Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,2. Nürnberg, 1675.[Spaltenumbruch] natürliche/ und jedes seiner condition gleichförmige Bewegungen anzubilden/ daß man sie unmöglich schöner machen konte: Das fliehen der Pferde/ die Grausamkeit der Soldaten/ artliche Landschaften/ erschreckliche Gewitter/ schöne prospective, zierliche Gebäude/ Poetische Fabeln und anders wuste er sowol zu mahlen/ daß man/ kurtz zu reden/ wol von ihme aussagen mag/ er seye ein universaler, vollkommener/ ungemeiner und erfahrner Mahler gewesen. Er bliebe unverheuratet/ weil man ihme zum Cardinals-Hut vielfältige Hoffnung gemacht/ indem er aber allzu unmäßig liebte/ wurde er von einem hitzigen Fieber angegriffen/ welches diese schön blühende Kunst-Blume verbrennet/ und eben auf Sein Tod. den Tag seiner Geburt/ nämlich am Char-Freytag/ im 37ten Jahr seines Alters/ und 1520ten nach Christi Geburt/ seines Lebens beraubet hat/ mit höchster Betrübnis des Papsts / ganzen Römischen Hofs/ und aller Kunstliebenden/ besonderlich der Mahlere/ weil mit diesem Künstler auch viel Künsten ins Grab verscharret worden; Sein verblichener Leichnam wurde anfänglich in den Saal/ darinnen obgemeldtes sein leztes Stuck gestanden/ und nachmals/ sehr herrlich in die Ritonda beygesetzt/ zu ewigen seinen Ehren aber/ wurde ihm von dem Cardinal Bembo diese Grabschrift gemacht: D. O. M. Seine GrabschriftRAPHAEL. SANZIO. JOHANN. FIL. URBINAT. PICTORI. EMINENTISS. VETERUMQUE. AEMULO: CUIUS. SPIRANTES. PROPE. IMAGINES. SI. CONTEMPLERE. NATURAE. ATQUE. ARTIS. FOEDUS. FACILE. INSPEXERIS. JULII. II. ET. LEONIS. X. PONT. MAX. PICTURAE. ET. ARCHITECTURAE. OPERIBUS. GLORIAM. AUXIT. A. XXXVII. INTEGER. INTEGROS. QUO. DIE. NATUS. EST. EO. ESSE. DESIIT. VIII. DIE. APRIL. MD. XX. Ille hic est Raphael, timuit quo sospite vinci rerum magna parens, & moriente mori. Welches also könte gedeutschet werden: Hie liget Raphael, den man nicht kan erheben nach Würde und Verdienst: Sein Lob wird nicht verderben: Es furchte die Natur/ sie müste mit ihm sterben/ weil sie/ so lang er lebt'/ auch hatte Geist und Leben. So schrieb auch Graf Balthasar Castiglione, ihme zu Ehren/ dieses nachfolgende auf seinen Abschied: Quod lacerum corpus Medica sanaverit arte. Hippolytum Stygiis & revocarit aquis, [Spaltenumbruch] ad Stygias ipse est raptus Epidaurius un- das, sie pretium vitae mors fuit artifici: Tu quoque dum toto laniatam corpore Ro- mam, componis miro Raphael ingenio, atque urbis laurum ferro, igni annisque ca- daver, ad vitam antiquum jam revocasque de- cus, movisti Superaum invidiam, indignataque mors est, te dudum extinctis reddere posse ani- man, & quod longa dies paulatim aboleverat, hoc te mortali spreta lege parare iterum. Sic miser, heu! prima cadis interrupte ju- venta, deberi & morti nostraque nosque mones. Welches also könte übersetzet werden: Als Aesculapius mit seiner großen Kunst und Wissenschaft dem Tod Hippolytum entzogen/ verlohr er durch diß Werk der andern Götter Gunst/ drum kam von Jupiter auf ihn ein Keul ge- flogen: daß also er dardurch verlore Geist und Leben/ weil er hat anderen das Leben wiedergeben. So gieng es eben dir/ du Künstler Raphael: Die Künste/ so zu Rom/ durch böser Jahre Zeiten/ durch großer Kriege Grimm/ und andre schwere Fäll/ verderbet und geschändt schon lagen auf der Seiten/ erhubst du wiederum zum alten Stand und Ehren/ du hieltest/ was sich nicht mehr kont des Tods erwehren: drum wolte Neid und Tod diß länger lei- den nicht. Sie dachten: solte der/ was wir verstört/ er- heben/ wo bliebe unsre Macht/ die alles sonst zer- bricht? Und also nahmen sie bey Zeit dir Geist und Leben. Du edler Künstler stirbst noch in gar jun- gen Jahren/ und lehrst uns/ daß wir all' auch müssen dir nachfahren. Und eben zu dieses fürtrefflichen Künstlers höchstverdienten Ehren/ hab ich auch sein Bildnis dem großgünstigen Liebhaber communiciren/ und/ seiner großen Kunst dabey zu gedenken/ der Kupferblatten O einverleiben wollen. [Spaltenumbruch] natürliche/ und jedes seiner condition gleichförmige Bewegungen anzubilden/ daß man sie unmöglich schöner machen konte: Das fliehen der Pferde/ die Grausamkeit der Soldaten/ artliche Landschaften/ erschreckliche Gewitter/ schöne prospective, zierliche Gebäude/ Poetische Fabeln und anders wuste er sowol zu mahlen/ daß man/ kurtz zu reden/ wol von ihme aussagen mag/ er seye ein universaler, vollkommener/ ungemeiner und erfahrner Mahler gewesen. Er bliebe unverheuratet/ weil man ihme zum Cardinals-Hut vielfältige Hoffnung gemacht/ indem er aber allzu unmäßig liebte/ wurde er von einem hitzigen Fieber angegriffen/ welches diese schön blühende Kunst-Blume verbrennet/ und eben auf Sein Tod. den Tag seiner Geburt/ nämlich am Char-Freytag/ im 37ten Jahr seines Alters/ und 1520ten nach Christi Geburt/ seines Lebens beraubet hat/ mit höchster Betrübnis des Papsts / ganzen Römischen Hofs/ und aller Kunstliebenden/ besonderlich der Mahlere/ weil mit diesem Künstler auch viel Künsten ins Grab verscharret worden; Sein verblichener Leichnam wurde anfänglich in den Saal/ darinnen obgemeldtes sein leztes Stuck gestanden/ und nachmals/ sehr herrlich in die Ritonda beygesetzt/ zu ewigen seinen Ehren aber/ wurde ihm von dem Cardinal Bembo diese Grabschrift gemacht: D. O. M. Seine GrabschriftRAPHAEL. SANZIO. JOHANN. FIL. URBINAT. PICTORI. EMINENTISS. VETERUMQUE. AEMULO: CUIUS. SPIRANTES. PROPE. IMAGINES. SI. CONTEMPLERE. NATURAE. ATQUE. ARTIS. FOEDUS. FACILE. INSPEXERIS. JULII. II. ET. LEONIS. X. PONT. MAX. PICTURAE. ET. ARCHITECTURAE. OPERIBUS. GLORIAM. AUXIT. A. XXXVII. INTEGER. INTEGROS. QUO. DIE. NATUS. EST. EO. ESSE. DESIIT. VIII. DIE. APRIL. MD. XX. Ille hic est Raphaël, timuit quo sospite vinci rerum magna parens, & moriente mori. Welches also könte gedeutschet werden: Hie liget Raphaël, den man nicht kan erheben nach Würde und Verdienst: Sein Lob wird nicht verderben: Es furchte die Natur/ sie müste mit ihm sterben/ weil sie/ so lang er lebt’/ auch hatte Geist und Leben. So schrieb auch Graf Balthasar Castiglione, ihme zu Ehren/ dieses nachfolgende auf seinen Abschied: Quòd lacerum corpus Medicâ sanaverit arte. Hippolytum Stygiis & revocârit aquis, [Spaltenumbruch] ad Stygias ipse est raptus Epidaurius un- das, sie pretium vitae mors fuit artifici: Tu quoque dum toto laniatam corpore Ro- mam, componis miro Raphaël ingenio, atque urbis laurum ferro, igni annisque ca- daver, ad vitam antiquum jam revocasque de- cus, movisti Superûm invidiam, indignataque mors est, te dudum extinctis reddere posse ani- man, & quòd longa dies paulatim aboleverat, hoc te mortali spreta lege parare iterum. Sic miser, heu! prima cadis interrupte ju- ventâ, deberi & morti nostraque nosque mones. Welches also könte übersetzet werden: Als Aesculapius mit seiner großen Kunst und Wissenschaft dem Tod Hippolytum entzogen/ verlohr er durch diß Werk der andern Götter