Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Menschenliebe des Erlösers. läßt, müssen uns vorsichtig machen, müssen uns lehren,auch unverdiente Schmähungen mit liebenswürdiger Sanftmuth zu tragen, und den Saamen der Zwietracht und der Uneinigkeit, ehe er noch keimen kann, zu ersti- cken. Wehe dem, der sich selbst das grausame Vergnü- gen machen kann, andern nur durch eine kalte Aeusse- rung, durch eine verächtliche Mine, durch ein geheimniß- volles Aber -- --, durch ein zurückhaltendes Achsel- zucken, durch ein zweydeutiges Wort zu schaden! Unsre Empfindung verabscheut diese verdeckte Straßenräuber und Mörder, und sieht es als das Geschäft jener unse- ligen Geister an, die ihre Reinigkeit verlohren haben, und nicht wieder vor dem Angesicht Gottes erscheinen dürfen. Und was geschieht dadurch anders, als daß wir das mannichfaltige Elend, das am Menschenleben hängt, durch unsre eigene Schuld noch vergrößern? Viele drückt der Kummer nieder, weil sie lange nur ih- ren unordentlichen Lüsten Raum gegeben, die Vernunft betäubt, und die edelsten Freuden der Menschheit gering- geschätzt haben. Menschen, die wie Rosen blühten, werden vom schleichenden Gift ihrer Affecten, wie das Obst von der Raupe, verzehrt, fallen ins Grab, und faulen vor der Zeit. Wie viele Schlachtopfer ihrer Lei- denschaften liegen schon dort, wo nur die ruhen sollten, die im Herrn entschlafen sind! Dürften wir das sagen, wenn uns die Vorschriften Jesu Christi überall gegen- wärtig wären, wenn wir alle nur das thäten, was unser Zweck, unsre Pflicht ist, wenn wir immer dächten, daß jeder Knecht seinem Herrn steht und fällt, (Röm. 14, 4.) und also still unsern Weg fortwandelten? Ge- setzt, daß wir durch unser menschenfeindliches Betragen alles
Menſchenliebe des Erlöſers. läßt, müſſen uns vorſichtig machen, müſſen uns lehren,auch unverdiente Schmähungen mit liebenswürdiger Sanftmuth zu tragen, und den Saamen der Zwietracht und der Uneinigkeit, ehe er noch keimen kann, zu erſti- cken. Wehe dem, der ſich ſelbſt das grauſame Vergnü- gen machen kann, andern nur durch eine kalte Aeuſſe- rung, durch eine verächtliche Mine, durch ein geheimniß- volles Aber — —, durch ein zurückhaltendes Achſel- zucken, durch ein zweydeutiges Wort zu ſchaden! Unſre Empfindung verabſcheut dieſe verdeckte Straßenräuber und Mörder, und ſieht es als das Geſchäft jener unſe- ligen Geiſter an, die ihre Reinigkeit verlohren haben, und nicht wieder vor dem Angeſicht Gottes erſcheinen dürfen. Und was geſchieht dadurch anders, als daß wir das mannichfaltige Elend, das am Menſchenleben hängt, durch unſre eigene Schuld noch vergrößern? Viele drückt der Kummer nieder, weil ſie lange nur ih- ren unordentlichen Lüſten Raum gegeben, die Vernunft betäubt, und die edelſten Freuden der Menſchheit gering- geſchätzt haben. Menſchen, die wie Roſen blühten, werden vom ſchleichenden Gift ihrer Affecten, wie das Obſt von der Raupe, verzehrt, fallen ins Grab, und faulen vor der Zeit. Wie viele Schlachtopfer ihrer Lei- denſchaften liegen ſchon dort, wo nur die ruhen ſollten, die im Herrn entſchlafen ſind! Dürften wir das ſagen, wenn uns die Vorſchriften Jeſu Chriſti überall gegen- wärtig wären, wenn wir alle nur das thäten, was unſer Zweck, unſre Pflicht iſt, wenn wir immer dächten, daß jeder Knecht ſeinem Herrn ſteht und fällt, (Röm. 14, 4.) und alſo ſtill unſern Weg fortwandelten? Ge- ſetzt, daß wir durch unſer menſchenfeindliches Betragen alles
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Menſchenliebe des Erlöſers.
läßt, müſſen uns vorſichtig machen, müſſen uns lehren,
auch unverdiente Schmähungen mit liebenswürdiger
Sanftmuth zu tragen, und den Saamen der Zwietracht
und der Uneinigkeit, ehe er noch keimen kann, zu erſti-
cken. Wehe dem, der ſich ſelbſt das grauſame Vergnü-
gen machen kann, andern nur durch eine kalte Aeuſſe-
rung, durch eine verächtliche Mine, durch ein geheimniß-
volles Aber — —, durch ein zurückhaltendes Achſel-
zucken, durch ein zweydeutiges Wort zu ſchaden! Unſre
Empfindung verabſcheut dieſe verdeckte Straßenräuber
und Mörder, und ſieht es als das Geſchäft jener unſe-
ligen Geiſter an, die ihre Reinigkeit verlohren haben,
und nicht wieder vor dem Angeſicht Gottes erſcheinen
dürfen. Und was geſchieht dadurch anders, als daß
wir das mannichfaltige Elend, das am Menſchenleben
hängt, durch unſre eigene Schuld noch vergrößern?
Viele drückt der Kummer nieder, weil ſie lange nur ih-
ren unordentlichen Lüſten Raum gegeben, die Vernunft
betäubt, und die edelſten Freuden der Menſchheit gering-
geſchätzt haben. Menſchen, die wie Roſen blühten,
werden vom ſchleichenden Gift ihrer Affecten, wie das
Obſt von der Raupe, verzehrt, fallen ins Grab, und
faulen vor der Zeit. Wie viele Schlachtopfer ihrer Lei-
denſchaften liegen ſchon dort, wo nur die ruhen ſollten,
die im Herrn entſchlafen ſind! Dürften wir das ſagen,
wenn uns die Vorſchriften Jeſu Chriſti überall gegen-
wärtig wären, wenn wir alle nur das thäten, was unſer
Zweck, unſre Pflicht iſt, wenn wir immer dächten, daß
jeder Knecht ſeinem Herrn ſteht und fällt, (Röm.
14, 4.) und alſo ſtill unſern Weg fortwandelten? Ge-
ſetzt, daß wir durch unſer menſchenfeindliches Betragen
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