Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] Höhe geben wir ingemein den langen oder mittlern. Auf diese weise ist auch in der Nähe/ Mitte und Weite/ zu verfahren. Kommet das Bild auf einer Stiege zu stehen/ so nehme man das Maß von derselben 5 Quatersteinen/ solches sey seine Höhe. Wann aber das Bild niederliget/ so seye dasselbige auch also: und wann selbiges verkürzet ligen soll/ so sind die 5 Quatersteine wieder die rechte Länge und Breite. Der effect davon wird seyn/ daß alles/ wie im Leben/ oder nach dem Modell selbst/ wird heraus kommen. Also weiset uns diese Lehr-Art/ wie allerley andere Gebäue/ von Kirchen/Palatien/ Thoren/ Häusern/ Straßen/ Gärten und Gassen/ mit aller zugehör/ nach den Perspectiv-Regeln einzurichten.

Belangend die Art und Weise/ wie die Colonnen oder Pilastern auf einem Grund/ Boden oder Ebne mit den Basen zu stellen sind/ so ist hiervon verhoffentlich im vorhergehenden zur genüge gehandelt/ wie nämlich durch den Quadrat des Cirkels Runde verstanden wird: weil jedesmal eine Rundung/ vermittels des quadro,abzumessen/ also auch aller Capitellen und derer Runde oder Base zu finden. Wollen wir also anitzo nur noch handeln/ wie ganze Gebäue aus des Grundes Boden zu erheben: davon etliche Muster N. 24 vor uns stehen.

Der kürzeste und gewißeste Weg/ hierzu zu gelangen/ ist dieser/ daß man nämlich einen Grund lege von vielen Quatersteinen/ und jeder solcher [Spaltenumbruch] Stein sey ein Schuh/ Spann oder andres Maß:als zum Exempel/ wir sagen/ ein quadro halte 2 Schuhe/ und seyen also von einer Colonna oder Pilastro zu dem andern 4 quadro, wie in dieser Figur zu sehen. Also erhebe man die Colonne, nach gutachten/ übersich bis zu dem Bogen/ wovon hiebey die Form zu sehen:und wiewol die hinterste Bögen nicht können gesehen werden/ hat man doch solche lineamenten auch zeigen wollen/ damit deren Termini, feste Linien und Gebäue erscheinen. Vermittels dieser vier Steine des Grundes/ erhellen die obig verlangte vierecke/ und dann ferner deren Austheilung nach vorgewiesener Regel.

Auf solche weise kan/ in allerley Begebenheiten/ eines jeden Gebäues Unterschied/ der Bögen Rundirung/ Form und Verkürzung/ nach der Perspectiv-Kunst/ vermittels oft-wiederholter Austheilung/ durch den Quadrat-Stein/ gefunden werden: es seyen gleich Gewölber/ auf mehr unterschiedliche art und weise gebogen/ oder Fontainen/ vier-acht-oder mehr-eckichte Brunnen/ oder andere Gebäue/ weil ein jedes sichtbares Ding dem Perspectiv untergeben ist.Derowegen mus des Menschlichen Gesichts Urtheil immerdar selbige betrachten/ auch in der Idea ihm also stark einbilden/ daß die natürliche Dinge mit des tugendhaften Mahlers Verstand jederzeit sich vereinbaren. Dieses sind also die allernötigste Lectionen von der Perspectiv-Kunst/ vermittels deren die übrige geringere allesamt leicht zu finden seyn werden.

