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Sanders, Daniel: Brief an Berthold Auerbach. Altstrelitz, 30. Dezember 1878.

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durchgemacht, die dem Freunde die Verweisung aus Mecklenburg eingetragen und mir ei[-]
ne amtliche Stellung gekostet. Freilich waren wir seit jener Zeit, ob auch räum-
lich getrennt, doch immer treu verbunden geblieben und des Freundes plötzliches
Dahinscheiden hat mich tief erschüttert. Und nun am Schluß des Jahres noch der Tod
unseres Lehfeldt, dessen Freundschaft mir gleichsam als ein Erbvermächtnis von
seinem Vater her überkommen war. Wie viel ich diesem seinem Vater verdanke, wie
er als mein Jugendbilde auf mein ganzes Sein bestimmend eingewirkt, kann ich
in Kurzem gar nicht sagen; aber das muß ich wenigstens aussprechen, daß es
für mich immer etwas unredlich Ruhendes hatte, zu sehen und zu fühlen,
wie unseres trefflichen, wacken Bernhard Freundschaft für reich ihrer
festesten Wurzeln in seiner Liebe für seinen herrlichen Vater hatte.
Sie können Sich denken, wie sehr auch mich der Tod des Trefflichen erschüt-
tert hat, zumal ich von seiner Krankheit und seinem Leide ohne Ah-
nung war. So gehen sie dahin, unsere Freunde und Lieben, einer nach
dem anderen und es bleibt uns nur das Eine, daß wir um die Lücke
möglichst weniger fühlbar zu machen, enger zusammenrücken
und fest zusammenhalten, "einander erfrischend und stärkend, so lange
es tagt."
So wollen wir's halten, um mit dem Wort zu schließen,
von dem ich abgegangen.

Sie, wie ich, Jbeide werden wir unsere so jung dahin gegangenen
Freunde immer ein freundliches, liebevolles Gedächtnis bewahren.

Wer wird nun die Redaktion des "Magazins" übernehmen,
das sein Schwiegervater begründet und so lange Jahre hindurch
geführt? Wenn dafür nicht schon Jemand in Aussicht genommen ist und
die Angelegenheit sich von hier aus besorgen ließe, so wär das viel[-]
leicht eine Thätigkeit, für die ich nicht ungeeignet wäre und die
ich im Sinn und Geist der Dahingegangenen übernehmen würde.

durchgemacht, die dem Freunde die Verweisung aus Mecklenburg eingetragen und mir ei[-]
ne amtliche Stellung gekostet. Freilich waren wir seit jener Zeit, ob auch räum-
lich getrennt, doch im̃er treu verbunden geblieben und des Freundes plötzliches
Dahinscheiden hat mich tief erschüttert. Und nun am Schluß des Jahres noch der Tod
unseres Lehfeldt, dessen Freundschaft mir gleichsam als ein Erbvermächtnis von
seinem Vater her überkom̃en war. Wie viel ich diesem seinem Vater verdanke, wie
er als mein Jugendbilde auf mein ganzes Sein bestim̃end eingewirkt, kañ ich
in Kurzem gar nicht sagen; aber das muß ich wenigstens aussprechen, daß es
für mich im̃er etwas unredlich Ruhendes hatte, zu sehen und zu fühlen,
wie unseres trefflichen, wacken Bernhard Freundschaft für reich ihrer
festesten Wurzeln in seiner Liebe für seinen herrlichen Vater hatte.
Sie köñen Sich denken, wie sehr auch mich der Tod des Trefflichen erschüt-
tert hat, zumal ich von seiner Krankheit und seinem Leide ohne Ah-
nung war. So gehen sie dahin, unsere Freunde und Lieben, einer nach
dem anderen und es bleibt uns nur das Eine, daß wir um die Lücke
möglichst weniger fühlbar zu machen, enger zusam̃enrücken
und fest zusam̃enhalten, „einander erfrischend und stärkend, so lange
es tagt.“
So wollen wir’s halten, um mit dem Wort zu schließen,
von dem ich abgegangen.

Sie, wie ich, Jbeide werden wir unsere so jung dahin gegangenen
Freunde im̃er ein freundliches, liebevolles Gedächtnis bewahren.

Wer wird nun die Redaktion des „Magazins“ übernehmen,
das sein Schwiegervater begründet und so lange Jahre hindurch
geführt? Wenn dafür nicht schon Jemand in Aussicht genom̃en ist und
die Angelegenheit sich von hier aus besorgen ließe, so wär das viel[-]
leicht eine Thätigkeit, für die ich nicht ungeeignet wäre und die
ich im Siñ und Geist der Dahingegangenen übernehmen würde.

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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Berthold Auerbach. Altstrelitz, 30. Dezember 1878, S. [1v]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_auerbach3_1876/2>, abgerufen am 29.04.2024.