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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Menschenliebe des Erlösers.
leicht versteckte Betrügereyen erlaubt, weil er überhaupt
seinem Nebenmenschen das Wenige nicht gönnt, und
nur immer darnach strebt, daß er seinen Kasten füllen
möge. Der Unredliche hat zuletzt keinen Freund mehr,
der Stolze stößt überall an, ihn fliehen gerade die besten
Menschen, die, die in andern den Menschen, nicht den
gestempelten und betitelten Diener des Staats lieben;
vor dem Unzüchtigen warnt ein Freund den andern, wie
man das Haus bezeichnet, wo die Pest ausgebrochen ist;
der Jüngling, der jede Erinnerung mit Naserümpfen
und Lachen aufnimmt, bekommt in kurzer Zeit keine mehr,
und rennt in sein Verderben; der Lieblose beraubt sich selber
mancher Freude, hat hundert verdrüßliche Stunden,
und ist ausgeschlossen vom Umgang guter und unver-
dorbener Menschen. Jhr, die ihr im Besitz der Fein-
heit, der Artigkeit, der Kenntniß der Welt seyn sollt,
urtheilet selber, ob die Vorschriften Jesu Christi nicht
weise und zweckmäßig sind? Was ihr wünscht, daß
euch andre Leute thun möchten, das thut ihr ih-
nen auch.
(Matth. 7, 12.) Hat je ein Redner, ein
Weiser und Gelehrter in wenigen Worten mehr, mehr
Herrliches und Schönes, mehr Gemeinnütziges für alle
Menschen, mehr Anwendbares auf alle Fälle gesagt, als
unser Erlöser? Ach, und doch entschließen sich so wenige
Menschen, seine Reden zu lesen, und sein mustermäßi-
ges Leben damit zu vergleichen! Gerade, als wenn das,
was wir in den Worten Jesu Christi finden, nur gutge-
meynte Rathschläge, nur Lehren, väterliche Ermunterun-
gen, nicht Regeln, Befehle, Gesetze wären, die uns
zu jedem kleinen Geschäft begleiten, und vor Abwegen
behüten sollten! Viele werden nur alsdann thätig und

fleißig,

Menſchenliebe des Erlöſers.
leicht verſteckte Betrügereyen erlaubt, weil er überhaupt
ſeinem Nebenmenſchen das Wenige nicht gönnt, und
nur immer darnach ſtrebt, daß er ſeinen Kaſten füllen
möge. Der Unredliche hat zuletzt keinen Freund mehr,
der Stolze ſtößt überall an, ihn fliehen gerade die beſten
Menſchen, die, die in andern den Menſchen, nicht den
geſtempelten und betitelten Diener des Staats lieben;
vor dem Unzüchtigen warnt ein Freund den andern, wie
man das Haus bezeichnet, wo die Peſt ausgebrochen iſt;
der Jüngling, der jede Erinnerung mit Naſerümpfen
und Lachen aufnimmt, bekommt in kurzer Zeit keine mehr,
und rennt in ſein Verderben; der Liebloſe beraubt ſich ſelber
mancher Freude, hat hundert verdrüßliche Stunden,
und iſt ausgeſchloſſen vom Umgang guter und unver-
dorbener Menſchen. Jhr, die ihr im Beſitz der Fein-
heit, der Artigkeit, der Kenntniß der Welt ſeyn ſollt,
urtheilet ſelber, ob die Vorſchriften Jeſu Chriſti nicht
weiſe und zweckmäßig ſind? Was ihr wünſcht, daß
euch andre Leute thun möchten, das thut ihr ih-
nen auch.
(Matth. 7, 12.) Hat je ein Redner, ein
Weiſer und Gelehrter in wenigen Worten mehr, mehr
Herrliches und Schönes, mehr Gemeinnütziges für alle
Menſchen, mehr Anwendbares auf alle Fälle geſagt, als
unſer Erlöſer? Ach, und doch entſchließen ſich ſo wenige
Menſchen, ſeine Reden zu leſen, und ſein muſtermäßi-
ges Leben damit zu vergleichen! Gerade, als wenn das,
was wir in den Worten Jeſu Chriſti finden, nur gutge-
meynte Rathſchläge, nur Lehren, väterliche Ermunterun-
gen, nicht Regeln, Befehle, Geſetze wären, die uns
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[152/0158] Menſchenliebe des Erlöſers. leicht verſteckte Betrügereyen erlaubt, weil er überhaupt ſeinem Nebenmenſchen das Wenige nicht gönnt, und nur immer darnach ſtrebt, daß er ſeinen Kaſten füllen möge. Der Unredliche hat zuletzt keinen Freund mehr, der Stolze ſtößt überall an, ihn fliehen gerade die beſten Menſchen, die, die in andern den Menſchen, nicht den geſtempelten und betitelten Diener des Staats lieben; vor dem Unzüchtigen warnt ein Freund den andern, wie man das Haus bezeichnet, wo die Peſt ausgebrochen iſt; der Jüngling, der jede Erinnerung mit Naſerümpfen und Lachen aufnimmt, bekommt in kurzer Zeit keine mehr, und rennt in ſein Verderben; der Liebloſe beraubt ſich ſelber mancher Freude, hat hundert verdrüßliche Stunden, und iſt ausgeſchloſſen vom Umgang guter und unver- dorbener Menſchen. Jhr, die ihr im Beſitz der Fein- heit, der Artigkeit, der Kenntniß der Welt ſeyn ſollt, urtheilet ſelber, ob die Vorſchriften Jeſu Chriſti nicht weiſe und zweckmäßig ſind? Was ihr wünſcht, daß euch andre Leute thun möchten, das thut ihr ih- nen auch. (Matth. 7, 12.) Hat je ein Redner, ein Weiſer und Gelehrter in wenigen Worten mehr, mehr Herrliches und Schönes, mehr Gemeinnütziges für alle Menſchen, mehr Anwendbares auf alle Fälle geſagt, als unſer Erlöſer? Ach, und doch entſchließen ſich ſo wenige Menſchen, ſeine Reden zu leſen, und ſein muſtermäßi- ges Leben damit zu vergleichen! Gerade, als wenn das, was wir in den Worten Jeſu Chriſti finden, nur gutge- meynte Rathſchläge, nur Lehren, väterliche Ermunterun- gen, nicht Regeln, Befehle, Geſetze wären, die uns zu jedem kleinen Geſchäft begleiten, und vor Abwegen behüten ſollten! Viele werden nur alsdann thätig und fleißig,

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/158>, abgerufen am 24.11.2024.