Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.

Bild:
<< vorherige Seite
Das X Capitel.
Vom Historien-Mahlen.

Innhalt.

Alle Dinge/ sind der Ordnung und gewißen Regeln unterworfen. Unter diesen ist auch/ der Historien Mahler. Sieben Regeln/ der Ordinanz von dieser Mahlerey: welche nach proportion zu beobachten. Der Mahler/ mus erstlich die Historie wol durchlesen/ folgends hiervon etliche Schizzi, und daraus einen großen Carton, machen. Bässere Manier des Autoris, wann ein kleines Modell mit Oelfarben gemahlet wird. Der Horizont, ist in acht zu nehmen. Das Hintertheil/ mus man nicht durch andere mahlen lassen. Das Gemähl/ soll wol beBildert seyn. Welche hierinn excellirt. Michael Angelo, war nur gut im Bildhauen. Die Bilder/ müßen der Figur dienen. Gute Beyfügungen/ zieren diese Gemälde/ wie auch allerhand Stellungen der Bilder. Doch mus/ die Historie/ das Hauptwerk bleiben.

[Spaltenumbruch]

Alle Dinge/ sind der Ordnung und gewißen Regeln unterworffen.ALles/ was Gott erschaffen hat/ ist den Regeln guter Ordnung unterworfen: maßen auch alle Königreiche/ Länder und Republiken/ ihre gewiße Statuten und Gesetze haben/ wornach sie sich reguliren; und jeder Mensch/ in was Beruf er seyn mag/ mit Regeln seiner Profession beschränkt lebet. Auch die stumme Thiere/ insonderheit die Bienen und Ameisen/ haben ihre vorgesetzte Obrigkeiten/ so sie anhalten/ ihrem Beruf gemäß zu leben. Also hat/ ein vernünftiger Unter diesen ist auch/ der Historien-Mahler. Historien-Mahler/ in seinem Gehirn/ die nötige Ordnung solcher Mahlerey/ zuvorderst wol zu überlegen/ damit er/ zu Vorstellung eines perfecten Werks/ durch gute Wissenschaft und Erfahrenheit/ gelangen/ und seine Invention, es sey auf Gründe/ in Häusern/ Säelen/ Kirchen oder andern Feldungen/ nach Erforderung der Kunst und Ordnung der Historien/ zu stand bringen könne.

Sieben Regeln der Ordinanz von dieser Mahlerey/ Es sind aber hauptsächlich Sieben Regeln und Austheilungen/ die man im Historien-Mahlen zu observiren hat: daß man nämlich das Gemähl auswarts oder übersich/ abwarts oder untersich/ zur rechten/ zur linken Seite führe/ von sich weichen oder abgehen/ auch zu sich kommen mache/ und in der Runde beschlage oder Zirkelweis setze. Diese welche nach proportion zu beobachten. Regeln sind allezeit zu beobachten/ nach Proportion des Blats/ Tuchs oder Tafel: damit es nicht scheine/ als ob die Bilder die Rame trügen/ oder daß sie durch den Grund sinken und beängstigt gleichsam halb darein vergraben scheinen/ oder mit den fürnehmsten Gliedern darinn stecken. Man mus die Bilder/ mit guter Fürsorge/ fein ledig und jedes Stuck frey stellen/ auch den Grund nicht mit Der Mahler mus erstlich die Historie wol durchlesen/ zuviel Bildern überladen. Der Mahler soll auch fürnemlich die vorgenommene Historie/ vielmals durchlesen/ und zwar in unterschiedlichen Autoren: weil immer einer mehr davon schreibet/ als der andere/ und solches/ zur Mehrung der Gedanken/ dienet.

Wann er nun das bäste von dem/ was er gelesen/ seinem Gedächtnis imprimiret/ alsdann mag[Spaltenumbruch] er alles/ nach seiner imagination, mit geistreicher folgends hiervon etliche Schizzi, und daraus einen grossen Carton machen. Ordnung und Annehmlichkeit/ durch etliche Schizzi auf schlecht Papier entwerfen/ und daraus einen Carton machen/ so groß das Stuck seyn soll. Dieses ist der vornemsten Italiäner/ Florentiner und Romanen/ Gewonheit gewesen. Ichhabe aber für bässer befunden/ wann ich/ nach etlichen auf Papier getragenen Abrißen oder Schizzi, die Historie/ Bässere Manier des Autoris, wann ein kleines Modell mit Oelfarben gemahlet wird. mit rechtem Urtheil/ auf ein Tuch ungefähr ein oder zwey Schuh hoch/ gemahlet/ das Gemähl mit aufgeraumtem Geist überleget/ und mich beflissen/ daß ich alles zusammen/ mit Zeichnung/Ordinanz und Colorit, wol hervor gebracht. Und dieses Modell habe ich nachmals an Käyser/ König oder andere Geist- und Weltliche Liebhaber zu dero Genemhaltung übersendet/ und folgends/ was sie geändert verlanget/ in dem großen Blat zu köstlicher Satisfaction beobachtet.

In der Ausmahlung/ sollen die Ecke des Stucks nicht leer gelassen/ auch nicht überhäuffet werden. Insonderheit ist/ in solchen Gemälden/ eine Der Horizont ist in acht zu nehmen. Durchsicht zu machen/ zu Erkennung des Horizonts Höhe: welcher allemal/ wo es nötig/ niedrig seyn soll/ zu mehrer Erhebung der Bilder. Die hinterste Theile des Horizonts/ soll ein Mahler Das Hintertheil mus man nicht durch andere ausmahlen lassen. nicht durch andere mahlen lassen/ wie die meiste Italiäner thun/ welche gänzlich nur ihrer eignen Meinung folgen/ und also ingemein/ wie man zu sagen pflegt/ zween Köche die Suppe versalzen. Des Historien-Mahlers Gehirn wird sich ja so weit erstrecken/ daß er seinen Landschaften/ mit Wolken oder Gebäuden/ selbst die Harmonie geben könne. Das Gemähl soll wol beBildert seyn.Er mus auch das Stuck nicht dünn beseen/ sondern/ wo das fürnehmste der Geschicht zu stehen kommet/ viel Figuren und ganze Klumpen Bilder dahin stellen/ die alle ihr Amt verrichten: aus welche er auch das beste Liecht zuleiten soll/ um die meiste Annehmung des Gesichtes zu befördern. Hierinn Welche hierinn excelliret? Mich. Angelo, nur gut im Bildhauen. hatten Titian, Tintoret, und der meisterhafte Paulus Verones, bessere und gründlichere Manier/ als Michael Angelo: dessen Lob mehr in Bildhauen einer einigen herrlichen Figur/ als in Mahlen und coloriren bestehet.

Es soll sich auch kein Mahler/ in solcher Ordinanz,

Das X Capitel.
Vom Historien-Mahlen.

Innhalt.

Alle Dinge/ sind der Ordnung und gewißen Regeln unterworfen. Unter diesen ist auch/ der Historien Mahler. Sieben Regeln/ der Ordinanz von dieser Mahlerey: welche nach proportion zu beobachten. Der Mahler/ mus erstlich die Historie wol durchlesen/ folgends hiervon etliche Schizzi, und daraus einen großen Carton, machen. Bässere Manier des Autoris, wann ein kleines Modell mit Oelfarben gemahlet wird. Der Horizont, ist in acht zu nehmen. Das Hintertheil/ mus man nicht durch andere mahlen lassen. Das Gemähl/ soll wol beBildert seyn. Welche hierinn excellirt. Michaël Angelo, war nur gut im Bildhauen. Die Bilder/ müßen der Figur dienen. Gute Beyfügungen/ zieren diese Gemälde/ wie auch allerhand Stellungen der Bilder. Doch mus/ die Historie/ das Hauptwerk bleiben.

[Spaltenumbruch]

Alle Dinge/ sind der Ordnung und gewißen Regeln unterworffen.ALles/ was Gott erschaffen hat/ ist den Regeln guter Ordnung unterworfen: maßen auch alle Königreiche/ Länder und Republiken/ ihre gewiße Statuten und Gesetze haben/ wornach sie sich reguliren; und jeder Mensch/ in was Beruf er seyn mag/ mit Regeln seiner Profession beschränkt lebet. Auch die stumme Thiere/ insonderheit die Bienen und Ameisen/ haben ihre vorgesetzte Obrigkeiten/ so sie anhalten/ ihrem Beruf gemäß zu leben. Also hat/ ein vernünftiger Unter diesen ist auch/ der Historien-Mahler. Historien-Mahler/ in seinem Gehirn/ die nötige Ordnung solcher Mahlerey/ zuvorderst wol zu überlegen/ damit er/ zu Vorstellung eines perfecten Werks/ durch gute Wissenschaft und Erfahrenheit/ gelangen/ und seine Invention, es sey auf Gründe/ in Häusern/ Säelen/ Kirchen oder andern Feldungen/ nach Erforderung der Kunst und Ordnung der Historien/ zu stand bringen könne.

Sieben Regeln der Ordinanz von dieser Mahlerey/ Es sind aber hauptsächlich Sieben Regeln und Austheilungen/ die man im Historien-Mahlen zu observiren hat: daß man nämlich das Gemähl auswarts oder übersich/ abwarts oder untersich/ zur rechten/ zur linken Seite führe/ von sich weichen oder abgehen/ auch zu sich kommen mache/ und in der Runde beschlage oder Zirkelweis setze. Diese welche nach proportion zu beobachten. Regeln sind allezeit zu beobachten/ nach Proportion des Blats/ Tuchs oder Tafel: damit es nicht scheine/ als ob die Bilder die Rame trügen/ oder daß sie durch den Grund sinken und beängstigt gleichsam halb darein vergraben scheinen/ oder mit den fürnehmsten Gliedern darinn stecken. Man mus die Bilder/ mit guter Fürsorge/ fein ledig und jedes Stuck frey stellen/ auch den Grund nicht mit Der Mahler mus erstlich die Historie wol durchlesen/ zuviel Bildern überladen. Der Mahler soll auch fürnemlich die vorgenommene Historie/ vielmals durchlesen/ und zwar in unterschiedlichen Autoren: weil immer einer mehr davon schreibet/ als der andere/ und solches/ zur Mehrung der Gedanken/ dienet.

Wann er nun das bäste von dem/ was er gelesen/ seinem Gedächtnis imprimiret/ alsdann mag[Spaltenumbruch] er alles/ nach seiner imagination, mit geistreicher folgends hiervon etliche Schizzi, und daraus einen grossen Carton machen. Ordnung und Annehmlichkeit/ durch etliche Schizzi auf schlecht Papier entwerfen/ und daraus einen Carton machen/ so groß das Stuck seyn soll. Dieses ist der vornemsten Italiäner/ Florentiner und Romanen/ Gewonheit gewesen. Ichhabe aber für bässer befunden/ wann ich/ nach etlichen auf Papier getragenen Abrißen oder Schizzi, die Historie/ Bässere Manier des Autoris, wann ein kleines Modell mit Oelfarben gemahlet wird. mit rechtem Urtheil/ auf ein Tuch ungefähr ein oder zwey Schuh hoch/ gemahlet/ das Gemähl mit aufgeraumtem Geist überleget/ und mich beflissen/ daß ich alles zusammen/ mit Zeichnung/Ordinanz und Colorit, wol hervor gebracht. Und dieses Modell habe ich nachmals an Käyser/ König oder andere Geist- und Weltliche Liebhaber zu dero Genemhaltung übersendet/ und folgends/ was sie geändert verlanget/ in dem großen Blat zu köstlicher Satisfaction beobachtet.

In der Ausmahlung/ sollen die Ecke des Stucks nicht leer gelassen/ auch nicht überhäuffet werden. Insonderheit ist/ in solchen Gemälden/ eine Der Horizont ist in acht zu nehmen. Durchsicht zu machen/ zu Erkennung des Horizonts Höhe: welcher allemal/ wo es nötig/ niedrig seyn soll/ zu mehrer Erhebung der Bilder. Die hinterste Theile des Horizonts/ soll ein Mahler Das Hintertheil mus man nicht durch andere ausmahlen lassen. nicht durch andere mahlen lassen/ wie die meiste Italiäner thun/ welche gänzlich nur ihrer eignen Meinung folgen/ und also ingemein/ wie man zu sagen pflegt/ zween Köche die Suppe versalzen. Des Historien-Mahlers Gehirn wird sich ja so weit erstrecken/ daß er seinen Landschaften/ mit Wolken oder Gebäuden/ selbst die Harmonie geben könne. Das Gemähl soll wol beBildert seyn.Er mus auch das Stuck nicht dünn beseen/ sondern/ wo das fürnehmste der Geschicht zu stehen kommet/ viel Figuren und ganze Klumpen Bilder dahin stellen/ die alle ihr Amt verrichten: aus welche er auch das beste Liecht zuleiten soll/ um die meiste Annehmung des Gesichtes zu befördern. Hierinn Welche hierinn excelliret? Mich. Angelo, nur gut im Bildhauen. hatten Titian, Tintoret, und der meisterhafte Paulus Verones, bessere und gründlichere Manier/ als Michaël Angelo: dessen Lob mehr in Bildhauen einer einigen herrlichen Figur/ als in Mahlen und coloriren bestehet.

Es soll sich auch kein Mahler/ in solcher Ordinanz,

<TEI>
  <text xml:id="ta1675">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0258" xml:id="pb-166" n="[I, Buch 3 (Malerei), S. 79]"/>
          <div xml:id="d166.1">
            <head xml:id="h166.1">Das <hi rendition="#aq">X</hi> Capitel.<lb/>
Vom Historien-Mahlen.</head><lb/>
            <argument>
              <head xml:id="h166.2">Innhalt.</head><lb/>
              <p xml:id="p166.1">Alle Dinge/ sind der Ordnung und gewißen Regeln unterworfen. Unter diesen ist auch/ der Historien Mahler. Sieben Regeln/ der <hi rendition="#aq">Ordinanz</hi> von dieser Mahlerey: welche nach <hi rendition="#aq">proportion</hi> zu beobachten. Der Mahler/ mus erstlich die Historie wol durchlesen/ folgends hiervon etliche <hi rendition="#aq">Schizzi,</hi> und daraus einen großen <hi rendition="#aq">Carton,</hi> machen. Bässere Manier des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836"><hi rendition="#aq">Autoris</hi></persName>, wann ein kleines <hi rendition="#aq">Modell</hi> mit Oelfarben gemahlet wird. Der <hi rendition="#aq">Horizont,</hi> ist in acht zu nehmen. Das Hintertheil/ mus man nicht durch andere mahlen lassen. Das Gemähl/ soll wol beBildert seyn. Welche hierinn <hi rendition="#aq">excelli</hi>rt. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-353 http://d-nb.info/gnd/118582143 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500010654 http://viaf.org/viaf/24585191"><hi rendition="#aq">Michaël Angelo</hi></persName>, war nur gut im Bildhauen. Die Bilder/ müßen der Figur dienen. Gute Beyfügungen/ zieren diese Gemälde/ wie auch allerhand Stellungen der Bilder. Doch mus/ die Historie/ das Hauptwerk bleiben.</p>
            </argument>
            <cb/>
            <p xml:id="p166.2"><note place="right">Alle Dinge/ sind der Ordnung und gewißen Regeln unterworffen.</note><hi rendition="#in">A</hi>Lles/ was <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">Gott</persName> erschaffen hat/ ist den Regeln guter Ordnung unterworfen: maßen auch alle Königreiche/ Länder und Republiken/ ihre gewiße <hi rendition="#aq">Statut</hi>en und Gesetze haben/ wornach sie sich <hi rendition="#aq">reguli</hi>ren; und jeder Mensch/ in was Beruf er seyn mag/ mit Regeln seiner <hi rendition="#aq">Profession</hi> beschränkt lebet. Auch die stumme Thiere/ insonderheit die Bienen und Ameisen/ haben ihre vorgesetzte Obrigkeiten/ so sie anhalten/ ihrem Beruf gemäß zu leben. Also hat/ ein vernünftiger <note place="right">Unter diesen ist auch/ der Historien-Mahler.</note> Historien-Mahler/ in seinem Gehirn/ die nötige Ordnung solcher Mahlerey/ zuvorderst wol zu überlegen/ damit er/ zu Vorstellung eines <hi rendition="#aq">perfect</hi>en Werks/ durch gute Wissenschaft und Erfahrenheit/ gelangen/ und seine <hi rendition="#aq">Invention,</hi> es sey auf Gründe/ in Häusern/ Säelen/ Kirchen oder andern Feldungen/ nach Erforderung der Kunst und Ordnung der Historien/ zu stand bringen könne.</p>
            <p xml:id="p166.3"><note place="right">Sieben Regeln der <hi rendition="#aq">Ordinanz</hi> von dieser Mahlerey/</note> Es sind aber hauptsächlich Sieben Regeln und Austheilungen/ die man im Historien-Mahlen zu <hi rendition="#aq">observi</hi>ren hat: daß man nämlich das Gemähl auswarts oder übersich/ abwarts oder untersich/ zur rechten/ zur linken Seite führe/ von sich weichen oder abgehen/ auch zu sich kommen mache/ und in der Runde beschlage oder Zirkelweis setze. Diese <note place="right">welche nach <hi rendition="#aq">proportion</hi> zu beobachten.</note> Regeln sind allezeit zu beobachten/ nach <hi rendition="#aq">Proportion</hi> des Blats/ Tuchs oder Tafel: damit es nicht scheine/ als ob die Bilder die Rame trügen/ oder daß sie durch den Grund sinken und beängstigt gleichsam halb darein vergraben scheinen/ oder mit den fürnehmsten Gliedern darinn stecken. Man mus die Bilder/ mit guter Fürsorge/ fein ledig und jedes Stuck frey stellen/ auch den Grund nicht mit <note place="right">Der Mahler mus erstlich die Historie wol durchlesen/</note> zuviel Bildern überladen. Der Mahler soll auch fürnemlich die vorgenommene Historie/ vielmals durchlesen/ und zwar in unterschiedlichen <hi rendition="#aq">Autor</hi>en: weil immer einer mehr davon schreibet/ als der andere/ und solches/ zur Mehrung der Gedanken/ dienet.</p>
            <p xml:id="p166.4">Wann er nun das bäste von dem/ was er gelesen/ seinem Gedächtnis <hi rendition="#aq">imprimi</hi>ret/ alsdann mag<cb/>
er alles/ nach seiner <hi rendition="#aq">imagination,</hi> mit geistreicher <note place="right">folgends hiervon etliche <hi rendition="#aq">Schizzi,</hi> und daraus einen grossen <hi rendition="#aq">Carton</hi> machen.</note> Ordnung und Annehmlichkeit/ durch etliche <hi rendition="#aq">Schizzi</hi> auf schlecht Papier entwerfen/ und daraus einen <hi rendition="#aq">Carton</hi> machen/ so groß das Stuck seyn soll. Dieses ist der vornemsten Italiäner/ Florentiner und Romanen/ Gewonheit gewesen. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">Ich</persName>habe aber für bässer befunden/ wann <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName>/ nach etlichen auf Papier getragenen Abrißen oder <hi rendition="#aq">Schizzi,</hi> die Historie/ <note place="right">Bässere Manier des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836"><hi rendition="#aq">Autoris</hi></persName>, wann ein kleines <hi rendition="#aq">Modell</hi> mit Oelfarben gemahlet wird.</note> mit rechtem Urtheil/ auf ein Tuch ungefähr ein oder zwey Schuh hoch/ gemahlet/ das Gemähl mit aufgeraumtem Geist überleget/ und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">mich</persName> beflissen/ daß <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName> alles zusammen/ mit Zeichnung/<hi rendition="#aq">Ordinanz</hi> und <hi rendition="#aq">Colorit,</hi> wol hervor gebracht. Und dieses <hi rendition="#aq">Modell</hi> habe <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName> nachmals an Käyser/ König oder andere Geist- und Weltliche Liebhaber zu dero Genemhaltung übersendet/ und folgends/ was sie geändert verlanget/ in dem großen Blat zu köstlicher <hi rendition="#aq">Satisfaction</hi> beobachtet.</p>
            <p xml:id="p166.5">In der Ausmahlung/ sollen die Ecke des Stucks nicht leer gelassen/ auch nicht überhäuffet werden. Insonderheit ist/ in solchen Gemälden/ eine <note place="right">Der <hi rendition="#aq">Horizont</hi> ist in acht zu nehmen.</note> Durchsicht zu machen/ zu Erkennung des <hi rendition="#aq">Horizont</hi>s Höhe: welcher allemal/ wo es nötig/ niedrig seyn soll/ zu mehrer Erhebung der Bilder. Die hinterste Theile des <hi rendition="#aq">Horizont</hi>s/ soll ein Mahler <note place="right">Das Hintertheil mus man nicht durch andere ausmahlen lassen.</note> nicht durch andere mahlen lassen/ wie die meiste Italiäner thun/ welche gänzlich nur ihrer eignen Meinung folgen/ und also ingemein/ wie man zu sagen pflegt/ zween Köche die Suppe versalzen. Des Historien-Mahlers Gehirn wird sich ja so weit erstrecken/ daß er seinen Landschaften/ mit Wolken oder Gebäuden/ selbst die <hi rendition="#aq">Harmonie</hi> geben könne. <note place="right">Das Gemähl soll wol beBildert seyn.</note>Er mus auch das Stuck nicht dünn beseen/ sondern/ wo das fürnehmste der Geschicht zu stehen kommet/ viel Figuren und ganze Klumpen Bilder dahin stellen/ die alle ihr Amt verrichten: aus welche er auch das beste Liecht zuleiten soll/ um die meiste Annehmung des Gesichtes zu befördern. Hierinn <note place="right">Welche hierinn <hi rendition="#aq">excelli</hi>ret? <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-353 http://d-nb.info/gnd/118582143 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500010654 http://viaf.org/viaf/24585191"><hi rendition="#aq">Mich. Angelo</hi></persName>, nur gut im Bildhauen.</note> hatten <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-19 http://d-nb.info/gnd/118622994 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500031075 http://viaf.org/viaf/61533439">Titian</persName>, <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1550 http://d-nb.info/gnd/118622854 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500011407 http://viaf.org/viaf/95161574">Tintoret</persName>,</hi> und der meisterhafte <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1020 http://d-nb.info/gnd/118626647 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500021218 http://viaf.org/viaf/95162605"><hi rendition="#aq">Paulus Verones</hi></persName>, bessere und gründlichere Manier/ als <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-353 http://d-nb.info/gnd/118582143 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500010654 http://viaf.org/viaf/24585191"><hi rendition="#aq">Michaël Angelo</hi></persName>: dessen Lob mehr in Bildhauen einer einigen herrlichen Figur/ als in Mahlen und <hi rendition="#aq">colori</hi>ren bestehet.</p>
            <p xml:id="p166.6">Es soll sich auch kein Mahler/ in solcher <hi rendition="#aq">Ordinanz,</hi> </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[I, Buch 3 (Malerei), S. 79]/0258] Das X Capitel. Vom Historien-Mahlen. Innhalt. Alle Dinge/ sind der Ordnung und gewißen Regeln unterworfen. Unter diesen ist auch/ der Historien Mahler. Sieben Regeln/ der Ordinanz von dieser Mahlerey: welche nach proportion zu beobachten. Der Mahler/ mus erstlich die Historie wol durchlesen/ folgends hiervon etliche Schizzi, und daraus einen großen Carton, machen. Bässere Manier des Autoris, wann ein kleines Modell mit Oelfarben gemahlet wird. Der Horizont, ist in acht zu nehmen. Das Hintertheil/ mus man nicht durch andere mahlen lassen. Das Gemähl/ soll wol beBildert seyn. Welche hierinn excellirt. Michaël Angelo, war nur gut im Bildhauen. Die Bilder/ müßen der Figur dienen. Gute Beyfügungen/ zieren diese Gemälde/ wie auch allerhand Stellungen der Bilder. Doch mus/ die Historie/ das Hauptwerk bleiben. ALles/ was Gott erschaffen hat/ ist den Regeln guter Ordnung unterworfen: maßen auch alle Königreiche/ Länder und Republiken/ ihre gewiße Statuten und Gesetze haben/ wornach sie sich reguliren; und jeder Mensch/ in was Beruf er seyn mag/ mit Regeln seiner Profession beschränkt lebet. Auch die stumme Thiere/ insonderheit die Bienen und Ameisen/ haben ihre vorgesetzte Obrigkeiten/ so sie anhalten/ ihrem Beruf gemäß zu leben. Also hat/ ein vernünftiger Historien-Mahler/ in seinem Gehirn/ die nötige Ordnung solcher Mahlerey/ zuvorderst wol zu überlegen/ damit er/ zu Vorstellung eines perfecten Werks/ durch gute Wissenschaft und Erfahrenheit/ gelangen/ und seine Invention, es sey auf Gründe/ in Häusern/ Säelen/ Kirchen oder andern Feldungen/ nach Erforderung der Kunst und Ordnung der Historien/ zu stand bringen könne. Alle Dinge/ sind der Ordnung und gewißen Regeln unterworffen. Unter diesen ist auch/ der Historien-Mahler. Es sind aber hauptsächlich Sieben Regeln und Austheilungen/ die man im Historien-Mahlen zu observiren hat: daß man nämlich das Gemähl auswarts oder übersich/ abwarts