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Sanders, Daniel: Brief an Joseph Kehrein. Altstrelitz, 8. März 1860.

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Vergleich meines Werks etwa mit dem Grimmschen in Bezug auf die
Vollständigkeit zu unterziehen. Was die äußere betrifft, so könnte
ich mich dabei auf das "Programm" S. 10ff[.] und S. 17ff[.] beziehen, wozu ich jedoch noch
einen Aufsatz von mir in Herrig's Archiv für d. Stud. der neuern
Sprachen (Bd. 18, S. 212-220) fügen müßte, wo ich noch über 650
auf den ersten 161. Spalten bei Grimm fehlende Wörter nachgetra-
gen; und zwar nur solche, für die ich einen Beleg beibringen
konnte. Das wären also mit dem im Programm Aufgezählten et[-]
wa 1000 auf 161 Spalten oder durchschnittlich 6-7 fehlende Wör-
ter auf jeder Spalte bei den Grimms. Auf dies größeren Maß
äußerer Vollständigkeit aber - so nothwendig es dem Wörterbach
auch ist - möchte ich nicht das Hauptgewicht legen und so erwähne
ich denn auch nur nebenbei, daß mein Wörterbuch auch in den bei
den Grimm nicht fehlenden Artikeln eine Menge von ihnen übersehener
oder unbeachteter Bedeutungen und Anwendungen mehr hat. Es ist
vielmehr die innere Vollständigkeit, von der ich behaupten möchte,
daß sie, nach dem Wesen unsrer Sprache, in einer andern als der
von mir getroffenen Anordnung unmöglich ist. Und grade über die-
sen Punkt möchte ich gern das offene Urtheil einer unbefangenen
Kritik, möchte ich Ihr aufrichtiges Urtheil, verehrter Herr,
hören. Erlauben Sie mir, etwas ausführlicher darzulegen,
was ich unter "innerer Vollständigkeit" verstehe und dazu an den
Artikel "Abend" S. 4 anzuknüpfen. Wenn es dort unster Zusammen-
setzungen gleich am Anfang heißt: mit den Namen aller
Festtage [3]: Wochentage, Monate pp., so meine ich damit, voll-
ständig erschöpft zu haben, was ein bloß alphabetisches Wörterbuch

Vergleich meines Werks etwa mit dem Grim̃schen in Bezug auf die
Vollständigkeit zu unterziehen. Was die äußere betrifft, so könnte
ich mich dabei auf das „Program̃“ S. 10ff[.] und S. 17ff[.] beziehen, wozu ich jedoch noch
einen Aufsatz von mir in Herrig’s Archiv für d. Stud. der neuern
Sprachen (Bd. 18, S. 212–220) fügen müßte, wo ich noch über 650
auf den ersten 161. Spalten bei Grim̃ fehlende Wörter nachgetra-
gen; und zwar nur solche, für die ich einen Beleg beibringen
koñte. Das wären also mit dem im Programm Aufgezählten et[-]
wa 1000 auf 161 Spalten oder durchschnittlich 6–7 fehlende Wör-
ter auf jeder Spalte bei den Grimms. Auf dies größeren Maß
äußerer Vollständigkeit aber – so nothwendig es dem Wörterbach
auch ist – möchte ich nicht das Hauptgewicht legen und so erwähne
ich deñ auch nur nebenbei, daß mein Wörterbuch auch in den bei
den Grim̃ nicht fehlenden Artikeln eine Menge von ihnen übersehener
oder unbeachteter Bedeutungen und Anwendungen mehr hat. Es ist
vielmehr die iñere Vollständigkeit, von der ich behaupten möchte,
daß sie, nach dem Wesen unsrer Sprache, in einer andern als der
von mir getroffenen Anordnung unmöglich ist. Und grade über die-
sen Punkt möchte ich gern das offene Urtheil einer unbefangenen
Kritik, möchte ich Ihr aufrichtiges Urtheil, verehrter Herr,
hören. Erlauben Sie mir, etwas ausführlicher darzulegen,
was ich unter „iñerer Vollständigkeit“ verstehe und dazu an den
Artikel „Abend“ S. 4 anzuknüpfen. Weñ es dort unster Zusam̃en-
setzungen gleich am Anfang heißt: mit den Namen aller
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sebastian Göttel: Herausgeber. (2020-04-30T10:00:00Z)
Sebastian Göttel: Transkription und TEI-Textannotation. (2020-04-30T10:00:00Z)

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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Joseph Kehrein. Altstrelitz, 8. März 1860, S. [2r]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_kehrein_1860/3>, abgerufen am 03.12.2024.