Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Menschenliebe des Erlösers. wir sind Märtyrer unsrer Leidenschaften, wir werden dieOpfer unsrer eingebildeten Weisheit, wir leiden oft, was unsre Thaten werth sind, wir verkaufen die Wahrheit, wir schenken, wir werfen sie weg, wir schätzen sie nicht, weil wir nicht wissen, wie theuer sie die erringen mußten, von welchen wir sie haben. Sobald unsre Seele er- wacht, macht man uns mit Gott bekannt, mitten im Elend Andrer sehen viele immer den erbarmenden Gott, erfahren die Liebe Jesu Christi, hören die Stimme sei- nes Worts, merken die Lockungen seiner Gnade, spüren seine besondere Züchtigungen und Prüsungen, seine ernst- liche Aufforderungen, seine vielfältige Segnungen, seine unaufhörliche Wohlthaten. Ach, so laßt uns dann gerne vor seinem Angesicht seyn, und da beschäftigt mit seiner Erkenntniß, mit seinem Willen, mit seinem Preis, un- terrichtet Händen seyn sollte, damit sie für sich selbst daraus das
Ganze der Kirche Jesu Christi in Europa und in andern Welttheilen kennen lernen, und ihren Zuhörern zuweilen auch historische Unterweisungen vom Gang der Vorse- hung, und besonders von der Monarchie unsers großen Erlösers geben könnten. Lectüre von der Art sollte doch billig jedem Landprediger angenehm, und unendlich schätz- barer seyn, als die elenden Gesp[r]äche aus dem Reich der Todten, oder ähnliche verächtliche Dinge, womit sie sich öfters die viele leere Zeit verkürzen. Ein großer Theil der Gleichgültigkeit gegen den öffentlichen Religions- unterricht kommt ohne Zweifel auch unter dem Landvolk, wie in Städten, daher, daß man dem Vortrag, und an- dern Unterredungen kein Interesse aus der Geschichte, keine Würze, kein Leben, keinen Reiz der Neuheit ver- schaffen kann. Aber wie ist das möglich, ohne tägliches und ernstliches Studieren? Menſchenliebe des Erlöſers. wir ſind Märtyrer unſrer Leidenſchaften, wir werden dieOpfer unſrer eingebildeten Weisheit, wir leiden oft, was unſre Thaten werth ſind, wir verkaufen die Wahrheit, wir ſchenken, wir werfen ſie weg, wir ſchätzen ſie nicht, weil wir nicht wiſſen, wie theuer ſie die erringen mußten, von welchen wir ſie haben. Sobald unſre Seele er- wacht, macht man uns mit Gott bekannt, mitten im Elend Andrer ſehen viele immer den erbarmenden Gott, erfahren die Liebe Jeſu Chriſti, hören die Stimme ſei- nes Worts, merken die Lockungen ſeiner Gnade, ſpüren ſeine beſondere Züchtigungen und Prüſungen, ſeine ernſt- liche Aufforderungen, ſeine vielfältige Segnungen, ſeine unaufhörliche Wohlthaten. Ach, ſo laßt uns dann gerne vor ſeinem Angeſicht ſeyn, und da beſchäftigt mit ſeiner Erkenntniß, mit ſeinem Willen, mit ſeinem Preis, un- terrichtet Händen ſeyn ſollte, damit ſie für ſich ſelbſt daraus das
Ganze der Kirche Jeſu Chriſti in Europa und in andern Welttheilen kennen lernen, und ihren Zuhörern zuweilen auch hiſtoriſche Unterweiſungen vom Gang der Vorſe- hung, und beſonders von der Monarchie unſers großen Erlöſers geben könnten. Lectüre von der Art ſollte doch billig jedem Landprediger angenehm, und unendlich ſchätz- barer ſeyn, als die elenden Geſp[r]äche aus dem Reich der Todten, oder ähnliche verächtliche Dinge, womit ſie ſich öfters die viele leere Zeit verkürzen. Ein großer Theil der Gleichgültigkeit gegen den öffentlichen Religions- unterricht kommt ohne Zweifel auch unter dem Landvolk, wie in Städten, daher, daß man dem Vortrag, und an- dern Unterredungen kein Intereſſe aus der Geſchichte, keine Würze, kein Leben, keinen Reiz der Neuheit ver- ſchaffen kann. Aber wie iſt das möglich, ohne tägliches und ernſtliches Studieren? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0222" n="216"/><fw place="top" type="header">Menſchenliebe des Erlöſers.