Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Vorurtheile in der Religion. Man weiß, daß manche immer an den Geheimnis- wir H 2
Vorurtheile in der Religion. Man weiß, daß manche immer an den Geheimniſ- wir H 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0121" n="115"/> <fw place="top" type="header">Vorurtheile in der Religion.</fw><lb/> <p>Man weiß, daß manche immer an den <hi rendition="#fr">Geheimniſ-<lb/> ſen der chriſtlichen Religion</hi> anſtoſſen, und den<lb/> Wunſch hören laſſen, daß uns der Erlöſer dieſe ſchwere,<lb/> und dem Menſchenverſtand unbegreifliche Sätze nicht<lb/> aufgedrungen hätte. Sollen wir dieſen Tadlern nicht<lb/> antworten: Jhr wiſſet nicht, was ihr verlangt? Was<lb/> euch ein Einwurf zu ſeyn ſcheint, das dient gerade zu un-<lb/> ſrer Ueberzeugung, und befeſtigt uns im Glauben. Was<lb/> iſt eine Offenbarung, die uns nichts Neues ſagt, nichts<lb/> weiter zu unſern Kenntniſſen hinzuſetzt? Wozu brauchen<lb/> wir ſie, wenn ſie uns nichts lehren ſoll, als was die Ver-<lb/> nunft in den hellſten Köpfen ſelber erfinden konnte? Jſt<lb/> es nicht ein Beweis mehr für die Wahrheit der Offen-<lb/> barung, daß ſie uns Dinge predigt, die unſre Begriffe<lb/> überſteigen, und den engen Geiſt hinter ſich zurücklaſſen?<lb/> Jſt es nicht ein verwegner Stolz, wenn wir glauben, daß<lb/> wir mit unſerm Tropfen Kraft den ganzen Zuſammen-<lb/> hang aller Wahrheiten überſehn, und alles auf unſre<lb/> gewöhnte Grundſätze zurückführen können? Wir, die wir<lb/> unter hunderttauſend möglichen Wegen nur einen haben,<lb/> zur Kenntniß von andern Dingen zu gelangen? Wir,<lb/> die wir überall mit groben Körpern umgeben ſind, und<lb/> nur zur Hälfte in die Geiſterwelt gehören? Wir, die wir<lb/> uns Gott, ſeine unſichtbare Natur, und ſeine allmächtige<lb/> Kraft nur aus den Werken vorſtellen können? Wir, die<lb/> wir heute lernen, und morgen vergeſſen? Wir, die wir<lb/> durch ein vollgeſtopſtes Gefäß, und durch einen verdick-<lb/> ten oder verdorbenen Saft im Körper ſo zurückgeworfen<lb/> werden können, daß wir nichts mehr denken, nichts ein-<lb/> ſehen, nichts prüfen und unterſcheiden können! Kann<lb/> der Schöpfer unſerm Herzen Befehle geben, wie können<lb/> <fw place="bottom" type="sig">H 2</fw><fw place="bottom" type="catch">wir</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [115/0121]
Vorurtheile in der Religion.
Man weiß, daß manche immer an den Geheimniſ-
ſen der chriſtlichen Religion anſtoſſen, und den
Wunſch hören laſſen, daß uns der Erlöſer dieſe ſchwere,
und dem Menſchenverſtand unbegreifliche Sätze nicht
aufgedrungen hätte. Sollen wir dieſen Tadlern nicht
antworten: Jhr wiſſet nicht, was ihr verlangt? Was
euch ein Einwurf zu ſeyn ſcheint, das dient gerade zu un-
ſrer Ueberzeugung, und befeſtigt uns im Glauben. Was
iſt eine Offenbarung, die uns nichts Neues ſagt, nichts
weiter zu unſern Kenntniſſen hinzuſetzt? Wozu brauchen
wir ſie, wenn ſie uns nichts lehren ſoll, als was die Ver-
nunft in den hellſten Köpfen ſelber erfinden konnte? Jſt
es nicht ein Beweis mehr für die Wahrheit der Offen-
barung, daß ſie uns Dinge predigt, die unſre Begriffe
überſteigen, und den engen Geiſt hinter ſich zurücklaſſen?
Jſt es nicht ein verwegner Stolz, wenn wir glauben, daß
wir mit unſerm Tropfen Kraft den ganzen Zuſammen-
hang aller Wahrheiten überſehn, und alles auf unſre
gewöhnte Grundſätze zurückführen können? Wir, die wir
unter hunderttauſend möglichen Wegen nur einen haben,
zur Kenntniß von andern Dingen zu gelangen? Wir,
die wir überall mit groben Körpern umgeben ſind, und
nur zur Hälfte in die Geiſterwelt gehören? Wir, die wir
uns Gott, ſeine unſichtbare Natur, und ſeine allmächtige
Kraft nur aus den Werken vorſtellen können? Wir, die
wir heute lernen, und morgen vergeſſen? Wir, die wir
durch ein vollgeſtopſtes Gefäß, und durch einen verdick-
ten oder verdorbenen Saft im Körper ſo zurückgeworfen
werden können, daß wir nichts mehr denken, nichts ein-
ſehen, nichts prüfen und unterſcheiden können! Kann
der Schöpfer unſerm Herzen Befehle geben, wie können
wir
H 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |