Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Frömmigkeit des Erlös. Unsre Gleichgült. brüten kann, angegriffen wird. Oft vergrößern wir nochdas Hohnlachen der Unwissenden, und werfen das Kleinod selber hin in Strom. Oft wissen wir unsern Unterre- dungen kein andres Salz, keine beßre Würze zu geben, als solche lächerliche, tausendmal schon wiedergekäute, und zehntausendmal schon vernichtete Angriffe auf die Reli- gion, und oft triumphiren wir schon insgeheim über un- sern Sieg, als wenn eine starke Mauer deswegen gleich einstürzte, weil ein leichter Wind an ihr anstoßt! Das thun wir, und treten dann wieder her, und bekennen, daß alle unsre Ruhe und Glückseligkeit an der Religion Jesu Christi hänge; bekennen -- ach, ihr kühne Menschen! deren Leben auf dem Lauf eines Blutstropfen beruht! Jhr spottet Gott! -- bekennen, daß der Gott, dem wir ins Angesicht widersprechen und lachen lassen, unsers Her- zens Trost, und unsre Freude seyn soll -- Welche Wi- dersprüche! Welch ein elender wankender Verstand, der bald so, bald anders denkt! Sind das die Leute, die sich selbst zu Meistern in der Religion aufwerfen, die ihr Wissen aus der Tiefe wollen geschöpft haben, und die doch selber alles nur nach der Oberfläche, nach der Aus- senseite, nach den schielenden Begriffen, die sie haben, beurtheilen wollen? Jhr, die ihr euch in diesem Bild erkennen müsset, tretet doch neben das Gemälde des Er- lösers. Wie wenig gleicht ihr ihm! Wie wenig Ueber- einstimmung zwischen dem Namen, den ihr tragt, und zwischen der wahren Gesinnung, die ihr im Jnwendigen verschließt! Giebt es nicht oft Menschen, die nicht nur der Religion, die sogar der Menschheit Schande ma- chen? Klagen nicht viele mit Recht über den Stolz, über die Unfreundlichkeit, über die Ungerechtigkeit andrer? Es
Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült. brüten kann, angegriffen wird. Oft vergrößern wir nochdas Hohnlachen der Unwiſſenden, und werfen das Kleinod ſelber hin in Strom. Oft wiſſen wir unſern Unterre- dungen kein andres Salz, keine beßre Würze zu geben, als ſolche lächerliche, tauſendmal ſchon wiedergekäute, und zehntauſendmal ſchon vernichtete Angriffe auf die Reli- gion, und oft triumphiren wir ſchon insgeheim über un- ſern Sieg, als wenn eine ſtarke Mauer deswegen gleich einſtürzte, weil ein leichter Wind an ihr anſtoßt! Das thun wir, und treten dann wieder her, und bekennen, daß alle unſre Ruhe und Glückſeligkeit an der Religion Jeſu Chriſti hänge; bekennen — ach, ihr kühne Menſchen! deren Leben auf dem Lauf eines Blutstropfen beruht! Jhr ſpottet Gott! — bekennen, daß der Gott, dem wir ins Angeſicht widerſprechen und lachen laſſen, unſers Her- zens Troſt, und unſre Freude ſeyn ſoll — Welche Wi- derſprüche! Welch ein elender wankender Verſtand, der bald ſo, bald anders denkt! Sind das die Leute, die ſich ſelbſt zu Meiſtern in der Religion aufwerfen, die ihr Wiſſen aus der Tiefe wollen geſchöpft haben, und die doch ſelber alles nur nach der Oberfläche, nach der Auſ- ſenſeite, nach den ſchielenden Begriffen, die ſie haben, beurtheilen wollen? Jhr, die ihr euch in dieſem Bild erkennen müſſet, tretet doch neben das Gemälde des Er- löſers. Wie wenig gleicht ihr ihm! Wie wenig Ueber- einſtimmung zwiſchen dem Namen, den ihr tragt, und zwiſchen der wahren Geſinnung, die ihr im Jnwendigen verſchließt! Giebt es nicht oft Menſchen, die nicht nur der Religion, die ſogar der Menſchheit Schande ma- chen? Klagen nicht viele mit Recht über den Stolz, über die Unfreundlichkeit, über die Ungerechtigkeit andrer? Es
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Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült.
brüten kann, angegriffen wird. Oft vergrößern wir noch
das Hohnlachen der Unwiſſenden, und werfen das Kleinod
ſelber hin in Strom. Oft wiſſen wir unſern Unterre-
dungen kein andres Salz, keine beßre Würze zu geben,
als ſolche lächerliche, tauſendmal ſchon wiedergekäute, und
zehntauſendmal ſchon vernichtete Angriffe auf die Reli-
gion, und oft triumphiren wir ſchon insgeheim über un-
ſern Sieg, als wenn eine ſtarke Mauer deswegen gleich
einſtürzte, weil ein leichter Wind an ihr anſtoßt! Das
thun wir, und treten dann wieder her, und bekennen, daß
alle unſre Ruhe und Glückſeligkeit an der Religion Jeſu
Chriſti hänge; bekennen — ach, ihr kühne Menſchen!
deren Leben auf dem Lauf eines Blutstropfen beruht!
Jhr ſpottet Gott! — bekennen, daß der Gott, dem wir
ins Angeſicht widerſprechen und lachen laſſen, unſers Her-
zens Troſt, und unſre Freude ſeyn ſoll — Welche Wi-
derſprüche! Welch ein elender wankender Verſtand, der
bald ſo, bald anders denkt! Sind das die Leute, die ſich
ſelbſt zu Meiſtern in der Religion aufwerfen, die ihr
Wiſſen aus der Tiefe wollen geſchöpft haben, und die
doch ſelber alles nur nach der Oberfläche, nach der Auſ-
ſenſeite, nach den ſchielenden Begriffen, die ſie haben,
beurtheilen wollen? Jhr, die ihr euch in dieſem Bild
erkennen müſſet, tretet doch neben das Gemälde des Er-
löſers. Wie wenig gleicht ihr ihm! Wie wenig Ueber-
einſtimmung zwiſchen dem Namen, den ihr tragt, und
zwiſchen der wahren Geſinnung, die ihr im Jnwendigen
verſchließt! Giebt es nicht oft Menſchen, die nicht nur
der Religion, die ſogar der Menſchheit Schande ma-
chen? Klagen nicht viele mit Recht über den Stolz, über
die Unfreundlichkeit, über die Ungerechtigkeit andrer?
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