Der Weg nach Giengen und von dort nach Hei- denheim ist bergicht und auch waldicht, und beschwerlich. Aber dann folgt das herrliche Thal um Königsbrunn, das von der Kocher, von der Brenz, und von dem Flüßchen Aal durchwässert wird.
Ich eilte nach der Reichsstadt Aalen, wo ich an Hrn. Stadtschreiber Schubart einen alten guten Freund hatte, in dessen Gesellschaft ich nicht nur ausruhen, und das süsse Vergnügen der Freundschaft geniessen, sondern auch die schönen Königsbrunner Eisenwerke besehen wollte. Ich muß dieser Reichsstadt Aalen viel Gutes nachsagen. Sie ist klein, aber wohl eingerichte[t]. Sie hat keine Schulden und in den Kassen ist Geld. Die Lebensart ist frei, munter, und im geringsten nicht Reichs- städtisch. Der Ort liegt so, daß beständig eine starke Passage nach Stuttgard, Nürnberg etc. ist. Alle Donnerstage Vormittags ist Rathssession, und die Ge- schäfte gehen ihren ordentlichen Gang. Die Polizei ist gut, und auf alles aufmerksam. Zum Beweis dient die wahre Bemerkung, daß ich in dieser Stadt in zwei Ta- gen nicht ein einzigesmal angebettelt worden bin, wiewohl ich grade auch hier zur Kirchweihe kam, wo den Leuten am Ende der mühsamen Feldgeschäfte Musik, Tanzen, Freischiessen, Schmausereien etc. gestattet werden. Der Burgermeister ist ein sehr vernünftiger Mann, und be- handelt z. B. die Waldungen, die der Stadt gehören, mit der grösten Sparsamkeit. Er hat dem Ansuchen der Bürger, die Hut- und Weidgerechtigkeit im Walde zu gestatten, bisher, aller Beispiele der Nachbarn ungeach- tet, immer widerstanden, und läßt den jungen Anflug
des
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Der Weg nach Giengen und von dort nach Hei- denheim iſt bergicht und auch waldicht, und beſchwerlich. Aber dann folgt das herrliche Thal um Koͤnigsbrunn, das von der Kocher, von der Brenz, und von dem Fluͤßchen Aal durchwaͤſſert wird.
Ich eilte nach der Reichsſtadt Aalen, wo ich an Hrn. Stadtſchreiber Schubart einen alten guten Freund hatte, in deſſen Geſellſchaft ich nicht nur ausruhen, und das ſuͤſſe Vergnuͤgen der Freundſchaft genieſſen, ſondern auch die ſchoͤnen Koͤnigsbrunner Eiſenwerke beſehen wollte. Ich muß dieſer Reichsſtadt Aalen viel Gutes nachſagen. Sie iſt klein, aber wohl eingerichte[t]. Sie hat keine Schulden und in den Kaſſen iſt Geld. Die Lebensart iſt frei, munter, und im geringſten nicht Reichs- ſtaͤdtiſch. Der Ort liegt ſo, daß beſtaͤndig eine ſtarke Paſſage nach Stuttgard, Nuͤrnberg ꝛc. iſt. Alle Donnerſtage Vormittags iſt Rathsſeſſion, und die Ge- ſchaͤfte gehen ihren ordentlichen Gang. Die Polizei iſt gut, und auf alles aufmerkſam. Zum Beweis dient die wahre Bemerkung, daß ich in dieſer Stadt in zwei Ta- gen nicht ein einzigesmal angebettelt worden bin, wiewohl ich grade auch hier zur Kirchweihe kam, wo den Leuten am Ende der muͤhſamen Feldgeſchaͤfte Muſik, Tanzen, Freiſchieſſen, Schmauſereien ꝛc. geſtattet werden. Der Burgermeiſter iſt ein ſehr vernuͤnftiger Mann, und be- handelt z. B. die Waldungen, die der Stadt gehoͤren, mit der groͤſten Sparſamkeit. Er hat dem Anſuchen der Buͤrger, die Hut- und Weidgerechtigkeit im Walde zu geſtatten, bisher, aller Beiſpiele der Nachbarn ungeach- tet, immer widerſtanden, und laͤßt den jungen Anflug
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Der Weg nach Giengen und von dort nach Hei-
denheim iſt bergicht und auch waldicht, und beſchwerlich.
Aber dann folgt das herrliche Thal um Koͤnigsbrunn,
das von der Kocher, von der Brenz, und von dem
Fluͤßchen Aal durchwaͤſſert wird.
Ich eilte nach der Reichsſtadt Aalen, wo ich an
Hrn. Stadtſchreiber Schubart einen alten guten Freund
hatte, in deſſen Geſellſchaft ich nicht nur ausruhen, und
das ſuͤſſe Vergnuͤgen der Freundſchaft genieſſen, ſondern
auch die ſchoͤnen Koͤnigsbrunner Eiſenwerke beſehen
wollte. Ich muß dieſer Reichsſtadt Aalen viel Gutes
nachſagen. Sie iſt klein, aber wohl eingerichtet. Sie
hat keine Schulden und in den Kaſſen iſt Geld. Die
Lebensart iſt frei, munter, und im geringſten nicht Reichs-
ſtaͤdtiſch. Der Ort liegt ſo, daß beſtaͤndig eine ſtarke
Paſſage nach Stuttgard, Nuͤrnberg ꝛc. iſt. Alle
Donnerſtage Vormittags iſt Rathsſeſſion, und die Ge-
ſchaͤfte gehen ihren ordentlichen Gang. Die Polizei iſt
gut, und auf alles aufmerkſam. Zum Beweis dient die
wahre Bemerkung, daß ich in dieſer Stadt in zwei Ta-
gen nicht ein einzigesmal angebettelt worden bin, wiewohl
ich grade auch hier zur Kirchweihe kam, wo den Leuten
am Ende der muͤhſamen Feldgeſchaͤfte Muſik, Tanzen,
Freiſchieſſen, Schmauſereien ꝛc. geſtattet werden. Der
Burgermeiſter iſt ein ſehr vernuͤnftiger Mann, und be-
handelt z. B. die Waldungen, die der Stadt gehoͤren,
mit der groͤſten Sparſamkeit. Er hat dem Anſuchen der
Buͤrger, die Hut- und Weidgerechtigkeit im Walde zu
geſtatten, bisher, aller Beiſpiele der Nachbarn ungeach-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/91>, abgerufen am 21.11.2024.
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