[Abbildung]

[Spaltenumbruch] Höhe geben wir ingemein den langen oder mittlern. Auf diese weise ist auch in der Nähe/ Mitte und Weite/ zu verfahren. Kommet das Bild auf einer Stiege zu stehen/ so nehme man das Maß von derselben 5 Quatersteinen/ solches sey seine Höhe. Wann aber das Bild niederliget/ so seye dasselbige auch also: und wann selbiges verkürzet ligen soll/ so sind die 5 Quatersteine wieder die rechte Länge und Breite. Der effect davon wird seyn/ daß alles/ wie im Leben/ oder nach dem Modell selbst/ wird heraus kommen. Also weiset uns diese Lehr-Art/ wie allerley andere Gebäue/ von Kirchen/Palatien/ Thoren/ Häusern/ Straßen/ Gärten und Gassen/ mit aller zugehör/ nach den Perspectiv-Regeln einzurichten.

Belangend die Art und Weise/ wie die Colonnen oder Pilastern auf einem Grund/ Boden oder Ebne mit den Basen zu stellen sind/ so ist hiervon verhoffentlich im vorhergehenden zur genüge gehandelt/ wie nämlich durch den Quadrat des Cirkels Runde verstanden wird: weil jedesmal eine Rundung/ vermittels des quadro,abzumessen/ also auch aller Capitellen und derer Runde oder Base zu finden. Wollen wir also anitzo nur noch handeln/ wie ganze Gebäue aus des Grundes Boden zu erheben: davon etliche Muster N. 24 vor uns stehen.

Der kürzeste und gewißeste Weg/ hierzu zu gelangen/ ist dieser/ daß man nämlich einen Grund lege von vielen Quatersteinen/ und jeder solcher [Spaltenumbruch] Stein sey ein Schuh/ Spann oder andres Maß:als zum Exempel/ wir sagen/ ein quadro halte 2 Schuhe/ und seyen also von einer Colonna oder Pilastro zu dem andern 4 quadro, wie in dieser Figur zu sehen. Also erhebe man die Colonne, nach gutachten/ übersich bis zu dem Bogen/ wovon hiebey die Form zu sehen:und wiewol die hinterste Bögen nicht können gesehen werden/ hat man doch solche lineamenten auch zeigen wollen/ damit deren Termini, feste Linien und Gebäue erscheinen. Vermittels dieser vier Steine des Grundes/ erhellen die obig verlangte vierecke/ und dann ferner deren Austheilung nach vorgewiesener Regel.

Auf solche weise kan/ in allerley Begebenheiten/ eines jeden Gebäues Unterschied/ der Bögen Rundirung/ Form und Verkürzung/ nach der Perspectiv-Kunst/ vermittels oft-wiederholter Austheilung/ durch den Quadrat-Stein/ gefunden werden: es seyen gleich Gewölber/ auf mehr unterschiedliche art und weise gebogen/ oder Fontainen/ vier-acht-oder mehr-eckichte Brunnen/ oder andere Gebäue/ weil ein jedes sichtbares Ding dem Perspectiv untergeben ist.Derowegen mus des Menschlichen Gesichts Urtheil immerdar selbige betrachten/ auch in der Idea ihm also stark einbilden/ daß die natürliche Dinge mit des tugendhaften Mahlers Verstand jederzeit sich vereinbaren. Dieses sind also die allernötigste Lectionen von der Perspectiv-Kunst/ vermittels deren die übrige geringere allesamt leicht zu finden seyn werden.

[Abbildung]
<TEI>
  <text xml:id="ta1675">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div xml:id="d176.1">
            <p xml:id="p188.7"><pb facs="#f0285" xml:id="pb-189" n="[I, Buch 3 (Malerei), S. 98]"/><cb/>
Höhe geben wir ingemein den langen oder mittlern. Auf diese weise ist auch in der Nähe/ Mitte und Weite/ zu verfahren. Kommet das Bild auf einer Stiege zu stehen/ so nehme man das Maß von derselben 5 Quatersteinen/ solches sey seine Höhe. Wann aber das Bild niederliget/ so seye dasselbige auch also: und wann selbiges verkürzet ligen soll/ so sind die 5 Quatersteine wieder die rechte Länge und Breite. Der <hi rendition="#aq">effect</hi> davon wird seyn/ daß alles/ wie im Leben/ oder nach dem <hi rendition="#aq">Modell</hi> selbst/ wird heraus kommen. Also weiset uns diese Lehr-Art/ wie allerley andere Gebäue/ von Kirchen/<hi rendition="#aq">Palatien</hi>/ Thoren/ Häusern/ Straßen/ Gärten und Gassen/ mit aller zugehör/ nach den <hi rendition="#aq">Perspectiv</hi>-Regeln einzurichten.</p>
            <p xml:id="p189.1">Belangend die Art und Weise/ wie die <hi rendition="#aq">Colonn</hi>en oder <hi rendition="#aq">Pilaster</hi>n auf einem Grund/ Boden oder Ebne mit den <hi rendition="#aq">Bas</hi>en zu stellen sind/ so ist hiervon verhoffentlich im vorhergehenden zur genüge gehandelt/ wie nämlich durch den <hi rendition="#aq">Quadrat</hi> des Cirkels Runde verstanden wird: weil jedesmal eine Rundung/ vermittels des <hi rendition="#aq">quadro,</hi>abzumessen/ also auch aller Capitellen und derer Runde oder <hi rendition="#aq">Base</hi> zu finden. Wollen wir also anitzo nur noch handeln/ wie ganze Gebäue aus des Grundes Boden zu erheben: davon etliche Muster <name ref="http://ta.sandrart.net/-artwork-2175" type="artificialWork"><hi rendition="#aq">N</hi>. 24</name> vor uns stehen.</p>
            <p xml:id="p189.2">Der kürzeste und gewißeste Weg/ hierzu zu gelangen/ ist dieser/ daß man nämlich einen Grund lege von vielen Quatersteinen/ und jeder solcher
<cb/>
Stein sey ein Schuh/ Spann oder andres Maß:als zum Exempel/ wir sagen/ ein <hi rendition="#aq">quadro</hi> halte 2 Schuhe/ und seyen also von einer <hi rendition="#aq">Colonna</hi> oder <hi rendition="#aq">Pilastro</hi> zu dem andern 4 <hi rendition="#aq">quadro,</hi> wie in dieser Figur zu sehen. Also erhebe man die <hi rendition="#aq">Colonne,</hi> nach gutachten/ übersich bis zu dem Bogen/ wovon hiebey die Form zu sehen:und wiewol die hinterste Bögen nicht können gesehen werden/ hat man doch solche <hi rendition="#aq">lineamenten</hi> auch zeigen wollen/ damit deren <hi rendition="#aq">Termini,</hi> feste Linien und Gebäue erscheinen. Vermittels dieser vier Steine des Grundes/ erhellen die obig verlangte vierecke/ und dann ferner deren Austheilung nach vorgewiesener Regel.</p>
            <p xml:id="p189.3">Auf solche weise kan/ in allerley Begebenheiten/ eines jeden Gebäues Unterschied/ der Bögen Rundirung/ Form und Verkürzung/ nach der <hi rendition="#aq">Perspectiv</hi>-Kunst/ vermittels oft-wiederholter Austheilung/ durch den <hi rendition="#aq">Quadrat</hi>-Stein/ gefunden werden: es seyen gleich Gewölber/ auf mehr unterschiedliche art und weise gebogen/ oder <hi rendition="#aq">Fontain</hi>en/ vier-acht-oder mehr-eckichte Brunnen/ oder andere Gebäue/ weil ein jedes sichtbares Ding dem <hi rendition="#aq">Perspectiv</hi> untergeben ist.Derowegen mus des Menschlichen Gesichts Urtheil immerdar selbige betrachten/ auch in der <hi rendition="#aq">Idea</hi> ihm also stark einbilden/ daß die natürliche Dinge mit des tugendhaften Mahlers Verstand jederzeit sich vereinbaren. Dieses sind also die allernötigste <hi rendition="#aq">Lectionen</hi> von der <hi rendition="#aq">Perspectiv</hi>-Kunst/ vermittels deren die übrige geringere allesamt leicht zu finden seyn werden.</p>
