Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Gleichmüthigkeit des Erlösers. ter dem Titel, unter der Ehrenstelle, die sie erschlichenhaben, ihre Ungeschicklichkeit und ihre Unarten? Wer- den nicht oft Menschen, die die wichtigsten Dienste hät- ten leisten können, durch die Last der Geschäfte, wie eine unreife Frucht vor der Zeit ins Grab gebracht? Wie oft entreißt der Tod dem Vater seine einzige Freude, den Kindern ihre Mutter, und vielen andern Menschen ihre Stütze, ihren Freund! Sehen wir nicht oft solche be- daurenswürdige Häuser, die die Wohnungen des Elends, der Krankheiten, und des kläglichsten Mißmuths zu seyn scheinen? Tragen nicht viele gute Menschen, aber schwa- che Werkzeuge, so lang sie leben, die schwersten Bürden mit sich herum, und suchen oft, wenn andre im Rausch der Vergnügungen bis um Mitternacht herumtaumeln, eine verschwiegene Stille, wo sie, nur von Gott beobach- tet, sich ausweinen, und in diesen herabströmenden Thrä- nen Linderung für den Schmerz, der ihr Innerstes zer- reißt, Kindern weg, wie er eben auf den Platz kam, wo er et-
was für ihre Erziehung hätte sammlen können; und hier wächst in einer kinderlosen Ehe das Vermögen, wie Schnee- ballen im Fortrollen immer größer wachsen, und eine Erb- schaft fällt ihnen nach der andern zu. Dort wird die Mut- ter wahnwitzig, und muß, wie ein rasendes Thier an Ket- ten liegen; hier stirbt dem Vater, der so gerne gute Kin- der erzöge, auch der letzte Zweig seines Stammes -- Das ist die Haushaltung Gottes. Man sage es nur den jungen Menschen bey Zeiten, daß das Wenigste wahr wird, was man von der Gewißheit der äußerlichen irrdischen Velohnungen der Rechtschaffenheit, und des unermüdeten Fleißes ihnen oft vorsagt, damit sie nicht be- trogen werden. Gleichmüthigkeit des Erlöſers. ter dem Titel, unter der Ehrenſtelle, die ſie erſchlichenhaben, ihre Ungeſchicklichkeit und ihre Unarten? Wer- den nicht oft Menſchen, die die wichtigſten Dienſte hät- ten leiſten können, durch die Laſt der Geſchäfte, wie eine unreife Frucht vor der Zeit ins Grab gebracht? Wie oft entreißt der Tod dem Vater ſeine einzige Freude, den Kindern ihre Mutter, und vielen andern Menſchen ihre Stütze, ihren Freund! Sehen wir nicht oft ſolche be- daurenswürdige Häuſer, die die Wohnungen des Elends, der Krankheiten, und des kläglichſten Mißmuths zu ſeyn ſcheinen? Tragen nicht viele gute Menſchen, aber ſchwa- che Werkzeuge, ſo lang ſie leben, die ſchwerſten Bürden mit ſich herum, und ſuchen oft, wenn andre im Rauſch der Vergnügungen bis um Mitternacht herumtaumeln, eine verſchwiegene Stille, wo ſie, nur von Gott beobach- tet, ſich ausweinen, und in dieſen herabſtrömenden Thrä- nen Linderung für den Schmerz, der ihr Innerſtes zer- reißt, Kindern weg, wie er eben auf den Platz kam, wo er et-
was für ihre Erziehung hätte ſammlen können; und hier wächſt in einer kinderloſen Ehe das Vermögen, wie Schnee- ballen im Fortrollen immer größer wachſen, und eine Erb- ſchaft fällt ihnen nach der andern zu. Dort wird die Mut- ter wahnwitzig, und muß, wie ein raſendes Thier an Ket- ten liegen; hier ſtirbt dem Vater, der ſo gerne gute Kin- der erzöge, auch der letzte Zweig ſeines Stammes — Das iſt die Haushaltung Gottes. Man ſage es nur den jungen Menſchen bey Zeiten, daß das Wenigſte wahr wird, was man von der Gewißheit der äußerlichen irrdiſchen Velohnungen der Rechtſchaffenheit, und des unermüdeten Fleißes ihnen oft vorſagt, damit ſie nicht be- trogen werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0270" n="264"/><fw place="top" type="header">Gleichmüthigkeit des Erlöſers.