Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Menschenliebe des Erlösers. daß seine Zuhörer früher, und ernstlicher, als man ins-gemein thut, auf ihre eigene Besserung bedacht seyn möchten. Selig ist der, der glaub, daß das, was Je- sus Christus sagt, ihn insbesondre angehe, und zu sei- ner Errettung, zu seiner ewigen Glückseligkeit mit so vieler Wärme vorgetragen worden sey. In der Welt leben wir immer zwischen Verbrechen und Sorgen. Al- les gefällt uns, alles ist scheinbar, und das Meiste ist falsch. Wer unter uns erfährt dies nicht alle Tage? Wer wünscht nicht, seine Freyheit wieder zu gewinnen, und einen sichern Pfad zur Unsterblichkeit zu gehen? -- Aber der erste Grund von der Untugend, die wir an so vielen Menschen beklagen müssen, ist ein hartes und fühlloses Herz. Viele, sagt unser warnender Erlöser, hören das Schöne, das Große, das Rührende der Reli- gion, aber ihre Seele gleicht einer Straße, die so fest und rauh ist, daß keine Wurzel eingreifen, keine Pflanze aufgehen kann. (Lucä 8, 5. 12.) Oder, wenn ihr den Schmuck wegnehmen wollt, eine große Classe von Men- schen hört alles, was ein gutes Gemüth schmelzen, und bewegen kann, die Religion schallt in ihre Ohren; aber sie dringt nicht in den Verstand, sie findet den Weg zum Herzen nicht, ein ganzes Heer von sündlichen und verdor- benen Neigungen, die Menge der empörten wütenden Leidenschaften, die der Feind Gottes in die Welt brachte, jener klägliche Widerwille gegen unsern Urheber, der uns allein überzeugen könnte, daß wir die erste Reinigkeit und Schönheit verlohren haben, unterdrücket alle Kraft dieser Wahrheiten. Das Gedächtniß behält die Na- men, die Schalen, das Aeußerliche der Religion; wir schmücken uns mit den Zeichen, die in die Sinne fallen; wir
Menſchenliebe des Erlöſers. daß ſeine Zuhörer früher, und ernſtlicher, als man ins-gemein thut, auf ihre eigene Beſſerung bedacht ſeyn möchten. Selig iſt der, der glaub, daß das, was Je- ſus Chriſtus ſagt, ihn insbeſondre angehe, und zu ſei- ner Errettung, zu ſeiner ewigen Glückſeligkeit mit ſo vieler Wärme vorgetragen worden ſey. In der Welt leben wir immer zwiſchen Verbrechen und Sorgen. Al- les gefällt uns, alles iſt ſcheinbar, und das Meiſte iſt falſch. Wer unter uns erfährt dies nicht alle Tage? Wer wünſcht nicht, ſeine Freyheit wieder zu gewinnen, und einen ſichern Pfad zur Unſterblichkeit zu gehen? — Aber der erſte Grund von der Untugend, die wir an ſo vielen Menſchen beklagen müſſen, iſt ein hartes und fühlloſes Herz. Viele, ſagt unſer warnender Erlöſer, hören das Schöne, das Große, das Rührende der Reli- gion, aber ihre Seele gleicht einer Straße, die ſo feſt und rauh iſt, daß keine Wurzel eingreifen, keine Pflanze aufgehen kann. (Lucä 8, 5. 12.) Oder, wenn ihr den Schmuck wegnehmen wollt, eine große Claſſe von Men- ſchen hört alles, was ein gutes Gemüth ſchmelzen, und bewegen kann, die Religion ſchallt in ihre Ohren; aber ſie dringt nicht in den Verſtand, ſie findet den Weg zum Herzen nicht, ein ganzes Heer von ſündlichen und verdor- benen Neigungen, die Menge der empörten wütenden Leidenſchaften, die der Feind Gottes in die Welt brachte, jener klägliche Widerwille gegen unſern Urheber, der uns allein überzeugen könnte, daß wir die erſte Reinigkeit und Schönheit verlohren haben, unterdrücket alle Kraft dieſer Wahrheiten. Das Gedächtniß behält die Na- men, die Schalen, das Aeußerliche der Religion; wir ſchmücken uns mit den Zeichen, die in die Sinne fallen; wir
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Menſchenliebe des Erlöſers.
daß ſeine Zuhörer früher, und ernſtlicher, als man ins-
gemein thut, auf ihre eigene Beſſerung bedacht ſeyn
möchten. Selig iſt der, der glaub, daß das, was Je-
ſus Chriſtus ſagt, ihn insbeſondre angehe, und zu ſei-
ner Errettung, zu ſeiner ewigen Glückſeligkeit mit ſo
vieler Wärme vorgetragen worden ſey. In der Welt
leben wir immer zwiſchen Verbrechen und Sorgen. Al-
les gefällt uns, alles iſt ſcheinbar, und das Meiſte iſt
falſch. Wer unter uns erfährt dies nicht alle Tage?
Wer wünſcht nicht, ſeine Freyheit wieder zu gewinnen,
und einen ſichern Pfad zur Unſterblichkeit zu gehen? —
Aber der erſte Grund von der Untugend, die wir an ſo
vielen Menſchen beklagen müſſen, iſt ein hartes und
fühlloſes Herz. Viele, ſagt unſer warnender Erlöſer,
hören das Schöne, das Große, das Rührende der Reli-
gion, aber ihre Seele gleicht einer Straße, die ſo feſt
und rauh iſt, daß keine Wurzel eingreifen, keine Pflanze
aufgehen kann. (Lucä 8, 5. 12.) Oder, wenn ihr den
Schmuck wegnehmen wollt, eine große Claſſe von Men-
ſchen hört alles, was ein gutes Gemüth ſchmelzen, und
bewegen kann, die Religion ſchallt in ihre Ohren; aber
ſie dringt nicht in den Verſtand, ſie findet den Weg zum
Herzen nicht, ein ganzes Heer von ſündlichen und verdor-
benen Neigungen, die Menge der empörten wütenden
Leidenſchaften, die der Feind Gottes in die Welt brachte,
jener klägliche Widerwille gegen unſern Urheber, der
uns allein überzeugen könnte, daß wir die erſte Reinigkeit
und Schönheit verlohren haben, unterdrücket alle Kraft
dieſer Wahrheiten. Das Gedächtniß behält die Na-
men, die Schalen, das Aeußerliche der Religion; wir
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