            <figure rendition="#c" xml:id="figure-0189.1">
              <figure facs="figure-0189-1.jpg"/>
            </figure>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[I, Buch 3 (Malerei), S. 98]/0285] Höhe geben wir ingemein den langen oder mittlern. Auf diese weise ist auch in der Nähe/ Mitte und Weite/ zu verfahren. Kommet das Bild auf einer Stiege zu stehen/ so nehme man das Maß von derselben 5 Quatersteinen/ solches sey seine Höhe. Wann aber das Bild niederliget/ so seye dasselbige auch also: und wann selbiges verkürzet ligen soll/ so sind die 5 Quatersteine wieder die rechte Länge und Breite. Der effect davon wird seyn/ daß alles/ wie im Leben/ oder nach dem Modell selbst/ wird heraus kommen. Also weiset uns diese Lehr-Art/ wie allerley andere Gebäue/ von Kirchen/Palatien/ Thoren/ Häusern/ Straßen/ Gärten und Gassen/ mit aller zugehör/ nach den Perspectiv-Regeln einzurichten. Belangend die Art und Weise/ wie die Colonnen oder Pilastern auf einem Grund/ Boden oder Ebne mit den Basen zu stellen sind/ so ist hiervon verhoffentlich im vorhergehenden zur genüge gehandelt/ wie nämlich durch den Quadrat des Cirkels Runde verstanden wird: weil jedesmal eine Rundung/ vermittels des quadro,abzumessen/ also auch aller Capitellen und derer Runde oder Base zu finden. Wollen wir also anitzo nur noch handeln/ wie ganze Gebäue aus des Grundes Boden zu erheben: davon etliche Muster N. 24 vor uns stehen. Der kürzeste und gewißeste Weg/ hierzu zu gelangen/ ist dieser/ daß man nämlich einen Grund lege von vielen Quatersteinen/ und jeder solcher Stein sey ein Schuh/ Spann oder andres Maß:als zum Exempel/ wir sagen/ ein quadro halte 2 Schuhe/ und seyen also von einer Colonna oder Pilastro zu dem andern 4 quadro, wie in dieser Figur zu sehen. Also erhebe man die Colonne, nach gutachten/ übersich bis zu dem Bogen/ wovon hiebey die Form zu sehen:und wiewol die hinterste Bögen nicht können gesehen werden/ hat man doch solche lineamenten auch zeigen wollen/ damit deren Termini, feste Linien und Gebäue erscheinen. Vermittels dieser vier Steine des Grundes/ erhellen die obig verlangte vierecke/ und dann ferner deren Austheilung nach vorgewiesener Regel. Auf solche weise kan/ in allerley Begebenheiten/ eines jeden Gebäues Unterschied/ der Bögen Rundirung/ Form und Verkürzung/ nach der Perspectiv-Kunst/ vermittels oft-wiederholter Austheilung/ durch den Quadrat-Stein/ gefunden werden: es seyen gleich Gewölber/ auf mehr unterschiedliche art und weise gebogen/ oder Fontainen/ vier-acht-oder mehr-eckichte Brunnen/ oder andere Gebäue/ weil ein jedes sichtbares Ding dem Perspectiv untergeben ist.Derowegen mus des Menschlichen Gesichts Urtheil immerdar selbige betrachten/ auch in der Idea ihm also stark einbilden/ daß die natürliche Dinge mit des tugendhaften Mahlers Verstand jederzeit sich vereinbaren. Dieses sind also die allernötigste Lectionen von der Perspectiv-Kunst/ vermittels deren die übrige geringere allesamt leicht zu finden seyn werden. [Abbildung [Abbildung] ]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/285
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675, S. [I, Buch 3 (Malerei), S. 98]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/285>, abgerufen am 21.11.2024.