Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Ueber die Thränen Jesu Christi. Wegs, den er reiten sollte, als ein Zeichen der Ehrer-bietung, und der willigsten Unterwerfung. Jezt scheint es, als wenn Israel plötzlich den Werth dieses Mannes erkannt, und allen Undank aufgegeben hätte. Alle Kranken aus Judäa und Samaria, alle Aussätzige aus Galiläa, alle Elendgewesene sammlen sich aus den an- grenzenden Landen in der Stadt, und jezt gehen sie alle dem Mann entgegen, der ihnen so willig geholfen hatte. Man hört von nichts, als von seinen Wohlthaten reden. Die guten und empfindsamen Seelen drängen sich zu ihm, sie sehen auf sein Gesicht, sie erquicken sich an dem Ausdruck der Liebe und des Wohlwollens, der ihm so natürlich ist, sie erkennen in ihm den Wohlthäter, der ih- nen die Krücke, die Pestbeulen, die Unreinigkeiten, die Leiden und Schmerzen abgenommen hatte, und überhäu- fen ihn mit ihren Danksagungen. Der Fremde, den das Fest nach Jerusalem g[e]zogen hatte, erfährt die wich- tigen Verdienste Jesu Christi um das Volk, und sogleich sucht jeder, ihn in dem freudigen Getümmel zu erbli- cken, sein Auge, seine Miene, seine Ruhe, sein großes Betragen recht genau zu sehen, um dadurch die Hochach- tung zu befestigen, die das Herz, so bald man nur sein Leben hörte, nothwendig fühlen mußte. Seine Beglei- tung wird immer ansehnlicher, je mehr er sich der Stadt nähert. Junge und Alte bemühen sich, seinen Einzug recht feyerlich zu machen. Die Loblieder des Volks sind stärker, als das Murren seiner Feinde; diese Feyerlichkei- ten begleiten ihn bis zum Tempel; eine gewisse Furcht, vermischt mit Ehrerbietung und Zärtlichkeit geht vor ihm her, und unterwirft ihm alle Herzen: und wie ver- hält sich dann Jesus bey allen diesen lauten, prächtigen Ehren- N
Ueber die Thränen Jeſu Chriſti. Wegs, den er reiten ſollte, als ein Zeichen der Ehrer-bietung, und der willigſten Unterwerfung. Jezt ſcheint es, als wenn Iſrael plötzlich den Werth dieſes Mannes erkannt, und allen Undank aufgegeben hätte. Alle Kranken aus Judäa und Samaria, alle Ausſätzige aus Galiläa, alle Elendgeweſene ſammlen ſich aus den an- grenzenden Landen in der Stadt, und jezt gehen ſie alle dem Mann entgegen, der ihnen ſo willig geholfen hatte. Man hört von nichts, als von ſeinen Wohlthaten reden. Die guten und empfindſamen Seelen drängen ſich zu ihm, ſie ſehen auf ſein Geſicht, ſie erquicken ſich an dem Ausdruck der Liebe und des Wohlwollens, der ihm ſo natürlich iſt, ſie erkennen in ihm den Wohlthäter, der ih- nen die Krücke, die Peſtbeulen, die Unreinigkeiten, die Leiden und Schmerzen abgenommen hatte, und überhäu- fen ihn mit ihren Dankſagungen. Der Fremde, den das Feſt nach Jeruſalem g[e]zogen hatte, erfährt die wich- tigen Verdienſte Jeſu Chriſti um das Volk, und ſogleich ſucht jeder, ihn in dem freudigen Getümmel zu erbli- cken, ſein Auge, ſeine Miene, ſeine Ruhe, ſein großes Betragen recht genau zu ſehen, um dadurch die Hochach- tung zu befeſtigen, die das Herz, ſo bald man nur ſein Leben hörte, nothwendig fühlen mußte. Seine Beglei- tung wird immer anſehnlicher, je mehr er ſich der Stadt nähert. Junge und Alte bemühen ſich, ſeinen Einzug recht feyerlich zu machen. Die Loblieder des Volks ſind ſtärker, als das Murren ſeiner Feinde; dieſe Feyerlichkei- ten begleiten ihn bis zum Tempel; eine gewiſſe Furcht, vermiſcht mit Ehrerbietung und Zärtlichkeit geht vor ihm her, und unterwirft ihm alle Herzen: und wie ver- hält ſich dann Jeſus bey allen dieſen lauten, prächtigen Ehren- N
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Ueber die Thränen Jeſu Chriſti.
Wegs, den er reiten ſollte, als ein Zeichen der Ehrer-
bietung, und der willigſten Unterwerfung. Jezt ſcheint
es, als wenn Iſrael plötzlich den Werth dieſes Mannes
erkannt, und allen Undank aufgegeben hätte. Alle
Kranken aus Judäa und Samaria, alle Ausſätzige aus
Galiläa, alle Elendgeweſene ſammlen ſich aus den an-
grenzenden Landen in der Stadt, und jezt gehen ſie alle
dem Mann entgegen, der ihnen ſo willig geholfen hatte.
Man hört von nichts, als von ſeinen Wohlthaten reden.
Die guten und empfindſamen Seelen drängen ſich zu
ihm, ſie ſehen auf ſein Geſicht, ſie erquicken ſich an dem
Ausdruck der Liebe und des Wohlwollens, der ihm ſo
natürlich iſt, ſie erkennen in ihm den Wohlthäter, der ih-
nen die Krücke, die Peſtbeulen, die Unreinigkeiten, die
Leiden und Schmerzen abgenommen hatte, und überhäu-
fen ihn mit ihren Dankſagungen. Der Fremde, den
das Feſt nach Jeruſalem gezogen hatte, erfährt die wich-
tigen Verdienſte Jeſu Chriſti um das Volk, und ſogleich
ſucht jeder, ihn in dem freudigen Getümmel zu erbli-
cken, ſein Auge, ſeine Miene, ſeine Ruhe, ſein großes
Betragen recht genau zu ſehen, um dadurch die Hochach-
tung zu befeſtigen, die das Herz, ſo bald man nur ſein
Leben hörte, nothwendig fühlen mußte. Seine Beglei-
tung wird immer anſehnlicher, je mehr er ſich der Stadt
nähert. Junge und Alte bemühen ſich, ſeinen Einzug
recht feyerlich zu machen. Die Loblieder des Volks ſind
ſtärker, als das Murren ſeiner Feinde; dieſe Feyerlichkei-
ten begleiten ihn bis zum Tempel; eine gewiſſe Furcht,
vermiſcht mit Ehrerbietung und Zärtlichkeit geht vor
ihm her, und unterwirft ihm alle Herzen: und wie ver-
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