</fw><lb/> wir ſind Märtyrer unſrer Leidenſchaften, wir werden die<lb/> Opfer unſrer eingebildeten Weisheit, wir leiden oft, was<lb/> unſre Thaten werth ſind, wir verkaufen die Wahrheit,<lb/> wir ſchenken, wir werfen ſie weg, wir ſchätzen ſie nicht,<lb/> weil wir nicht wiſſen, wie theuer ſie die erringen mußten,<lb/> von welchen wir ſie haben. Sobald unſre Seele er-<lb/> wacht, macht man uns mit Gott bekannt, mitten im<lb/> Elend Andrer ſehen viele immer den erbarmenden Gott,<lb/> erfahren die Liebe Jeſu Chriſti, hören die Stimme ſei-<lb/> nes Worts, merken die Lockungen ſeiner Gnade, ſpüren<lb/> ſeine beſondere Züchtigungen und Prüſungen, ſeine ernſt-<lb/> liche Aufforderungen, ſeine vielfältige Segnungen, ſeine<lb/> unaufhörliche Wohlthaten. Ach, ſo laßt uns dann gerne<lb/> vor ſeinem Angeſicht ſeyn, und da beſchäftigt mit ſeiner<lb/> Erkenntniß, mit ſeinem Willen, mit ſeinem Preis, un-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">terrichtet</fw><lb/><note xml:id="n02b" prev="#n02a" place="foot" n="*)">Händen ſeyn ſollte, damit ſie für ſich ſelbſt daraus das<lb/> Ganze der Kirche Jeſu Chriſti in Europa und in andern<lb/> Welttheilen kennen lernen, und ihren Zuhörern zuweilen<lb/> auch <hi rendition="#fr">hiſtoriſche</hi> Unterweiſungen vom Gang der Vorſe-<lb/> hung, und beſonders von der Monarchie unſers großen<lb/> Erlöſers geben könnten. Lectüre von der Art ſollte doch<lb/> billig jedem Landprediger angenehm, und unendlich ſchätz-<lb/> barer ſeyn, als die elenden <hi rendition="#fr">Geſp<supplied>r</supplied>äche aus dem Reich<lb/> der Todten,</hi> oder ähnliche verächtliche Dinge, womit ſie<lb/> ſich öfters die viele leere Zeit verkürzen. Ein großer<lb/> Theil der Gleichgültigkeit gegen den öffentlichen Religions-<lb/> unterricht kommt ohne Zweifel auch unter dem Landvolk,<lb/> wie in Städten, daher, daß man dem Vortrag, und an-<lb/> dern Unterredungen kein Intereſſe aus der Geſchichte,<lb/> keine Würze, kein Leben, keinen Reiz der Neuheit ver-<lb/> ſchaffen kann. Aber wie iſt das möglich, ohne tägliches<lb/> und ernſtliches Studieren?</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [216/0222]
Menſchenliebe des Erlöſers.
wir ſind Märtyrer unſrer Leidenſchaften, wir werden die
Opfer unſrer eingebildeten Weisheit, wir leiden oft, was
unſre Thaten werth ſind, wir verkaufen die Wahrheit,
wir ſchenken, wir werfen ſie weg, wir ſchätzen ſie nicht,
weil wir nicht wiſſen, wie theuer ſie die erringen mußten,
von welchen wir ſie haben. Sobald unſre Seele er-
wacht, macht man uns mit Gott bekannt, mitten im
Elend Andrer ſehen viele immer den erbarmenden Gott,
erfahren die Liebe Jeſu Chriſti, hören die Stimme ſei-
nes Worts, merken die Lockungen ſeiner Gnade, ſpüren
ſeine beſondere Züchtigungen und Prüſungen, ſeine ernſt-
liche Aufforderungen, ſeine vielfältige Segnungen, ſeine
unaufhörliche Wohlthaten. Ach, ſo laßt uns dann gerne
vor ſeinem Angeſicht ſeyn, und da beſchäftigt mit ſeiner
Erkenntniß, mit ſeinem Willen, mit ſeinem Preis, un-
terrichtet
*)
*) Händen ſeyn ſollte, damit ſie für ſich ſelbſt daraus das
Ganze der Kirche Jeſu Chriſti in Europa und in andern
Welttheilen kennen lernen, und ihren Zuhörern zuweilen
auch hiſtoriſche Unterweiſungen vom Gang der Vorſe-
hung, und beſonders von der Monarchie unſers großen
Erlöſers geben könnten. Lectüre von der Art ſollte doch
billig jedem Landprediger angenehm, und unendlich ſchätz-
barer ſeyn, als die elenden Geſpräche aus dem Reich
der Todten, oder ähnliche verächtliche Dinge, womit ſie
ſich öfters die viele leere Zeit verkürzen. Ein großer
Theil der Gleichgültigkeit gegen den öffentlichen Religions-
unterricht kommt ohne Zweifel auch unter dem Landvolk,
wie in Städten, daher, daß man dem Vortrag, und an-
dern Unterredungen kein Intereſſe aus der Geſchichte,
keine Würze, kein Leben, keinen Reiz der Neuheit ver-
ſchaffen kann. Aber wie iſt das möglich, ohne tägliches
und ernſtliches Studieren?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |