Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.
Ueber die Erzählung vom Sämann. getändelt haben, zur Modelectüre. Aber sie sollten unsja eher auf unser Herz aufmerksam, und mißtrauisch da- gegen machen, als daß sie uns den Wunsch ablocken, ei- nen eben so schön gemalten Himmel, der sonst nirgends, als auf dem Papier, das freylich alles annimmt, vorhan- den ist, schon auf Erden zu genießen. Stoßen wir nur nie unser Gewissen zurück, es ist stiller, verborgener, aber großer Reichthum vor Gott. Sehen wir nur immer auf den Menschenvater, der uns einst zu sich nehmen, und uns alsdann erst erfahren lassen will, daß er uns, wenn gleich der Weg durch diese Welt oft selbst dem Edelgesinn- ten steinicht ist, zu großen Absichten, nicht zu funfzig oder sechzig Jahren auf dieser trüben Erde erschaffen hat. Je- sus Christus war, so viele Aufopferungen er auch von ihm forderte, doch immer der liebe Sohn, der des Va- ters ganzes Wohlgefallen hatte, weil nirgends ein Flecken, nie eine Lücke, nie ein Stillstand in seinem Leben war; und gewiß wir, wir werden auch seine Ge- liebte, wenn es nur unsre Speise und Trank, wenn es nur auch Wonne und unentbehrliches Bedürfniß für uns ist, immer in seinen Wegen zu wandeln, so wie sein Sohn darauf wandelte, wenn wir nur alle Tage, nicht nur zuweilen, zu ihm seufzen: Herr, lehre mich thun nach deinem Wohlgefallen! (Ps. 143. 10.) Aber unserm guten Erlöser schwebte noch eine dritte sichtbare M 4
Ueber die Erzählung vom Sämann. getändelt haben, zur Modelectüre. Aber ſie ſollten unsja eher auf unſer Herz aufmerkſam, und mißtrauiſch da- gegen machen, als daß ſie uns den Wunſch ablocken, ei- nen eben ſo ſchön gemalten Himmel, der ſonſt nirgends, als auf dem Papier, das freylich alles annimmt, vorhan- den iſt, ſchon auf Erden zu genießen. Stoßen wir nur nie unſer Gewiſſen zurück, es iſt ſtiller, verborgener, aber großer Reichthum vor Gott. Sehen wir nur immer auf den Menſchenvater, der uns einſt zu ſich nehmen, und uns alsdann erſt erfahren laſſen will, daß er uns, wenn gleich der Weg durch dieſe Welt oft ſelbſt dem Edelgeſinn- ten ſteinicht iſt, zu großen Abſichten, nicht zu funfzig oder ſechzig Jahren auf dieſer trüben Erde erſchaffen hat. Je- ſus Chriſtus war, ſo viele Aufopferungen er auch von ihm forderte, doch immer der liebe Sohn, der des Va- ters ganzes Wohlgefallen hatte, weil nirgends ein Flecken, nie eine Lücke, nie ein Stillſtand in ſeinem Leben war; und gewiß wir, wir werden auch ſeine Ge- liebte, wenn es nur unſre Speiſe und Trank, wenn es nur auch Wonne und unentbehrliches Bedürfniß für uns iſt, immer in ſeinen Wegen zu wandeln, ſo wie ſein Sohn darauf wandelte, wenn wir nur alle Tage, nicht nur zuweilen, zu ihm ſeufzen: Herr, lehre mich thun nach deinem Wohlgefallen! (Pſ. 143. 10.) Aber unſerm guten Erlöſer ſchwebte noch eine dritte ſichtbare M 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0189" n="183"/><fw place="top" type="header">Ueber die Erzählung vom Sämann.</fw><lb/> getändelt haben, zur Modelectüre. Aber ſie ſollten uns<lb/> ja eher auf unſer Herz aufmerkſam, und mißtrauiſch da-<lb/> gegen machen, als daß ſie uns den Wunſch ablocken, ei-<lb/> nen eben ſo ſchön gemalten Himmel, der ſonſt nirgends,<lb/> als auf dem Papier, das freylich alles annimmt, vorhan-<lb/> den iſt, ſchon auf Erden zu genießen. Stoßen wir nur<lb/> nie unſer Gewiſſen zurück, es iſt ſtiller, verborgener, aber<lb/> großer Reichthum vor Gott. Sehen wir nur immer<lb/> auf den Menſchenvater, der uns einſt zu ſich nehmen, und<lb/> uns alsdann erſt erfahren laſſen will, daß er uns, wenn<lb/> gleich der Weg durch dieſe Welt oft ſelbſt dem Edelgeſinn-<lb/> ten ſteinicht iſt, zu großen Abſichten, nicht zu funfzig oder<lb/> ſechzig Jahren auf dieſer trüben Erde erſchaffen hat. Je-<lb/> ſus Chriſtus war, ſo viele Aufopferungen er auch von ihm<lb/> forderte, doch immer <hi rendition="#fr">der liebe Sohn, der des Va-<lb/> ters ganzes Wohlgefallen hatte,</hi> weil nirgends<lb/> ein Flecken, nie eine Lücke, nie ein Stillſtand in ſeinem<lb/> Leben war; und gewiß wir, wir werden auch ſeine Ge-<lb/> liebte, wenn es nur unſre Speiſe und Trank, wenn es<lb/> nur auch Wonne und unentbehrliches Bedürfniß für uns<lb/> iſt, immer in ſeinen Wegen zu wandeln, ſo wie ſein<lb/> Sohn darauf wandelte, wenn wir nur alle Tage, nicht<lb/> nur zuweilen, zu ihm ſeufzen: <hi rendition="#fr">Herr, lehre mich thun<lb/> nach deinem Wohlgefallen!</hi> (Pſ. 143. 10.)</p><lb/> <p>Aber unſerm guten Erlöſer ſchwebte noch eine dritte<lb/> Urſache vom Unglück vieler Menſchen vor dem Geſicht.<lb/> Das iſt die bevölkerte Straße, die ſo viele zum Unter-<lb/> gang führt,<hi rendition="#fr">das iſt die Liebe zum Irrdiſchen,</hi> das<lb/> iſt die Anhänglichkeit an die Güter und Wollüſte dieſes<lb/> Lebens, das iſt die niedrige Geſinnung, für die das Un-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ſichtbare</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [183/0189]
Ueber die Erzählung vom Sämann.
getändelt haben, zur Modelectüre. Aber ſie ſollten uns
ja eher auf unſer Herz aufmerkſam, und mißtrauiſch da-
gegen machen, als daß ſie uns den Wunſch ablocken, ei-
nen eben ſo ſchön gemalten Himmel, der ſonſt nirgends,
als auf dem Papier, das freylich alles annimmt, vorhan-
den iſt, ſchon auf Erden zu genießen. Stoßen wir nur
nie unſer Gewiſſen zurück, es iſt ſtiller, verborgener, aber
großer Reichthum vor Gott. Sehen wir nur immer
auf den Menſchenvater, der uns einſt zu ſich nehmen, und
uns alsdann erſt erfahren laſſen will, daß er uns, wenn
gleich der Weg durch dieſe Welt oft ſelbſt dem Edelgeſinn-
ten ſteinicht iſt, zu großen Abſichten, nicht zu funfzig oder
ſechzig Jahren auf dieſer trüben Erde erſchaffen hat. Je-
ſus Chriſtus war, ſo viele Aufopferungen er auch von ihm
forderte, doch immer der liebe Sohn, der des Va-
ters ganzes Wohlgefallen hatte, weil nirgends
ein Flecken, nie eine Lücke, nie ein Stillſtand in ſeinem
Leben war; und gewiß wir, wir werden auch ſeine Ge-
liebte, wenn es nur unſre Speiſe und Trank, wenn es
nur auch Wonne und unentbehrliches Bedürfniß für uns
iſt, immer in ſeinen Wegen zu wandeln, ſo wie ſein
Sohn darauf wandelte, wenn wir nur alle Tage, nicht
nur zuweilen, zu ihm ſeufzen: Herr, lehre mich thun
nach deinem Wohlgefallen! (Pſ. 143. 10.)
Aber unſerm guten Erlöſer ſchwebte noch eine dritte
Urſache vom Unglück vieler Menſchen vor dem Geſicht.
Das iſt die bevölkerte Straße, die ſo viele zum Unter-
gang führt,das iſt die Liebe zum Irrdiſchen, das
iſt die Anhänglichkeit an die Güter und Wollüſte dieſes
Lebens, das iſt die niedrige Geſinnung, für die das Un-
ſichtbare
M 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/189 |
| Zitationshilfe: | Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/189>, abgerufen am 21.11.2024. |
