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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Gegen die selbsterfundene Religion.
der Stifter des Christenthums bewies auf Erden durch
unzähliche Zeugnisse seine göttliche Würde, seinen erha-
benen Ursprung. Unser Glaube ruht also nicht auf
menschlichen Zeugnissen. Wie könnten wir auch auf
Sterbliche bauen, die sich nie von Fehlern und Jrrthü-
mern reinigen können? Wie traurig wäre unser Schick-
sal, wenn wir nichts weiter hätten, als was Menschen-
sinn und Menschenverstand erdenken konnte? Müßte
man nicht ein dickes Buch schreiben, wenn man aus der
Geschichte der menschlichen Vernunft die unzählichen
Verirrungen, falsche Erfindungen, Abwege, Auswüchse,
seichte und ungesunde Meynungen anführen wollte, wo-
mit man ehemals den Menschen den Weg zur Tugend
zeigen, und nach dem Tode ein ewiges Leben verschaffen
wollte? Die besten Köpfe waren nur wie ein Jrrlicht,
das glänzt, aber nicht erleuchtet, waren nur wie Mon-
denschein, der helle ist, aber nicht wärmt. Die vortreff-
lichsten Männer, die je gelebt haben, waren nur blinde
Führer von Blinden, sie suchten selber erst die richtige
Straße, sie gestanden sich das ins Ohr, und läugneten
es öffentlich, sie gaben alles für Eingebungen Gottes
aus, und spielten doch selber den Betrug: was Wunder,
daß sie, und die, die sich ihnen anvertrauten, mit einan-
der in die Grube fielen? So lange man das Daseyn
Gottes, die Abhängigkeit der Welt von ihm, den Ur-
sprung des Bösen, die Bestimmung des Menschen, die
Unsterblichkeit des Geistes, den Gang der Vorsehung,
die künftige Erhöhung unsrer Kräfte, die ewigen Grenz-
steine zwischen Tugend und Laster, die wahre Beschaffen-
heit des Guten, die Mittelstraße zwischen Menschlichkeit
und übertriebener Anstrengung, die wirklich passenden und

zweck-

Gegen die ſelbſterfundene Religion.
der Stifter des Chriſtenthums bewies auf Erden durch
unzähliche Zeugniſſe ſeine göttliche Würde, ſeinen erha-
benen Urſprung. Unſer Glaube ruht alſo nicht auf
menſchlichen Zeugniſſen. Wie könnten wir auch auf
Sterbliche bauen, die ſich nie von Fehlern und Jrrthü-
mern reinigen können? Wie traurig wäre unſer Schick-
ſal, wenn wir nichts weiter hätten, als was Menſchen-
ſinn und Menſchenverſtand erdenken konnte? Müßte
man nicht ein dickes Buch ſchreiben, wenn man aus der
Geſchichte der menſchlichen Vernunft die unzählichen
Verirrungen, falſche Erfindungen, Abwege, Auswüchſe,
ſeichte und ungeſunde Meynungen anführen wollte, wo-
mit man ehemals den Menſchen den Weg zur Tugend
zeigen, und nach dem Tode ein ewiges Leben verſchaffen
wollte? Die beſten Köpfe waren nur wie ein Jrrlicht,
das glänzt, aber nicht erleuchtet, waren nur wie Mon-
denſchein, der helle iſt, aber nicht wärmt. Die vortreff-
lichſten Männer, die je gelebt haben, waren nur blinde
Führer von Blinden, ſie ſuchten ſelber erſt die richtige
Straße, ſie geſtanden ſich das ins Ohr, und läugneten
es öffentlich, ſie gaben alles für Eingebungen Gottes
aus, und ſpielten doch ſelber den Betrug: was Wunder,
daß ſie, und die, die ſich ihnen anvertrauten, mit einan-
der in die Grube fielen? So lange man das Daſeyn
Gottes, die Abhängigkeit der Welt von ihm, den Ur-
ſprung des Böſen, die Beſtimmung des Menſchen, die
Unſterblichkeit des Geiſtes, den Gang der Vorſehung,
die künftige Erhöhung unſrer Kräfte, die ewigen Grenz-
ſteine zwiſchen Tugend und Laſter, die wahre Beſchaffen-
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und übertriebener Anſtrengung, die wirklich paſſenden und

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[93/0099] Gegen die ſelbſterfundene Religion. der Stifter des Chriſtenthums bewies auf Erden durch unzähliche Zeugniſſe ſeine göttliche Würde, ſeinen erha- benen Urſprung. Unſer Glaube ruht alſo nicht auf menſchlichen Zeugniſſen. Wie könnten wir auch auf Sterbliche bauen, die ſich nie von Fehlern und Jrrthü- mern reinigen können? Wie traurig wäre unſer Schick- ſal, wenn wir nichts weiter hätten, als was Menſchen- ſinn und Menſchenverſtand erdenken konnte? Müßte man nicht ein dickes Buch ſchreiben, wenn man aus der Geſchichte der menſchlichen Vernunft die unzählichen Verirrungen, falſche Erfindungen, Abwege, Auswüchſe, ſeichte und ungeſunde Meynungen anführen wollte, wo- mit man ehemals den Menſchen den Weg zur Tugend zeigen, und nach dem Tode ein ewiges Leben verſchaffen wollte? Die beſten Köpfe waren nur wie ein Jrrlicht, das glänzt, aber nicht erleuchtet, waren nur wie Mon- denſchein, der helle iſt, aber nicht wärmt. Die vortreff- lichſten Männer, die je gelebt haben, waren nur blinde Führer von Blinden, ſie ſuchten ſelber erſt die richtige Straße, ſie geſtanden ſich das ins Ohr, und läugneten es öffentlich, ſie gaben alles für Eingebungen Gottes aus, und ſpielten doch ſelber den Betrug: was Wunder, daß ſie, und die, die ſich ihnen anvertrauten, mit einan- der in die Grube fielen? So lange man das Daſeyn Gottes, die Abhängigkeit der Welt von ihm, den Ur- ſprung des Böſen, die Beſtimmung des Menſchen, die Unſterblichkeit des Geiſtes, den Gang der Vorſehung, die künftige Erhöhung unſrer Kräfte, die ewigen Grenz- ſteine zwiſchen Tugend und Laſter, die wahre Beſchaffen- heit des Guten, die Mittelſtraße zwiſchen Menſchlichkeit und übertriebener Anſtrengung, die wirklich paſſenden und zweck-

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/99>, abgerufen am 24.11.2024.