Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Frömmigkeit des Erlös. Unsre Gleichgült. ihn von seinen Amtsarbeiten wegrufen wollte, um unterseinen Verwandten zu seyn, deren Erkenntniß gar lang- sam wuchs, die vermuthlich nur immer Wunder von ihm sehen wollten, als wenn er einer von den Gaukelspielern und Tausendkünstlern wäre, um deren Bude sich der gaffende Pöbel auf den Marktplätzen sammlet. Er ver- achtete seine Mutter nicht, das glaubte Maria selber, und wir wissen aus seiner Leidensgeschichte, daß die engsten Bande wodurch diese beyden Herzen zusammenhingen, bis in Tod dauerten. Nur in seine Berufsgeschäfte sollte woder sie, noch die Blutsverwandte die Hand le- gen. Sie konnte ihm nichts vorschreiben, ihr ängstli- ches Treiben und Zittern war gemeiniglich überflüßig, weil sein Plan schon lange entworfen war, wenn sie glaub- ten, daß sie ihn erst erinnern müßten, (Joh. 2, 1-11.) und da es ihm ganz allein um Ausbreitung der Wahr- heit, und um Pflanzung der Gottseligkeit durch Erkenntniß Gottes zu thun war, so konnte er es dem Volk der Ju- den, das von seinem ersten Entstehen an auf solche zufäl- lige Dinge, auf die Abstammung vom Abraham sehr ge- trotzt hatte, nicht genug sagen, daß in der Haushaltung Gottes, die er errichten sollte, die leibliche Verbindung mit ihm den Rang nicht bestimme. Er übersah also mit ungemeiner Liebenswürdigkeit, und mit dem Gesicht, dessen unwiderstehliche Holdseligkeit ihm so oft alle Her- zen erwarb, den Kreis der Zuschauer, die sich aus allen Orten her versammlet hatten. Seht, sagt er, wenn ihr meiner Religion euch unterwerft, so seyd ihr mir so werth, als wenn ich von eurem Blut Blut in meinen Adern hätte. (Marci 3, 31-34. Matth. 12, 46-50.
Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült. ihn von ſeinen Amtsarbeiten wegrufen wollte, um unterſeinen Verwandten zu ſeyn, deren Erkenntniß gar lang- ſam wuchs, die vermuthlich nur immer Wunder von ihm ſehen wollten, als wenn er einer von den Gaukelſpielern und Tauſendkünſtlern wäre, um deren Bude ſich der gaffende Pöbel auf den Marktplätzen ſammlet. Er ver- achtete ſeine Mutter nicht, das glaubte Maria ſelber, und wir wiſſen aus ſeiner Leidensgeſchichte, daß die engſten Bande wodurch dieſe beyden Herzen zuſammenhingen, bis in Tod dauerten. Nur in ſeine Berufsgeſchäfte ſollte woder ſie, noch die Blutsverwandte die Hand le- gen. Sie konnte ihm nichts vorſchreiben, ihr ängſtli- ches Treiben und Zittern war gemeiniglich überflüßig, weil ſein Plan ſchon lange entworfen war, wenn ſie glaub- ten, daß ſie ihn erſt erinnern müßten, (Joh. 2, 1-11.) und da es ihm ganz allein um Ausbreitung der Wahr- heit, und um Pflanzung der Gottſeligkeit durch Erkenntniß Gottes zu thun war, ſo konnte er es dem Volk der Ju- den, das von ſeinem erſten Entſtehen an auf ſolche zufäl- lige Dinge, auf die Abſtammung vom Abraham ſehr ge- trotzt hatte, nicht genug ſagen, daß in der Haushaltung Gottes, die er errichten ſollte, die leibliche Verbindung mit ihm den Rang nicht beſtimme. Er überſah alſo mit ungemeiner Liebenswürdigkeit, und mit dem Geſicht, deſſen unwiderſtehliche Holdſeligkeit ihm ſo oft alle Her- zen erwarb, den Kreis der Zuſchauer, die ſich aus allen Orten her verſammlet hatten. Seht, ſagt er, wenn ihr meiner Religion euch unterwerft, ſo ſeyd ihr mir ſo werth, als wenn ich von eurem Blut Blut in meinen Adern hätte. (Marci 3, 31-34. Matth. 12, 46-50.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0080" n="74"/><fw place="top" type="header">Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült.