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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Frömmigkeit des Erlös. Unsre Gleichgült.

Die fromme Seele des Erlösers glühte von edlem
Eifer, aber die Gleichgültigen in der Religion em-
pfinden nichts, wenn der Glaube der Christen
durch sie selbst, oder durch andre mißhandelt wird.
Ein gutgesinntes Kind wird schamroth, so bald es merkt,
daß es den Unwillen des Vaters verdient habe. Ein
redlicher Unterthan, der seinen Fürsten liebt, wird unwil-
lig, wenn ein Nichtswürdiger seine Regierung tadelt,
und seine Vefehle durchzieht. Jeder Freund wird warm,
wenn er die Verläumdung ihr Gift an seinen Freund aus-
speyen sieht. Gott ist unser Vater, Jesus Christus ist
unser König und Herr, und zugleich unser größter Freund
und Wohlthäter. Aber wo ist Zärtlichkeit, wo ist Liebe,
wo ist frommer heiliger Eifer für seine Ehre? Mißhan-
deln nicht viele die Religion ohne Scham und Furcht in
Gesellschaften? Bleiben nicht die meisten kalt und un-
gerührt, wenn ein Stück des Glaubens, eine Stelle im
Wort Gottes, eine Person aus der heiligen Geschichte,
wenn etwas, das den Christen ehrwürdig seyn soll, zum
Gelächter aufgestellt wird? Wir empfinden oft nichts da-
bey, wenn unsre geschworne Gelübde an den nächsten
Schwierigkeiten wieder zertrümmern. Es schmerzt uns
nicht, wenn wir am Abend zum Gebet nicht tüchtig sind.
Wir rechnen es nicht, wenn wir in unzähligen Fällen ge-
rade das Gegentheil von dem thun, was unser Erlöser
gethan haben würde. Wir zürnen nicht, wir geben
nicht einmal durch eine ernsthafte Mine unser Mißfallen
zu verstehen, wenn ein klares Gesetz Jesu Christi ver-
dreht, beschimpft, mit spitzigen Worten, mit schaalem
kindischem Witz, mit elenden Spöttereyen, mit aberwi-
tzigen Einfällen, die die zügelloseste Einbildung nur aus-

brüten
E 3
Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült.

Die fromme Seele des Erlöſers glühte von edlem
Eifer, aber die Gleichgültigen in der Religion em-
pfinden nichts, wenn der Glaube der Chriſten
durch ſie ſelbſt, oder durch andre mißhandelt wird.
Ein gutgeſinntes Kind wird ſchamroth, ſo bald es merkt,
daß es den Unwillen des Vaters verdient habe. Ein
redlicher Unterthan, der ſeinen Fürſten liebt, wird unwil-
lig, wenn ein Nichtswürdiger ſeine Regierung tadelt,
und ſeine Vefehle durchzieht. Jeder Freund wird warm,
wenn er die Verläumdung ihr Gift an ſeinen Freund aus-
ſpeyen ſieht. Gott iſt unſer Vater, Jeſus Chriſtus iſt
unſer König und Herr, und zugleich unſer größter Freund
und Wohlthäter. Aber wo iſt Zärtlichkeit, wo iſt Liebe,
wo iſt frommer heiliger Eifer für ſeine Ehre? Mißhan-
deln nicht viele die Religion ohne Scham und Furcht in
Geſellſchaften? Bleiben nicht die meiſten kalt und un-
gerührt, wenn ein Stück des Glaubens, eine Stelle im
Wort Gottes, eine Perſon aus der heiligen Geſchichte,
wenn etwas, das den Chriſten ehrwürdig ſeyn ſoll, zum
Gelächter aufgeſtellt wird? Wir empfinden oft nichts da-
bey, wenn unſre geſchworne Gelübde an den nächſten
Schwierigkeiten wieder zertrümmern. Es ſchmerzt uns
nicht, wenn wir am Abend zum Gebet nicht tüchtig ſind.
Wir rechnen es nicht, wenn wir in unzähligen Fällen ge-
rade das Gegentheil von dem thun, was unſer Erlöſer
gethan haben würde. Wir zürnen nicht, wir geben
nicht einmal durch eine ernſthafte Mine unſer Mißfallen
zu verſtehen, wenn ein klares Geſetz Jeſu Chriſti ver-
dreht, beſchimpft, mit ſpitzigen Worten, mit ſchaalem
kindiſchem Witz, mit elenden Spöttereyen, mit aberwi-
tzigen Einfällen, die die zügelloſeſte Einbildung nur aus-

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[69/0075] Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült. Die fromme Seele des Erlöſers glühte von edlem Eifer, aber die Gleichgültigen in der Religion em- pfinden nichts, wenn der Glaube der Chriſten durch ſie ſelbſt, oder durch andre mißhandelt wird. Ein gutgeſinntes Kind wird ſchamroth, ſo bald es merkt, daß es den Unwillen des Vaters verdient habe. Ein redlicher Unterthan, der ſeinen Fürſten liebt, wird unwil- lig, wenn ein Nichtswürdiger ſeine Regierung tadelt, und ſeine Vefehle durchzieht. Jeder Freund wird warm, wenn er die Verläumdung ihr Gift an ſeinen Freund aus- ſpeyen ſieht. Gott iſt unſer Vater, Jeſus Chriſtus iſt unſer König und Herr, und zugleich unſer größter Freund und Wohlthäter. Aber wo iſt Zärtlichkeit, wo iſt Liebe, wo iſt frommer heiliger Eifer für ſeine Ehre? Mißhan- deln nicht viele die Religion ohne Scham und Furcht in Geſellſchaften? Bleiben nicht die meiſten kalt und un- gerührt, wenn ein Stück des Glaubens, eine Stelle im Wort Gottes, eine Perſon aus der heiligen Geſchichte, wenn etwas, das den Chriſten ehrwürdig ſeyn ſoll, zum Gelächter aufgeſtellt wird? Wir empfinden oft nichts da- bey, wenn unſre geſchworne Gelübde an den nächſten Schwierigkeiten wieder zertrümmern. Es ſchmerzt uns nicht, wenn wir am Abend zum Gebet nicht tüchtig ſind. Wir rechnen es nicht, wenn wir in unzähligen Fällen ge- rade das Gegentheil von dem thun, was unſer Erlöſer gethan haben würde. Wir zürnen nicht, wir geben nicht einmal durch eine ernſthafte Mine unſer Mißfallen zu verſtehen, wenn ein klares Geſetz Jeſu Chriſti ver- dreht, beſchimpft, mit ſpitzigen Worten, mit ſchaalem kindiſchem Witz, mit elenden Spöttereyen, mit aberwi- tzigen Einfällen, die die zügelloſeſte Einbildung nur aus- brüten E 3

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/75>, abgerufen am 21.11.2024.