Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Ueber die Erzählung vom Sämann. vielen fremden Einbildungen, womit sie immer erfülltwaren nicht verstehen konnten, selbst den Schlüssel da- zu, und da finden wir dann die giftigen Quellen, aus welchen so viel Unglück und Verderben auf die Men- schen fließt. Noch jezt trifft das alles ein, was unser Erlöser von den Juden seiner Zeit sagte. Wie viele Menschen gleichen in ihrer Seele der festgetretenen Land- straße, auf welcher kein Saatkorn aufgehen kann? Wie viele scheuen die Beschwerlichkeiten, ihre böse Begierden zu unterdrücken, sich selbst zu kreuzigen, wie es der Apostel nennt, (Röm.6, 6.) hören auf zu kämpfen, über- lassen sich ihren Gegnern, und wanken, wenn die Ge- witterwolke näher kommt! Und wie groß ist der Haufen derer, in welchen das Unkraut jede edle Pflanze beschat- tet, und ihres Safts beraubt! Ach, wie muß ein mensch- liches Herz gerührt werden bey dem Anblick so vieler Irrwege und Vergehungen! Wie süß, wie erquickend ist es, auch noch Menschen in der Welt zu wissen, für die die Religion die erste und wichtigste Beschäftigung, der kostbarste Schatz, die allerwürdigste Kenntniß, der an- genehmste Trost, und die liebste Gesellschaft ist! Leider! gelangen die Wenigsten zu der Glückseligkeit, die uns Gott gönnen will. Sehet nur auf das Schauspiel des menschlichen Lebens! Sehet auf die höchsten und niedrig- sten Classen! Wie lange währt es, bis der herumschwei- fende Wille vieler Menschen fest wird? Glauben nicht viele, daß Gott allen Sonnen, Welten und Geschöpfen einen Kreis angewiesen, aber ihre Handlungen an keine Regeln gebunden habe? Fragt euer eigenes Herz, und gesteht euch alle heimliche Mängel, alle unruhige und mißvergnügte Tage; verschweigt euch die Furcht im Ge- wissen, L 5
Ueber die Erzählung vom Sämann. vielen fremden Einbildungen, womit ſie immer erfülltwaren nicht verſtehen konnten, ſelbſt den Schlüſſel da- zu, und da finden wir dann die giftigen Quellen, aus welchen ſo viel Unglück und Verderben auf die Men- ſchen fließt. Noch jezt trifft das alles ein, was unſer Erlöſer von den Juden ſeiner Zeit ſagte. Wie viele Menſchen gleichen in ihrer Seele der feſtgetretenen Land- ſtraße, auf welcher kein Saatkorn aufgehen kann? Wie viele ſcheuen die Beſchwerlichkeiten, ihre böſe Begierden zu unterdrücken, ſich ſelbſt zu kreuzigen, wie es der Apoſtel nennt, (Röm.6, 6.) hören auf zu kämpfen, über- laſſen ſich ihren Gegnern, und wanken, wenn die Ge- witterwolke näher kommt! Und wie groß iſt der Haufen derer, in welchen das Unkraut jede edle Pflanze beſchat- tet, und ihres Safts beraubt! Ach, wie muß ein menſch- liches Herz gerührt werden bey dem Anblick ſo vieler Irrwege und Vergehungen! Wie ſüß, wie erquickend iſt es, auch noch Menſchen in der Welt zu wiſſen, für die die Religion die erſte und wichtigſte Beſchäftigung, der koſtbarſte Schatz, die allerwürdigſte Kenntniß, der an- genehmſte Troſt, und die liebſte Geſellſchaft iſt! Leider! gelangen die Wenigſten zu der Glückſeligkeit, die uns Gott gönnen will. Sehet nur auf das Schauſpiel des menſchlichen Lebens! Sehet auf die höchſten und niedrig- ſten Claſſen! Wie lange währt es, bis der herumſchwei- fende Wille vieler Menſchen feſt wird? Glauben nicht viele, daß Gott allen Sonnen, Welten und Geſchöpfen einen Kreis angewieſen, aber ihre Handlungen an keine Regeln gebunden habe? Fragt euer eigenes Herz, und geſteht euch alle heimliche Mängel, alle unruhige und mißvergnügte Tage; verſchweigt euch die Furcht im Ge- wiſſen, L 5
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Ueber die Erzählung vom Sämann.
vielen fremden Einbildungen, womit ſie immer erfüllt
waren nicht verſtehen konnten, ſelbſt den Schlüſſel da-
zu, und da finden wir dann die giftigen Quellen, aus
welchen ſo viel Unglück und Verderben auf die Men-
ſchen fließt. Noch jezt trifft das alles ein, was unſer
Erlöſer von den Juden ſeiner Zeit ſagte. Wie viele
Menſchen gleichen in ihrer Seele der feſtgetretenen Land-
ſtraße, auf welcher kein Saatkorn aufgehen kann? Wie
viele ſcheuen die Beſchwerlichkeiten, ihre böſe Begierden
zu unterdrücken, ſich ſelbſt zu kreuzigen, wie es der
Apoſtel nennt, (Röm.6, 6.) hören auf zu kämpfen, über-
laſſen ſich ihren Gegnern, und wanken, wenn die Ge-
witterwolke näher kommt! Und wie groß iſt der Haufen
derer, in welchen das Unkraut jede edle Pflanze beſchat-
tet, und ihres Safts beraubt! Ach, wie muß ein menſch-
liches Herz gerührt werden bey dem Anblick ſo vieler
Irrwege und Vergehungen! Wie ſüß, wie erquickend
iſt es, auch noch Menſchen in der Welt zu wiſſen, für die
die Religion die erſte und wichtigſte Beſchäftigung, der
koſtbarſte Schatz, die allerwürdigſte Kenntniß, der an-
genehmſte Troſt, und die liebſte Geſellſchaft iſt! Leider!
gelangen die Wenigſten zu der Glückſeligkeit, die uns
Gott gönnen will. Sehet nur auf das Schauſpiel des
menſchlichen Lebens! Sehet auf die höchſten und niedrig-
ſten Claſſen! Wie lange währt es, bis der herumſchwei-
fende Wille vieler Menſchen feſt wird? Glauben nicht
viele, daß Gott allen Sonnen, Welten und Geſchöpfen
einen Kreis angewieſen, aber ihre Handlungen an keine
Regeln gebunden habe? Fragt euer eigenes Herz, und
geſteht euch alle heimliche Mängel, alle unruhige und
mißvergnügte Tage; verſchweigt euch die Furcht im Ge-
wiſſen,
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