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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Unsre Beruhigung beym Willen Gottes.
reißt, finden können? Werden nicht viele von der Wol-
lust, von der Treulosigkeit anderer verführt, weil sie die
falsche Sprache, die bezaubernden Geschwätze, die ver-
gifteten Liebkosungen, die höllischen Schmeicheleyen des
Nichtswürdigen nicht gekannt haben? Beschweren sich
nicht oft die frömmsten, die besten Menschen über den
Lauf der Dinge in der Welt? Wie wenig Jahre, wie
wenig Erfahrung braucht man, um das Mißvergnügen,
den Unmuth und die Unzufriedenheit der meisten Men-
schen einzusehen. Man wird wahrlich, wenn man an
den Dank, den wir Gott in allen Stunden schuldig sind,
und an die großen und unaufhörlich daurenden Wohltha-
ten Jesu Christi denkt, ungewiß, ob man die auch noch
Christen nennen soll, die beständig so unruhig und unwil-
lig sind. Scheint es nicht, als wenn die selige Zu-
friedenheit der Christen mit dem Willen Gottes beynahe
ausgerottet, und verschwunden sey?

Wollen wir dieser Krankheit, die leider! so allge-
mein ist, entgehen, so müssen wir das bisherige Verhal-
ten Gottes gegen uns mit sanfter kindlicher Billigung
ansehen; müssen mit demüthiger Unterwerfung den trö-
stenden Gedanken in uns festgründen, daß Gott weiser
sey, als wir, daß er uns besser, genauer kenne, als wir
selber, daß er überall die besten Gesinnungen gegen uns
habe, und gewiß am Wohlstand seiner Geschöpfe Freude
und Vergnügen finde; müssen uns die Versicherung der
Religion tief einprägen, daß ihm alle, auch unsre ge-
ringste Angelegenheiten, Bedürfnisse, Mängel, Gebre-
chen, Kummer, Sorgen, Schwachheiten, Wünsche
und Seufzer bekannt sind, daß unser ganzes Leben von

seiner
R 5

Unſre Beruhigung beym Willen Gottes.
reißt, finden können? Werden nicht viele von der Wol-
luſt, von der Treuloſigkeit anderer verführt, weil ſie die
falſche Sprache, die bezaubernden Geſchwätze, die ver-
gifteten Liebkoſungen, die hölliſchen Schmeicheleyen des
Nichtswürdigen nicht gekannt haben? Beſchweren ſich
nicht oft die frömmſten, die beſten Menſchen über den
Lauf der Dinge in der Welt? Wie wenig Jahre, wie
wenig Erfahrung braucht man, um das Mißvergnügen,
den Unmuth und die Unzufriedenheit der meiſten Men-
ſchen einzuſehen. Man wird wahrlich, wenn man an
den Dank, den wir Gott in allen Stunden ſchuldig ſind,
und an die großen und unaufhörlich daurenden Wohltha-
ten Jeſu Chriſti denkt, ungewiß, ob man die auch noch
Chriſten nennen ſoll, die beſtändig ſo unruhig und unwil-
lig ſind. Scheint es nicht, als wenn die ſelige Zu-
friedenheit der Chriſten mit dem Willen Gottes beynahe
ausgerottet, und verſchwunden ſey?

Wollen wir dieſer Krankheit, die leider! ſo allge-
mein iſt, entgehen, ſo müſſen wir das bisherige Verhal-
ten Gottes gegen uns mit ſanfter kindlicher Billigung
anſehen; müſſen mit demüthiger Unterwerfung den trö-
ſtenden Gedanken in uns feſtgründen, daß Gott weiſer
ſey, als wir, daß er uns beſſer, genauer kenne, als wir
ſelber, daß er überall die beſten Geſinnungen gegen uns
habe, und gewiß am Wohlſtand ſeiner Geſchöpfe Freude
und Vergnügen finde; müſſen uns die Verſicherung der
Religion tief einprägen, daß ihm alle, auch unſre ge-
ringſte Angelegenheiten, Bedürfniſſe, Mängel, Gebre-
chen, Kummer, Sorgen, Schwachheiten, Wünſche
und Seufzer bekannt ſind, daß unſer ganzes Leben von

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[265/0271] Unſre Beruhigung beym Willen Gottes. reißt, finden können? Werden nicht viele von der Wol- luſt, von der Treuloſigkeit anderer verführt, weil ſie die falſche Sprache, die bezaubernden Geſchwätze, die ver- gifteten Liebkoſungen, die hölliſchen Schmeicheleyen des Nichtswürdigen nicht gekannt haben? Beſchweren ſich nicht oft die frömmſten, die beſten Menſchen über den Lauf der Dinge in der Welt? Wie wenig Jahre, wie wenig Erfahrung braucht man, um das Mißvergnügen, den Unmuth und die Unzufriedenheit der meiſten Men- ſchen einzuſehen. Man wird wahrlich, wenn man an den Dank, den wir Gott in allen Stunden ſchuldig ſind, und an die großen und unaufhörlich daurenden Wohltha- ten Jeſu Chriſti denkt, ungewiß, ob man die auch noch Chriſten nennen ſoll, die beſtändig ſo unruhig und unwil- lig ſind. Scheint es nicht, als wenn die ſelige Zu- friedenheit der Chriſten mit dem Willen Gottes beynahe ausgerottet, und verſchwunden ſey? Wollen wir dieſer Krankheit, die leider! ſo allge- mein iſt, entgehen, ſo müſſen wir das bisherige Verhal- ten Gottes gegen uns mit ſanfter kindlicher Billigung anſehen; müſſen mit demüthiger Unterwerfung den trö- ſtenden Gedanken in uns feſtgründen, daß Gott weiſer ſey, als wir, daß er uns beſſer, genauer kenne, als wir ſelber, daß er überall die beſten Geſinnungen gegen uns habe, und gewiß am Wohlſtand ſeiner Geſchöpfe Freude und Vergnügen finde; müſſen uns die Verſicherung der Religion tief einprägen, daß ihm alle, auch unſre ge- ringſte Angelegenheiten, Bedürfniſſe, Mängel, Gebre- chen, Kummer, Sorgen, Schwachheiten, Wünſche und Seufzer bekannt ſind, daß unſer ganzes Leben von ſeiner R 5

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/271>, abgerufen am 23.06.2024.