Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Gleichmüthigkeit des Erlösers. sein Eifer in der Religion wachte mehr für die Lauterkeitdes Herzens vor Gott, mehr für die Pflichten der Duld- samkeit, und der brüderlichen Verträglichkeit, als für die Erhaltung der kirchlichen Wörter, und der hergebrachten Gebräuche. Und weil alle seine Schritte von der Klug- heit geleitet waren, so war es nur eine stille erwärmende Glut, kein auffahrendes Feuer, keine Flamme, die plötz- lich groß wird, und alles entzündet. Gerade zu urtheilte unser Erlöser über alles. Ihm war nichts so theuer, als die Wahrheit, aber er wußte auch nicht, was Furcht ist. Sie kam nicht in seine männliche Seele. Wie- wohl er selber im Vaterland eben deswegen, weil er im Vaterland und nicht in einer weiten Ferne gebohren war, verachtet wurde, (Lucä 4, 16-30.) so deckte er doch seinen Landsleuten mit unverstellter Aufrichtigkeit alle ihre Wunden, Laster, Thorheiten und ungereimte Sitten auf, und nichts in der Welt hätte ihn zur Ver- stellung bewegen können. Der geistliche Rath in Je- rusalem ließ dem Weisen, dem Edeln und Göttlichen nach dem Leben trachten, er aber schritt muthvoll über alle Dornen weg, gieng, gleich der Sonne in ihrem Gleise, aller Gegenbestrebungen ungeachtet fort, und warf, wie eine brennende Kerze, seine Strahlen weit um sich herum. Er schmeichelte keinem Menschen, am wenigsten dem Aufgeblasenen, oder gar dem Laster. Seinem Vor- läufer, der an der Kette das Schwerdt erwartete, hielt er in der öffentlichen Volksversammlung eine Lobrede, (Matth. 11.) wiewohl der königliche Hof, wo alles in Wollüsten schwamm, eine Ungnade auf ihn geworfen hatte. Denn bey ihm war ein falscher Schimmer, die leichte Kunst, andern die Zeit zu vertreiben, d. h., sie in einer
Gleichmüthigkeit des Erlöſers. ſein Eifer in der Religion wachte mehr für die Lauterkeitdes Herzens vor Gott, mehr für die Pflichten der Duld- ſamkeit, und der brüderlichen Verträglichkeit, als für die Erhaltung der kirchlichen Wörter, und der hergebrachten Gebräuche. Und weil alle ſeine Schritte von der Klug- heit geleitet waren, ſo war es nur eine ſtille erwärmende Glut, kein auffahrendes Feuer, keine Flamme, die plötz- lich groß wird, und alles entzündet. Gerade zu urtheilte unſer Erlöſer über alles. Ihm war nichts ſo theuer, als die Wahrheit, aber er wußte auch nicht, was Furcht iſt. Sie kam nicht in ſeine männliche Seele. Wie- wohl er ſelber im Vaterland eben deswegen, weil er im Vaterland und nicht in einer weiten Ferne gebohren war, verachtet wurde, (Lucä 4, 16-30.) ſo deckte er doch ſeinen Landsleuten mit unverſtellter Aufrichtigkeit alle ihre Wunden, Laſter, Thorheiten und ungereimte Sitten auf, und nichts in der Welt hätte ihn zur Ver- ſtellung bewegen können. Der geiſtliche Rath in Je- ruſalem ließ dem Weiſen, dem Edeln und Göttlichen nach dem Leben trachten, er aber ſchritt muthvoll über alle Dornen weg, gieng, gleich der Sonne in ihrem Gleiſe, aller Gegenbeſtrebungen ungeachtet fort, und warf, wie eine brennende Kerze, ſeine Strahlen weit um ſich herum. Er ſchmeichelte keinem Menſchen, am wenigſten dem Aufgeblaſenen, oder gar dem Laſter. Seinem Vor- läufer, der an der Kette das Schwerdt erwartete, hielt er in der öffentlichen Volksverſammlung eine Lobrede, (Matth. 11.) wiewohl der königliche Hof, wo alles in Wollüſten ſchwamm, eine Ungnade auf ihn geworfen hatte. Denn bey ihm war ein falſcher Schimmer, die leichte Kunſt, andern die Zeit zu vertreiben, d. h., ſie in einer
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Gleichmüthigkeit des Erlöſers.
ſein Eifer in der Religion wachte mehr für die Lauterkeit
des Herzens vor Gott, mehr für die Pflichten der Duld-
ſamkeit, und der brüderlichen Verträglichkeit, als für die
Erhaltung der kirchlichen Wörter, und der hergebrachten
Gebräuche. Und weil alle ſeine Schritte von der Klug-
heit geleitet waren, ſo war es nur eine ſtille erwärmende
Glut, kein auffahrendes Feuer, keine Flamme, die plötz-
lich groß wird, und alles entzündet. Gerade zu urtheilte
unſer Erlöſer über alles. Ihm war nichts ſo theuer,
als die Wahrheit, aber er wußte auch nicht, was Furcht
iſt. Sie kam nicht in ſeine männliche Seele. Wie-
wohl er ſelber im Vaterland eben deswegen, weil er im
Vaterland und nicht in einer weiten Ferne gebohren
war, verachtet wurde, (Lucä 4, 16-30.) ſo deckte er
doch ſeinen Landsleuten mit unverſtellter Aufrichtigkeit
alle ihre Wunden, Laſter, Thorheiten und ungereimte
Sitten auf, und nichts in der Welt hätte ihn zur Ver-
ſtellung bewegen können. Der geiſtliche Rath in Je-
ruſalem ließ dem Weiſen, dem Edeln und Göttlichen
nach dem Leben trachten, er aber ſchritt muthvoll über
alle Dornen weg, gieng, gleich der Sonne in ihrem Gleiſe,
aller Gegenbeſtrebungen ungeachtet fort, und warf, wie
eine brennende Kerze, ſeine Strahlen weit um ſich herum.
Er ſchmeichelte keinem Menſchen, am wenigſten dem
Aufgeblaſenen, oder gar dem Laſter. Seinem Vor-
läufer, der an der Kette das Schwerdt erwartete, hielt
er in der öffentlichen Volksverſammlung eine Lobrede,
(Matth. 11.) wiewohl der königliche Hof, wo alles in
Wollüſten ſchwamm, eine Ungnade auf ihn geworfen
hatte. Denn bey ihm war ein falſcher Schimmer, die
leichte Kunſt, andern die Zeit zu vertreiben, d. h., ſie in
einer
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