Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Frömmigkeit des Erlös. Unsre Gleichgült. Religion wog Er alles ab. Als Er einmal eine ganzvortreffliche Rede gehalten hatte, und jeder fühlte, daß ihnen bisher ein Lehrer von der Art gefehlt hatte, der so recht die Bedürfnisse, die schweren Bürden, die Klippen, die Möglichkeit und das Unglück des Rückfalls, und den Gang des menschlichen Herzens kannte, da konnte eine Frau ihre Dankbarkeit nicht zurückhalten. Die Be- wunderung war zu groß, als daß sie hätte schweigen kön- nen. Da sie ohne Zweifel selbst Mutter war, so stellt sie sich das unnennbare Vergnügen der Mutter vor, die diesen Sohn gebohren, und aus ihrer Brust getränkt hatte. Jn der Entzückung wünscht sie sich an ihrem Platz zu seyn, und meynet, daß diese glückliche Frau ei- nen ganz besonderen Rang, ausserordentliche Vorzüge und Seligkeiten genießen müßte. Unser Erlöser hört dies, und giebt ihr sogleich die Versicherung, daß eben diese Ruhe, diese Erhebung des Menschen allen folgsa- men Schülern seiner Religion zu Theil werden könne. (s. Luc. 11, 27. 28.) Die besonderen Auszeichnungen ei- nes Menschen vor dem andern, sagt er, gehören in die Haushaltung Gottes, wo er, als Souverain, frey und allmächtig herrscht. Aber Religion und ihre selige Fol- gen ist ein allgemeines Eigenthum. Ein gehorsames und williges Herz kann jeder haben, und das ist alles, was Gott von seinen Menschen fodert. Selig sind, die Gottes Wort hören, und bewahren! Vortreff- licher Ausspruch Jesu Christi, der dem geringsten Men- schen in der Welt Muth machen, und den, der am mei- sten Gaben, Vorzüge und Güter hat, Vorsicht lehren muß! Eben so erklärte Er sich auch einmal, als man ihn E 5
Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült. Religion wog Er alles ab. Als Er einmal eine ganzvortreffliche Rede gehalten hatte, und jeder fühlte, daß ihnen bisher ein Lehrer von der Art gefehlt hatte, der ſo recht die Bedürfniſſe, die ſchweren Bürden, die Klippen, die Möglichkeit und das Unglück des Rückfalls, und den Gang des menſchlichen Herzens kannte, da konnte eine Frau ihre Dankbarkeit nicht zurückhalten. Die Be- wunderung war zu groß, als daß ſie hätte ſchweigen kön- nen. Da ſie ohne Zweifel ſelbſt Mutter war, ſo ſtellt ſie ſich das unnennbare Vergnügen der Mutter vor, die dieſen Sohn gebohren, und aus ihrer Bruſt getränkt hatte. Jn der Entzückung wünſcht ſie ſich an ihrem Platz zu ſeyn, und meynet, daß dieſe glückliche Frau ei- nen ganz beſonderen Rang, auſſerordentliche Vorzüge und Seligkeiten genießen müßte. Unſer Erlöſer hört dies, und giebt ihr ſogleich die Verſicherung, daß eben dieſe Ruhe, dieſe Erhebung des Menſchen allen folgſa- men Schülern ſeiner Religion zu Theil werden könne. (ſ. Luc. 11, 27. 28.) Die beſonderen Auszeichnungen ei- nes Menſchen vor dem andern, ſagt er, gehören in die Haushaltung Gottes, wo er, als Souverain, frey und allmächtig herrſcht. Aber Religion und ihre ſelige Fol- gen iſt ein allgemeines Eigenthum. Ein gehorſames und williges Herz kann jeder haben, und das iſt alles, was Gott von ſeinen Menſchen fodert. Selig ſind, die Gottes Wort hören, und bewahren! Vortreff- licher Ausſpruch Jeſu Chriſti, der dem geringſten Men- ſchen in der Welt Muth machen, und den, der am mei- ſten Gaben, Vorzüge und Güter hat, Vorſicht lehren muß! Eben ſo erklärte Er ſich auch einmal, als man ihn E 5
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Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült.
Religion wog Er alles ab. Als Er einmal eine ganz
vortreffliche Rede gehalten hatte, und jeder fühlte, daß
ihnen bisher ein Lehrer von der Art gefehlt hatte, der ſo
recht die Bedürfniſſe, die ſchweren Bürden, die Klippen,
die Möglichkeit und das Unglück des Rückfalls, und den
Gang des menſchlichen Herzens kannte, da konnte eine
Frau ihre Dankbarkeit nicht zurückhalten. Die Be-
wunderung war zu groß, als daß ſie hätte ſchweigen kön-
nen. Da ſie ohne Zweifel ſelbſt Mutter war, ſo ſtellt
ſie ſich das unnennbare Vergnügen der Mutter vor, die
dieſen Sohn gebohren, und aus ihrer Bruſt getränkt
hatte. Jn der Entzückung wünſcht ſie ſich an ihrem
Platz zu ſeyn, und meynet, daß dieſe glückliche Frau ei-
nen ganz beſonderen Rang, auſſerordentliche Vorzüge
und Seligkeiten genießen müßte. Unſer Erlöſer hört
dies, und giebt ihr ſogleich die Verſicherung, daß eben
dieſe Ruhe, dieſe Erhebung des Menſchen allen folgſa-
men Schülern ſeiner Religion zu Theil werden könne.
(ſ. Luc. 11, 27. 28.) Die beſonderen Auszeichnungen ei-
nes Menſchen vor dem andern, ſagt er, gehören in die
Haushaltung Gottes, wo er, als Souverain, frey und
allmächtig herrſcht. Aber Religion und ihre ſelige Fol-
gen iſt ein allgemeines Eigenthum. Ein gehorſames
und williges Herz kann jeder haben, und das iſt alles,
was Gott von ſeinen Menſchen fodert. Selig ſind,
die Gottes Wort hören, und bewahren! Vortreff-
licher Ausſpruch Jeſu Chriſti, der dem geringſten Men-
ſchen in der Welt Muth machen, und den, der am mei-
ſten Gaben, Vorzüge und Güter hat, Vorſicht lehren
muß! Eben ſo erklärte Er ſich auch einmal, als man
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