Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Frömmigkeit des Erlösers. wir ihm dann das Recht absprechen, auch unserm Ver-stand Gesetze vorzuschreiben? Soll alle Religion über- haupt dazu dienen, uns den Weg zur Verbindung mit Gott zu bahnen, wer kann dann dazu den sichersten Pfad vorzeichnen, Er oder wir? Jst alle Wahrheit, die wir je fassen und bewahren, ein Geschenk Gottes, warum em- pören wir uns dann, wenn er uns eine Schule öffnet, wo wir mit großen, und uns in unserm Kinderalter noch un- begreiflichen Wahrheiten bekannt werden sollen? Darf sich etwa der Zweifel in unsern Herzen regen, daß wir ein Phantom statt Gewißheit, einen unfruchtbaren Satz statt reichhaltiger und trostreicher Belehrungen aus sei- ner Hand erhalten möchten? Laßt uns nur, so oft wir in der Religion mit Dunkelheit umgeben sind, das Maas der Erkenntniß, das uns Gott gab, dankbar, treu und redlich anwenden, und weitere Aufklärungen von ihm, dem Allerweisesten und Gütigsten, in einer andern Welt mit Zuversicht erwarten. Verstehen wir doch nicht ein- mal den langen Gang der Natur, wenn sie Wasser und Licht hervorbringt! Jst doch unser Körper, unser Leben, der Kreislauf unsers Bluts, unsre Gesundheit, unser Auge, unser klopfendes Herz selber das größte Geheim- niß für uns! Jst nicht oft unsre Reise durch die Welt, unsre Erhaltung, und unser Fortkommen unter andern Menschen die allerverschlossenste, verworrenste Sache für uns? Und doch führt Gott seine Frommen allemal weise und gut über die Straße der Welt hin! Es ist wahr, unser Erlöser hat uns manche Anordnungen, manche Vorschriften hinterlassen, die schwer und dunkel sind, wenn wir uns ihnen wirklich unterwerfen, und das Herz daran gewöhnen sollen. Eben so, wie in seinem Leben zuwei-
Frömmigkeit des Erlöſers. wir ihm dann das Recht abſprechen, auch unſerm Ver-ſtand Geſetze vorzuſchreiben? Soll alle Religion über- haupt dazu dienen, uns den Weg zur Verbindung mit Gott zu bahnen, wer kann dann dazu den ſicherſten Pfad vorzeichnen, Er oder wir? Jſt alle Wahrheit, die wir je faſſen und bewahren, ein Geſchenk Gottes, warum em- pören wir uns dann, wenn er uns eine Schule öffnet, wo wir mit großen, und uns in unſerm Kinderalter noch un- begreiflichen Wahrheiten bekannt werden ſollen? Darf ſich etwa der Zweifel in unſern Herzen regen, daß wir ein Phantom ſtatt Gewißheit, einen unfruchtbaren Satz ſtatt reichhaltiger und troſtreicher Belehrungen aus ſei- ner Hand erhalten möchten? Laßt uns nur, ſo oft wir in der Religion mit Dunkelheit umgeben ſind, das Maas der Erkenntniß, das uns Gott gab, dankbar, treu und redlich anwenden, und weitere Aufklärungen von ihm, dem Allerweiſeſten und Gütigſten, in einer andern Welt mit Zuverſicht erwarten. Verſtehen wir doch nicht ein- mal den langen Gang der Natur, wenn ſie Waſſer und Licht hervorbringt! Jſt doch unſer Körper, unſer Leben, der Kreislauf unſers Bluts, unſre Geſundheit, unſer Auge, unſer klopfendes Herz ſelber das größte Geheim- niß für uns! Jſt nicht oft unſre Reiſe durch die Welt, unſre Erhaltung, und unſer Fortkommen unter andern Menſchen die allerverſchloſſenſte, verworrenſte Sache für uns? Und doch führt Gott ſeine Frommen allemal weiſe und gut über die Straße der Welt hin! Es iſt wahr, unſer Erlöſer hat uns manche Anordnungen, manche Vorſchriften hinterlaſſen, die ſchwer und dunkel ſind, wenn wir uns ihnen wirklich unterwerfen, und das Herz daran gewöhnen ſollen. Eben ſo, wie in ſeinem Leben zuwei-
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Frömmigkeit des Erlöſers.
wir ihm dann das Recht abſprechen, auch unſerm Ver-
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haupt dazu dienen, uns den Weg zur Verbindung mit
Gott zu bahnen, wer kann dann dazu den ſicherſten Pfad
vorzeichnen, Er oder wir? Jſt alle Wahrheit, die wir je
faſſen und bewahren, ein Geſchenk Gottes, warum em-
pören wir uns dann, wenn er uns eine Schule öffnet, wo
wir mit großen, und uns in unſerm Kinderalter noch un-
begreiflichen Wahrheiten bekannt werden ſollen? Darf
ſich etwa der Zweifel in unſern Herzen regen, daß wir
ein Phantom ſtatt Gewißheit, einen unfruchtbaren Satz
ſtatt reichhaltiger und troſtreicher Belehrungen aus ſei-
ner Hand erhalten möchten? Laßt uns nur, ſo oft wir in
der Religion mit Dunkelheit umgeben ſind, das Maas
der Erkenntniß, das uns Gott gab, dankbar, treu und
redlich anwenden, und weitere Aufklärungen von ihm,
dem Allerweiſeſten und Gütigſten, in einer andern Welt
mit Zuverſicht erwarten. Verſtehen wir doch nicht ein-
mal den langen Gang der Natur, wenn ſie Waſſer und
Licht hervorbringt! Jſt doch unſer Körper, unſer Leben,
der Kreislauf unſers Bluts, unſre Geſundheit, unſer
Auge, unſer klopfendes Herz ſelber das größte Geheim-
niß für uns! Jſt nicht oft unſre Reiſe durch die Welt,
unſre Erhaltung, und unſer Fortkommen unter andern
Menſchen die allerverſchloſſenſte, verworrenſte Sache für
uns? Und doch führt Gott ſeine Frommen allemal weiſe
und gut über die Straße der Welt hin! Es iſt wahr,
unſer Erlöſer hat uns manche Anordnungen, manche
Vorſchriften hinterlaſſen, die ſchwer und dunkel ſind,
wenn wir uns ihnen wirklich unterwerfen, und das Herz
daran gewöhnen ſollen. Eben ſo, wie in ſeinem Leben
zuwei-
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