Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Frömmigkeit des Erlösers. uns antworten, uns, die wir so viele unselige Künste er-funden haben, und sie unsern jungen unvorsichtigen Kin- dern in den Händen lassen, das sanfte Feuer der Liebe, ehe es noch die Natur mit ihrer keuschen Flamme anzün- det, aufzublasen, zu ernähren, und zu verstärken? Was Wunder, daß hernach der wilde Brand, wenn er einmal in den Adern aufgefahren ist, allen Lastern, selbst den un- natürlichen, die Thüre öffnet? Jst es nicht verwegen, ei- nem Gesetz, das so klar, so unwidersprechlich ist, will- kührliche Einschränkungen zu geben? Können wir doch vor dem Richterstuhl eines Menschen nicht frey werden von der Strafe, wenn wir das Gesetz des Monarchen nur etlichemal, nur in der Jugend übertreten haben? War- um erlauben wir uns dann diese Freyheit in den wichtig- sten Angelegenheiten, die mit unserm Schicksal in der Ewigkeit so genau verknüpft sind? Wir bedürfen im- mer einer Erheiterung im Leben -- Ja, aber was sagt ihr damit der Vernunft? Wollen wir unter diesem Namen alle Schandthaten entschuldigen? Jst das Würze des Lebens, was von der Linie der Natur ab- weicht, was die Natur selber brandmarkt, was der Urhe- ber der Natur, der sein Werk am besten kennt, verbannt wissen will, was den Körper aussaugt, und den Geist blöd und kindisch macht? O ihr beklagenswürdige Men- schen, die ihr vor der Zeit das Haupt hängen laßt, wie verdorrte Blumen, die sonst die Wiesen schmücken! Jhr blühende Söhne und Töchter, deren Kleinod noch Un- schuld und Unerfahrenheit ist! Euch ruf ich insbesondre zu, den herrschenden Grundsätzen euch muthig entgegen- zuwerfen, das Feuer der Leidenschaften in seinem ersten Anfang zu ersticken, den Bildern, den Schilderungen, den
Frömmigkeit des Erlöſers. uns antworten, uns, die wir ſo viele unſelige Künſte er-funden haben, und ſie unſern jungen unvorſichtigen Kin- dern in den Händen laſſen, das ſanfte Feuer der Liebe, ehe es noch die Natur mit ihrer keuſchen Flamme anzün- det, aufzublaſen, zu ernähren, und zu verſtärken? Was Wunder, daß hernach der wilde Brand, wenn er einmal in den Adern aufgefahren iſt, allen Laſtern, ſelbſt den un- natürlichen, die Thüre öffnet? Jſt es nicht verwegen, ei- nem Geſetz, das ſo klar, ſo unwiderſprechlich iſt, will- kührliche Einſchränkungen zu geben? Können wir doch vor dem Richterſtuhl eines Menſchen nicht frey werden von der Strafe, wenn wir das Geſetz des Monarchen nur etlichemal, nur in der Jugend übertreten haben? War- um erlauben wir uns dann dieſe Freyheit in den wichtig- ſten Angelegenheiten, die mit unſerm Schickſal in der Ewigkeit ſo genau verknüpft ſind? Wir bedürfen im- mer einer Erheiterung im Leben — Ja, aber was ſagt ihr damit der Vernunft? Wollen wir unter dieſem Namen alle Schandthaten entſchuldigen? Jſt das Würze des Lebens, was von der Linie der Natur ab- weicht, was die Natur ſelber brandmarkt, was der Urhe- ber der Natur, der ſein Werk am beſten kennt, verbannt wiſſen will, was den Körper ausſaugt, und den Geiſt blöd und kindiſch macht? O ihr beklagenswürdige Men- ſchen, die ihr vor der Zeit das Haupt hängen laßt, wie verdorrte Blumen, die ſonſt die Wieſen ſchmücken! Jhr blühende Söhne und Töchter, deren Kleinod noch Un- ſchuld und Unerfahrenheit iſt! Euch ruf ich insbeſondre zu, den herrſchenden Grundſätzen euch muthig entgegen- zuwerfen, das Feuer der Leidenſchaften in ſeinem erſten Anfang zu erſticken, den Bildern, den Schilderungen, den
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Frömmigkeit des Erlöſers.
uns antworten, uns, die wir ſo viele unſelige Künſte er-
funden haben, und ſie unſern jungen unvorſichtigen Kin-
dern in den Händen laſſen, das ſanfte Feuer der Liebe,
ehe es noch die Natur mit ihrer keuſchen Flamme anzün-
det, aufzublaſen, zu ernähren, und zu verſtärken? Was
Wunder, daß hernach der wilde Brand, wenn er einmal
in den Adern aufgefahren iſt, allen Laſtern, ſelbſt den un-
natürlichen, die Thüre öffnet? Jſt es nicht verwegen, ei-
nem Geſetz, das ſo klar, ſo unwiderſprechlich iſt, will-
kührliche Einſchränkungen zu geben? Können wir doch
vor dem Richterſtuhl eines Menſchen nicht frey werden
von der Strafe, wenn wir das Geſetz des Monarchen nur
etlichemal, nur in der Jugend übertreten haben? War-
um erlauben wir uns dann dieſe Freyheit in den wichtig-
ſten Angelegenheiten, die mit unſerm Schickſal in der
Ewigkeit ſo genau verknüpft ſind? Wir bedürfen im-
mer einer Erheiterung im Leben — Ja, aber was
ſagt ihr damit der Vernunft? Wollen wir unter dieſem
Namen alle Schandthaten entſchuldigen? Jſt das
Würze des Lebens, was von der Linie der Natur ab-
weicht, was die Natur ſelber brandmarkt, was der Urhe-
ber der Natur, der ſein Werk am beſten kennt, verbannt
wiſſen will, was den Körper ausſaugt, und den Geiſt
blöd und kindiſch macht? O ihr beklagenswürdige Men-
ſchen, die ihr vor der Zeit das Haupt hängen laßt, wie
verdorrte Blumen, die ſonſt die Wieſen ſchmücken! Jhr
blühende Söhne und Töchter, deren Kleinod noch Un-
ſchuld und Unerfahrenheit iſt! Euch ruf ich insbeſondre
zu, den herrſchenden Grundſätzen euch muthig entgegen-
zuwerfen, das Feuer der Leidenſchaften in ſeinem erſten
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