern sichtbar kontrastirt, haben mich dazu
hingerissen.

In der Gesellschaft dieses lieben Mannes, und mei-
nes Freundes des Hrn. Christoph, an der Hospitalkirche,
der seitdem wir uns kennen, auch ganz von der Grösse
und Gemeinnützigkeit unsers Studiums eingenommen ist,
besuchte ich noch den alten Greis, Hrn. Senior Deg-
maier,
der dem Tode nahe ist, des Lebens Mühe und
Unruhe erfahren, und glücklich überstanden hat. Der
ehrwürdige Mann bedauerte nichts so sehr, als daß er
sein Gedächtnis verlohren, und schon lange ausser Stan-
de ist, öffentlich zu arbeiten. So gewis ist es, daß al-
lein Wirksamkeit und Thätigkeit die Mutter des Ver-
gnügens ist. "Sammeln Sie," sagte er zu mir, und
drückte mir mit aller noch übrigen Lebhaftigkeit die Hand,
"viel in Ihr Herz, und stisten Sie viel Gutes für das
"Reich Gottes in der Welt. Ich weis es jetzt, daß
"uns am Ende das, und sonst nichts Freude machen
"kan." Sie können leicht denken, mit welchen Empfin-
dungen ich diesen langsam sterbenden Mann, der das
Lob der Edlen und Guten mit sich ins Grab nimmt, ver-
lassen habe.

An Herrn von Cobres fand ich noch einen Kauf-
mann, der sich durch eine weitläuftige Bekanntschaft mit
der Natur, und durch einen unermüdeten Eifer für diese
Wissenschaft, und einen edlen Aufwand vor tausenden sei-
nes Standes auszeichnet. In seiner Bibliothek sind
die ältesten und die neusten Schriften der Naturforscher

bei-

Sie mir dieſen Eifer! Menſchenliebe und dankbare Wert-
ſchaͤtzung meines Freundes, der mit dieſen ſogenannten
geiſtlichen Lehrern ſichtbar kontraſtirt, haben mich dazu
hingeriſſen.

In der Geſellſchaft dieſes lieben Mannes, und mei-
nes Freundes des Hrn. Chriſtoph, an der Hoſpitalkirche,
der ſeitdem wir uns kennen, auch ganz von der Groͤſſe
und Gemeinnuͤtzigkeit unſers Studiums eingenommen iſt,
beſuchte ich noch den alten Greis, Hrn. Senior Deg-
maier,
der dem Tode nahe iſt, des Lebens Muͤhe und
Unruhe erfahren, und gluͤcklich uͤberſtanden hat. Der
ehrwuͤrdige Mann bedauerte nichts ſo ſehr, als daß er
ſein Gedaͤchtnis verlohren, und ſchon lange auſſer Stan-
de iſt, oͤffentlich zu arbeiten. So gewis iſt es, daß al-
lein Wirkſamkeit und Thaͤtigkeit die Mutter des Ver-
gnuͤgens iſt. „Sammeln Sie,“ ſagte er zu mir, und
druͤckte mir mit aller noch uͤbrigen Lebhaftigkeit die Hand,
„viel in Ihr Herz, und ſtiſten Sie viel Gutes fuͤr das
„Reich Gottes in der Welt. Ich weis es jetzt, daß
„uns am Ende das, und ſonſt nichts Freude machen
„kan.“ Sie koͤnnen leicht denken, mit welchen Empfin-
dungen ich dieſen langſam ſterbenden Mann, der das
Lob der Edlen und Guten mit ſich ins Grab nimmt, ver-
laſſen habe.

An Herrn von Cobres fand ich noch einen Kauf-
mann, der ſich durch eine weitlaͤuftige Bekanntſchaft mit
der Natur, und durch einen unermuͤdeten Eifer fuͤr dieſe
Wiſſenſchaft, und einen edlen Aufwand vor tauſenden ſei-
nes Standes auszeichnet. In ſeiner Bibliothek ſind
die aͤlteſten und die neuſten Schriften der Naturforſcher

bei-
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[34/0072] Sie mir dieſen Eifer! Menſchenliebe und dankbare Wert- ſchaͤtzung meines Freundes, der mit dieſen ſogenannten geiſtlichen Lehrern ſichtbar kontraſtirt, haben mich dazu hingeriſſen. In der Geſellſchaft dieſes lieben Mannes, und mei- nes Freundes des Hrn. Chriſtoph, an der Hoſpitalkirche, der ſeitdem wir uns kennen, auch ganz von der Groͤſſe und Gemeinnuͤtzigkeit unſers Studiums eingenommen iſt, beſuchte ich noch den alten Greis, Hrn. Senior Deg- maier, der dem Tode nahe iſt, des Lebens Muͤhe und Unruhe erfahren, und gluͤcklich uͤberſtanden hat. Der ehrwuͤrdige Mann bedauerte nichts ſo ſehr, als daß er ſein Gedaͤchtnis verlohren, und ſchon lange auſſer Stan- de iſt, oͤffentlich zu arbeiten. So gewis iſt es, daß al- lein Wirkſamkeit und Thaͤtigkeit die Mutter des Ver- gnuͤgens iſt. „Sammeln Sie,“ ſagte er zu mir, und druͤckte mir mit aller noch uͤbrigen Lebhaftigkeit die Hand, „viel in Ihr Herz, und ſtiſten Sie viel Gutes fuͤr das „Reich Gottes in der Welt. Ich weis es jetzt, daß „uns am Ende das, und ſonſt nichts Freude machen „kan.“ Sie koͤnnen leicht denken, mit welchen Empfin- dungen ich dieſen langſam ſterbenden Mann, der das Lob der Edlen und Guten mit ſich ins Grab nimmt, ver- laſſen habe. An Herrn von Cobres fand ich noch einen Kauf- mann, der ſich durch eine weitlaͤuftige Bekanntſchaft mit der Natur, und durch einen unermuͤdeten Eifer fuͤr dieſe Wiſſenſchaft, und einen edlen Aufwand vor tauſenden ſei- nes Standes auszeichnet. In ſeiner Bibliothek ſind die aͤlteſten und die neuſten Schriften der Naturforſcher bei-

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/72>, abgerufen am 21.11.2024.