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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Menschenliebe des Erlösers.
sichtbare und Ewige keinen Reiz hat, das sind die Dor-
nen,
die fremden und schädlichen Pflanzen, die alles ein-
nehmen, und den besten Saft, der sich in süße Früchte
verwandeln sollte, rauben. (Lucä 8, 7. 14.) Man hört,
so sagt der Mund der Wahrheit und der Tugend, die Re-
ligion, und geht, unbekümmert um ihre Schätze, unter
den Sorgen und Bestrebungen für den Glanz dieses Le-
bens hin, und dieser unersättliche Wunsch, reich zu wer-
den, der unverzeihliche Hang nach sinnlichen Belustigun-
gen, hemmt den besten Anfang, unterdrückt gute Rüh-
rungen, löscht die heiligsten Empfindungen wieder aus,
schwächt die edelsten Vorsätze, verleitet erst zum Still-
stand, der Stillstand gränzt schon ans Zurückgehen, das
Gemüth wird leichtsinnig und zerstreut; nach und nach
verlieren wir die Lust zu den Pflichten unsres Berufs,
und verlohren sind wir von dem Augenblick an, da diese
Lust entflieht, die Seele hängt immer an weiten ungewis-
sen Planeten; Ehrgeiz, Neid, Eroberungsbegierde, Stolz,
und das unruhige Verlangen, allen andern zuvorzukom-
men, spornen den abgematteten Geist immer wieder an;
in jede heilige Viertelstunde mischt sich die herrschende
Denkungsart; wir bringen fremdes und unreines Feuer
vor Gott; die Zärtlichkeit in der Beurtheilung unsrer
Handlungen vor Gott verläßt uns; kleine, unbereute
Fehler führen unvermerkt zu größeren Vergehungen, in
kurzer Zeit wird uns Andacht und Demüthigung vor
Gott zum Ekel; Menschenliebe führen wir im Mund,
und Selbstsüchtigkeit und Eigennutz besetzen das Herz;
vergraben in die Dinge dieses Lebens, die des Ringens,
des Kummers, und der fressenden Sorgen nicht werth
sind, verliebt in ein nichtsbedeutendes Geräusch, in Na-

men,

Menſchenliebe des Erlöſers.
ſichtbare und Ewige keinen Reiz hat, das ſind die Dor-
nen,
die fremden und ſchädlichen Pflanzen, die alles ein-
nehmen, und den beſten Saft, der ſich in ſüße Früchte
verwandeln ſollte, rauben. (Lucä 8, 7. 14.) Man hört,
ſo ſagt der Mund der Wahrheit und der Tugend, die Re-
ligion, und geht, unbekümmert um ihre Schätze, unter
den Sorgen und Beſtrebungen für den Glanz dieſes Le-
bens hin, und dieſer unerſättliche Wunſch, reich zu wer-
den, der unverzeihliche Hang nach ſinnlichen Beluſtigun-
gen, hemmt den beſten Anfang, unterdrückt gute Rüh-
rungen, löſcht die heiligſten Empfindungen wieder aus,
ſchwächt die edelſten Vorſätze, verleitet erſt zum Still-
ſtand, der Stillſtand gränzt ſchon ans Zurückgehen, das
Gemüth wird leichtſinnig und zerſtreut; nach und nach
verlieren wir die Luſt zu den Pflichten unſres Berufs,
und verlohren ſind wir von dem Augenblick an, da dieſe
Luſt entflieht, die Seele hängt immer an weiten ungewiſ-
ſen Planeten; Ehrgeiz, Neid, Eroberungsbegierde, Stolz,
und das unruhige Verlangen, allen andern zuvorzukom-
men, ſpornen den abgematteten Geiſt immer wieder an;
in jede heilige Viertelſtunde miſcht ſich die herrſchende
Denkungsart; wir bringen fremdes und unreines Feuer
vor Gott; die Zärtlichkeit in der Beurtheilung unſrer
Handlungen vor Gott verläßt uns; kleine, unbereute
Fehler führen unvermerkt zu größeren Vergehungen, in
kurzer Zeit wird uns Andacht und Demüthigung vor
Gott zum Ekel; Menſchenliebe führen wir im Mund,
und Selbſtſüchtigkeit und Eigennutz beſetzen das Herz;
vergraben in die Dinge dieſes Lebens, die des Ringens,
des Kummers, und der freſſenden Sorgen nicht werth
ſind, verliebt in ein nichtsbedeutendes Geräuſch, in Na-

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[184/0190] Menſchenliebe des Erlöſers. ſichtbare und Ewige keinen Reiz hat, das ſind die Dor- nen, die fremden und ſchädlichen Pflanzen, die alles ein- nehmen, und den beſten Saft, der ſich in ſüße Früchte verwandeln ſollte, rauben. (Lucä 8, 7. 14.) Man hört, ſo ſagt der Mund der Wahrheit und der Tugend, die Re- ligion, und geht, unbekümmert um ihre Schätze, unter den Sorgen und Beſtrebungen für den Glanz dieſes Le- bens hin, und dieſer unerſättliche Wunſch, reich zu wer- den, der unverzeihliche Hang nach ſinnlichen Beluſtigun- gen, hemmt den beſten Anfang, unterdrückt gute Rüh- rungen, löſcht die heiligſten Empfindungen wieder aus, ſchwächt die edelſten Vorſätze, verleitet erſt zum Still- ſtand, der Stillſtand gränzt ſchon ans Zurückgehen, das Gemüth wird leichtſinnig und zerſtreut; nach und nach verlieren wir die Luſt zu den Pflichten unſres Berufs, und verlohren ſind wir von dem Augenblick an, da dieſe Luſt entflieht, die Seele hängt immer an weiten ungewiſ- ſen Planeten; Ehrgeiz, Neid, Eroberungsbegierde, Stolz, und das unruhige Verlangen, allen andern zuvorzukom- men, ſpornen den abgematteten Geiſt immer wieder an; in jede heilige Viertelſtunde miſcht ſich die herrſchende Denkungsart; wir bringen fremdes und unreines Feuer vor Gott; die Zärtlichkeit in der Beurtheilung unſrer Handlungen vor Gott verläßt uns; kleine, unbereute Fehler führen unvermerkt zu größeren Vergehungen, in kurzer Zeit wird uns Andacht und Demüthigung vor Gott zum Ekel; Menſchenliebe führen wir im Mund, und Selbſtſüchtigkeit und Eigennutz beſetzen das Herz; vergraben in die Dinge dieſes Lebens, die des Ringens, des Kummers, und der freſſenden Sorgen nicht werth ſind, verliebt in ein nichtsbedeutendes Geräuſch, in Na- men,

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/190>, abgerufen am 24.11.2024.