</fw><lb/> ihn von ſeinen Amtsarbeiten wegrufen wollte, um unter<lb/> ſeinen Verwandten zu ſeyn, deren Erkenntniß gar lang-<lb/> ſam wuchs, die vermuthlich nur immer Wunder von ihm<lb/> ſehen wollten, als wenn er einer von den Gaukelſpielern<lb/> und Tauſendkünſtlern wäre, um deren Bude ſich der<lb/> gaffende Pöbel auf den Marktplätzen ſammlet. Er ver-<lb/> achtete ſeine Mutter nicht, das glaubte Maria ſelber, und<lb/> wir wiſſen aus ſeiner Leidensgeſchichte, daß die engſten<lb/> Bande wodurch dieſe beyden Herzen zuſammenhingen,<lb/> bis in Tod dauerten. Nur in ſeine Berufsgeſchäfte<lb/> ſollte woder ſie, noch die Blutsverwandte die Hand le-<lb/> gen. Sie konnte ihm nichts vorſchreiben, ihr ängſtli-<lb/> ches Treiben und Zittern war gemeiniglich überflüßig,<lb/> weil ſein Plan ſchon lange entworfen war, wenn ſie glaub-<lb/> ten, daß ſie ihn erſt erinnern müßten, (Joh. 2, 1-11.)<lb/> und da es ihm ganz allein um Ausbreitung der Wahr-<lb/> heit, und um Pflanzung der Gottſeligkeit durch Erkenntniß<lb/> Gottes zu thun war, ſo konnte er es dem Volk der Ju-<lb/> den, das von ſeinem erſten Entſtehen an auf ſolche zufäl-<lb/> lige Dinge, auf die Abſtammung vom Abraham ſehr ge-<lb/> trotzt hatte, nicht genug ſagen, daß in der Haushaltung<lb/> Gottes, die er errichten ſollte, die leibliche Verbindung<lb/> mit ihm den Rang nicht beſtimme. Er überſah alſo<lb/> mit ungemeiner Liebenswürdigkeit, und mit dem Geſicht,<lb/> deſſen unwiderſtehliche Holdſeligkeit ihm ſo oft alle Her-<lb/> zen erwarb, den Kreis der Zuſchauer, die ſich aus allen<lb/> Orten her verſammlet hatten. Seht, ſagt er, wenn<lb/> ihr meiner Religion euch unterwerft, ſo ſeyd ihr<lb/> mir ſo werth, als wenn ich von eurem Blut Blut<lb/> in meinen Adern hätte. (Marci 3, 31-34. Matth. 12,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">46-50.</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0080]
Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült.
ihn von ſeinen Amtsarbeiten wegrufen wollte, um unter
ſeinen Verwandten zu ſeyn, deren Erkenntniß gar lang-
ſam wuchs, die vermuthlich nur immer Wunder von ihm
ſehen wollten, als wenn er einer von den Gaukelſpielern
und Tauſendkünſtlern wäre, um deren Bude ſich der
gaffende Pöbel auf den Marktplätzen ſammlet. Er ver-
achtete ſeine Mutter nicht, das glaubte Maria ſelber, und
wir wiſſen aus ſeiner Leidensgeſchichte, daß die engſten
Bande wodurch dieſe beyden Herzen zuſammenhingen,
bis in Tod dauerten. Nur in ſeine Berufsgeſchäfte
ſollte woder ſie, noch die Blutsverwandte die Hand le-
gen. Sie konnte ihm nichts vorſchreiben, ihr ängſtli-
ches Treiben und Zittern war gemeiniglich überflüßig,
weil ſein Plan ſchon lange entworfen war, wenn ſie glaub-
ten, daß ſie ihn erſt erinnern müßten, (Joh. 2, 1-11.)
und da es ihm ganz allein um Ausbreitung der Wahr-
heit, und um Pflanzung der Gottſeligkeit durch Erkenntniß
Gottes zu thun war, ſo konnte er es dem Volk der Ju-
den, das von ſeinem erſten Entſtehen an auf ſolche zufäl-
lige Dinge, auf die Abſtammung vom Abraham ſehr ge-
trotzt hatte, nicht genug ſagen, daß in der Haushaltung
Gottes, die er errichten ſollte, die leibliche Verbindung
mit ihm den Rang nicht beſtimme. Er überſah alſo
mit ungemeiner Liebenswürdigkeit, und mit dem Geſicht,
deſſen unwiderſtehliche Holdſeligkeit ihm ſo oft alle Her-
zen erwarb, den Kreis der Zuſchauer, die ſich aus allen
Orten her verſammlet hatten. Seht, ſagt er, wenn
ihr meiner Religion euch unterwerft, ſo ſeyd ihr
mir ſo werth, als wenn ich von eurem Blut Blut
in meinen Adern hätte. (Marci 3, 31-34. Matth. 12,
46-50.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |