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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Ueber die Erzählung vom Sämann.
wir ahmen kalt und ohne innre Ueberzeugung, daß dies
unsre Pflicht sey, und ohne die süße Erfahrung, daß dies
unsre einzige Ehre und Glückseligkeit sey, die Sprache
des Religionsverehrers nach, aber -- der Grund der
Seele wird nicht geändert. Wir würden in jedem Fall
Glauben und Tugend ohne Bedenken, als etwas Unnü-
tzes, als etwas Beschwerliches, als etwas Schwermüthi-
ges wegwerfen, wenn wir uns dadurch eine sinnliche Wol-
lust kaufen, und dem wilden Strom unsrer Affecten
freyen Lauf lassen könnten. Wir sagen hier nichts, als
was der Erlöser sagt. Sollen wir ihm, der Augen
hat, wie Feuerflammen,
(Offenb. Joh. 1, 14.) dem
Gott, der alle unsre Wege kennt,
(Psalm 1, 6.)
dem Gott, der unsre Gedanken von ferne sieht,
(Ps. 139, 2.) der in die Tiefen der Seele, wie in das
Gewölbe des Himmels herabsieht, ins Angesicht wider-
sprechen? Oder sollen wir etwa so feig, so kriechend, so
furchtsam vor den Menschen seyn, daß wir das, was un-
ser Erlöser mit dem leidenden Gesicht, voll Rührung,
aus edelm Drang seiner Seele, oft mit Gebet und Thrä-
nen sagte, verschweigen, und Verräther an der Wahr-
heit werden? Wir mögen uns so sehr bemühen, als wir
wollen, um besser zu scheinen, als wir sind, wir mögen
unser Herz, das seine Tücke zu verstecken, zu verschönern,
zu verkleiden weiß, noch so gerne hören, wir mögen eine
Welt voll Lobredner, Vertheidiger, Freunde und Gefähr-
ten auf unsrer Seite haben, so ist doch das Wort Jesu
Christi ewig, und wir alle werden einst den schauervollen
Tag sehen, an welchem er jedem seiner Worte Nachdruck
geben, und seine Verächter auszeichnen wird. Ja die
Welt hat leider! Menschen, die sich der Religion, mit

der

Ueber die Erzählung vom Sämann.
wir ahmen kalt und ohne innre Ueberzeugung, daß dies
unſre Pflicht ſey, und ohne die ſüße Erfahrung, daß dies
unſre einzige Ehre und Glückſeligkeit ſey, die Sprache
des Religionsverehrers nach, aber — der Grund der
Seele wird nicht geändert. Wir würden in jedem Fall
Glauben und Tugend ohne Bedenken, als etwas Unnü-
tzes, als etwas Beſchwerliches, als etwas Schwermüthi-
ges wegwerfen, wenn wir uns dadurch eine ſinnliche Wol-
luſt kaufen, und dem wilden Strom unſrer Affecten
freyen Lauf laſſen könnten. Wir ſagen hier nichts, als
was der Erlöſer ſagt. Sollen wir ihm, der Augen
hat, wie Feuerflammen,
(Offenb. Joh. 1, 14.) dem
Gott, der alle unſre Wege kennt,
(Pſalm 1, 6.)
dem Gott, der unſre Gedanken von ferne ſieht,
(Pſ. 139, 2.) der in die Tiefen der Seele, wie in das
Gewölbe des Himmels herabſieht, ins Angeſicht wider-
ſprechen? Oder ſollen wir etwa ſo feig, ſo kriechend, ſo
furchtſam vor den Menſchen ſeyn, daß wir das, was un-
ſer Erlöſer mit dem leidenden Geſicht, voll Rührung,
aus edelm Drang ſeiner Seele, oft mit Gebet und Thrä-
nen ſagte, verſchweigen, und Verräther an der Wahr-
heit werden? Wir mögen uns ſo ſehr bemühen, als wir
wollen, um beſſer zu ſcheinen, als wir ſind, wir mögen
unſer Herz, das ſeine Tücke zu verſtecken, zu verſchönern,
zu verkleiden weiß, noch ſo gerne hören, wir mögen eine
Welt voll Lobredner, Vertheidiger, Freunde und Gefähr-
ten auf unſrer Seite haben, ſo iſt doch das Wort Jeſu
Chriſti ewig, und wir alle werden einſt den ſchauervollen
Tag ſehen, an welchem er jedem ſeiner Worte Nachdruck
geben, und ſeine Verächter auszeichnen wird. Ja die
Welt hat leider! Menſchen, die ſich der Religion, mit

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[173/0179] Ueber die Erzählung vom Sämann. wir ahmen kalt und ohne innre Ueberzeugung, daß dies unſre Pflicht ſey, und ohne die ſüße Erfahrung, daß dies unſre einzige Ehre und Glückſeligkeit ſey, die Sprache des Religionsverehrers nach, aber — der Grund der Seele wird nicht geändert. Wir würden in jedem Fall Glauben und Tugend ohne Bedenken, als etwas Unnü- tzes, als etwas Beſchwerliches, als etwas Schwermüthi- ges wegwerfen, wenn wir uns dadurch eine ſinnliche Wol- luſt kaufen, und dem wilden Strom unſrer Affecten freyen Lauf laſſen könnten. Wir ſagen hier nichts, als was der Erlöſer ſagt. Sollen wir ihm, der Augen hat, wie Feuerflammen, (Offenb. Joh. 1, 14.) dem Gott, der alle unſre Wege kennt, (Pſalm 1, 6.) dem Gott, der unſre Gedanken von ferne ſieht, (Pſ. 139, 2.) der in die Tiefen der Seele, wie in das Gewölbe des Himmels herabſieht, ins Angeſicht wider- ſprechen? Oder ſollen wir etwa ſo feig, ſo kriechend, ſo furchtſam vor den Menſchen ſeyn, daß wir das, was un- ſer Erlöſer mit dem leidenden Geſicht, voll Rührung, aus edelm Drang ſeiner Seele, oft mit Gebet und Thrä- nen ſagte, verſchweigen, und Verräther an der Wahr- heit werden? Wir mögen uns ſo ſehr bemühen, als wir wollen, um beſſer zu ſcheinen, als wir ſind, wir mögen unſer Herz, das ſeine Tücke zu verſtecken, zu verſchönern, zu verkleiden weiß, noch ſo gerne hören, wir mögen eine Welt voll Lobredner, Vertheidiger, Freunde und Gefähr- ten auf unſrer Seite haben, ſo iſt doch das Wort Jeſu Chriſti ewig, und wir alle werden einſt den ſchauervollen Tag ſehen, an welchem er jedem ſeiner Worte Nachdruck geben, und ſeine Verächter auszeichnen wird. Ja die Welt hat leider! Menſchen, die ſich der Religion, mit der

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/179>, abgerufen am 21.11.2024.