oder untersich/ zur rechten/ zur linken Seite führe/ von sich weichen oder abgehen/ auch zu sich kommen mache/ und in der Runde beschlage oder Zirkelweis setze. Diese Regeln sind allezeit zu beobachten/ nach Proportion des Blats/ Tuchs oder Tafel: damit es nicht scheine/ als ob die Bilder die Rame trügen/ oder daß sie durch den Grund sinken und beängstigt gleichsam halb darein vergraben scheinen/ oder mit den fürnehmsten Gliedern darinn stecken. Man mus die Bilder/ mit guter Fürsorge/ fein ledig und jedes Stuck frey stellen/ auch den Grund nicht mit zuviel Bildern überladen. Der Mahler soll auch fürnemlich die vorgenommene Historie/ vielmals durchlesen/ und zwar in unterschiedlichen Autoren: weil immer einer mehr davon schreibet/ als der andere/ und solches/ zur Mehrung der Gedanken/ dienet. Sieben Regeln der Ordinanz von dieser Mahlerey/ welche nach proportion zu beobachten. Der Mahler mus erstlich die Historie wol durchlesen/Wann er nun das bäste von dem/ was er gelesen/ seinem Gedächtnis imprimiret/ alsdann mag er alles/ nach seiner imagination, mit geistreicher Ordnung und Annehmlichkeit/ durch etliche Schizzi auf schlecht Papier entwerfen/ und daraus einen Carton machen/ so groß das Stuck seyn soll. Dieses ist der vornemsten Italiäner/ Florentiner und Romanen/ Gewonheit gewesen. Ichhabe aber für bässer befunden/ wann ich/ nach etlichen auf Papier getragenen Abrißen oder Schizzi, die Historie/ mit rechtem Urtheil/ auf ein Tuch ungefähr ein oder zwey Schuh hoch/ gemahlet/ das Gemähl mit aufgeraumtem Geist überleget/ und mich beflissen/ daß ich alles zusammen/ mit Zeichnung/Ordinanz und Colorit, wol hervor gebracht. Und dieses Modell habe ich nachmals an Käyser/ König oder andere Geist- und Weltliche Liebhaber zu dero Genemhaltung übersendet/ und folgends/ was sie geändert verlanget/ in dem großen Blat zu köstlicher Satisfaction beobachtet. folgends hiervon etliche Schizzi, und daraus einen grossen Carton machen. Bässere Manier des Autoris, wann ein kleines Modell mit Oelfarben gemahlet wird.In der Ausmahlung/ sollen die Ecke des Stucks nicht leer gelassen/ auch nicht überhäuffet werden. Insonderheit ist/ in solchen Gemälden/ eine Durchsicht zu machen/ zu Erkennung des Horizonts Höhe: welcher allemal/ wo es nötig/ niedrig seyn soll/ zu mehrer Erhebung der Bilder. Die hinterste Theile des Horizonts/ soll ein Mahler nicht durch andere mahlen lassen/ wie die meiste Italiäner thun/ welche gänzlich nur ihrer eignen Meinung folgen/ und also ingemein/ wie man zu sagen pflegt/ zween Köche die Suppe versalzen. Des Historien-Mahlers Gehirn wird sich ja so weit erstrecken/ daß er seinen Landschaften/ mit Wolken oder Gebäuden/ selbst die Harmonie geben könne. Er mus auch das Stuck nicht dünn beseen/ sondern/ wo das fürnehmste der Geschicht zu stehen kommet/ viel Figuren und ganze Klumpen Bilder dahin stellen/ die alle ihr Amt verrichten: aus welche er auch das beste Liecht zuleiten soll/ um die meiste Annehmung des Gesichtes zu befördern. Hierinn hatten Titian, Tintoret, und der meisterhafte Paulus Verones, bessere und gründlichere Manier/ als Michaël Angelo: dessen Lob mehr in Bildhauen einer einigen herrlichen Figur/ als in Mahlen und coloriren bestehet. Der Horizont ist in acht zu nehmen. Das Hintertheil mus man nicht durch andere ausmahlen lassen. Das Gemähl soll wol beBildert seyn. Welche hierinn excelliret? Mich. Angelo, nur gut im Bildhauen.Es soll sich auch kein Mahler/ in solcher Ordinanz,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/258
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675, S. [I, Buch 3 (Malerei), S. 79]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/258>, abgerufen am 21.11.2024.