</fw><lb/> ter dem Titel, unter der Ehrenſtelle, die ſie erſchlichen<lb/> haben, ihre Ungeſchicklichkeit und ihre Unarten? Wer-<lb/> den nicht oft Menſchen, die die wichtigſten Dienſte hät-<lb/> ten leiſten können, durch die Laſt der Geſchäfte, wie eine<lb/> unreife Frucht vor der Zeit ins Grab gebracht? Wie oft<lb/> entreißt der Tod dem Vater ſeine einzige Freude, den<lb/> Kindern ihre Mutter, und vielen andern Menſchen ihre<lb/> Stütze, ihren Freund! Sehen wir nicht oft ſolche be-<lb/> daurenswürdige Häuſer, die die Wohnungen des Elends,<lb/> der Krankheiten, und des kläglichſten Mißmuths zu ſeyn<lb/> ſcheinen? Tragen nicht viele gute Menſchen, aber ſchwa-<lb/> che Werkzeuge, ſo lang ſie leben, die ſchwerſten Bürden<lb/> mit ſich herum, und ſuchen oft, wenn andre im Rauſch<lb/> der Vergnügungen bis um Mitternacht herumtaumeln,<lb/> eine verſchwiegene Stille, wo ſie, nur von Gott beobach-<lb/> tet, ſich ausweinen, und in dieſen herabſtrömenden Thrä-<lb/> nen Linderung für den Schmerz, der ihr Innerſtes zer-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">reißt,</fw><lb/><note xml:id="n06b" prev="#n06a" place="foot" n="*)">Kindern weg, wie er eben auf den Platz kam, wo er et-<lb/> was für ihre Erziehung hätte ſammlen können; und hier<lb/> wächſt in einer kinderloſen Ehe das Vermögen, wie Schnee-<lb/> ballen im Fortrollen immer größer wachſen, und eine Erb-<lb/> ſchaft fällt ihnen nach der andern zu. Dort wird die Mut-<lb/> ter wahnwitzig, und muß, wie ein raſendes Thier an Ket-<lb/> ten liegen; hier ſtirbt dem Vater, der ſo gerne gute Kin-<lb/> der erzöge, auch der letzte Zweig ſeines Stammes —<lb/> Das iſt die Haushaltung Gottes. Man ſage es nur<lb/> den jungen Menſchen bey Zeiten, daß das Wenigſte wahr<lb/> wird, was man von der <hi rendition="#fr">Gewißheit</hi> der <hi rendition="#fr">äußerlichen<lb/> irrdiſchen</hi> Velohnungen der Rechtſchaffenheit, und des<lb/> unermüdeten Fleißes ihnen oft vorſagt, damit ſie nicht be-<lb/> trogen werden.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [264/0270]
Gleichmüthigkeit des Erlöſers.
ter dem Titel, unter der Ehrenſtelle, die ſie erſchlichen
haben, ihre Ungeſchicklichkeit und ihre Unarten? Wer-
den nicht oft Menſchen, die die wichtigſten Dienſte hät-
ten leiſten können, durch die Laſt der Geſchäfte, wie eine
unreife Frucht vor der Zeit ins Grab gebracht? Wie oft
entreißt der Tod dem Vater ſeine einzige Freude, den
Kindern ihre Mutter, und vielen andern Menſchen ihre
Stütze, ihren Freund! Sehen wir nicht oft ſolche be-
daurenswürdige Häuſer, die die Wohnungen des Elends,
der Krankheiten, und des kläglichſten Mißmuths zu ſeyn
ſcheinen? Tragen nicht viele gute Menſchen, aber ſchwa-
che Werkzeuge, ſo lang ſie leben, die ſchwerſten Bürden
mit ſich herum, und ſuchen oft, wenn andre im Rauſch
der Vergnügungen bis um Mitternacht herumtaumeln,
eine verſchwiegene Stille, wo ſie, nur von Gott beobach-
tet, ſich ausweinen, und in dieſen herabſtrömenden Thrä-
nen Linderung für den Schmerz, der ihr Innerſtes zer-
reißt,
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*) Kindern weg, wie er eben auf den Platz kam, wo er et-
was für ihre Erziehung hätte ſammlen können; und hier
wächſt in einer kinderloſen Ehe das Vermögen, wie Schnee-
ballen im Fortrollen immer größer wachſen, und eine Erb-
ſchaft fällt ihnen nach der andern zu. Dort wird die Mut-
ter wahnwitzig, und muß, wie ein raſendes Thier an Ket-
ten liegen; hier ſtirbt dem Vater, der ſo gerne gute Kin-
der erzöge, auch der letzte Zweig ſeines Stammes —
Das iſt die Haushaltung Gottes. Man ſage es nur
den jungen Menſchen bey Zeiten, daß das Wenigſte wahr
wird, was man von der Gewißheit der äußerlichen
irrdiſchen Velohnungen der Rechtſchaffenheit, und des
unermüdeten Fleißes ihnen oft vorſagt, damit ſie nicht be-
trogen werden.
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