Gunst/ drum kam von Jupiter auf ihn ein Keul ge- flogen: daß also er dardurch verlore Geist und Leben/ weil er hat anderen das Leben wiedergeben. So gieng es eben dir/ du Künstler Raphaël: Die Künste/ so zu Rom/ durch böser Jahre Zeiten/ durch großer Kriege Grimm/ und andre schwere Fäll/ verderbet und geschändt schon lagen auf der Seiten/ erhubst du wiederum zum alten Stand und Ehren/ du hieltest/ was sich nicht mehr kont des Tods erwehren: drum wolte Neid und Tod diß länger lei- den nicht. Sie dachten: solte der/ was wir verstört/ er- heben/ wo bliebe unsre Macht/ die alles sonst zer- bricht? Und also nahmen sie bey Zeit dir Geist und Leben. Du edler Künstler stirbst noch in gar jun- gen Jahren/ und lehrst uns/ daß wir all’ auch müssen dir nachfahren. Und eben zu dieses fürtrefflichen Künstlers höchstverdienten Ehren/ hab ich auch sein Bildnis dem großgünstigen Liebhaber communiciren/ und/ seiner großen Kunst dabey zu gedenken/ der Kupferblatten O einverleiben wollen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0126" xml:id="pb-308" n="[II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 98]"/><cb/> natürliche/ und jedes seiner <hi rendition="#aq">condition</hi> gleichförmige Bewegungen anzubilden/ daß man sie unmöglich schöner machen konte: Das fliehen der Pferde/ die Grausamkeit der Soldaten/ artliche Landschaften/ erschreckliche Gewitter/ schöne <hi rendition="#aq">prospective,</hi> zierliche Gebäude/ Poetische Fabeln und anders wuste er sowol zu mahlen/ daß man/ kurtz zu reden/ wol von ihme aussagen mag/ er seye ein <hi rendition="#aq">universaler,</hi> vollkommener/ ungemeiner und erfahrner Mahler gewesen.</p> <p>Er bliebe unverheuratet/ weil man ihme zum Cardinals-Hut vielfältige Hoffnung gemacht/ indem er aber allzu unmäßig liebte/ wurde er von einem hitzigen Fieber angegriffen/ welches diese schön blühende Kunst-Blume verbrennet/ und eben auf <note place="right">Sein Tod.</note> den Tag seiner Geburt/ nämlich am Char-Freytag/ im 37ten Jahr seines Alters/ und <date when="1520">1520ten</date> nach Christi Geburt/ seines Lebens beraubet hat/ mit höchster Betrübnis des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-249 http://d-nb.info/gnd/118640437 http://viaf.org/viaf/96579640">Papsts</persName> / ganzen Römischen Hofs/ und aller Kunstliebenden/ besonderlich der Mahlere/ weil mit diesem Künstler auch viel Künsten ins Grab verscharret worden; Sein verblichener Leichnam wurde anfänglich in den Saal/ darinnen obgemeldtes sein leztes Stuck gestanden/ und nachmals/ sehr herrlich in die <hi rendition="#aq"><placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-106 http://arachne.uni-koeln.de/item/bauwerk/2100086 http://census.bbaw.de/easydb/censusID=150770">Ritonda</placeName></hi> beygesetzt/ zu ewigen seinen Ehren aber/ wurde ihm von dem <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1350 http://d-nb.info/gnd/118658115 http://viaf.org/viaf/54144140">Cardinal Bembo</persName></hi> diese Grabschrift gemacht:</p> <p rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <foreign xml:lang="lat">D. 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natürliche/ und jedes seiner condition gleichförmige Bewegungen anzubilden/ daß man sie unmöglich schöner machen konte: Das fliehen der Pferde/ die Grausamkeit der Soldaten/ artliche Landschaften/ erschreckliche Gewitter/ schöne prospective, zierliche Gebäude/ Poetische Fabeln und anders wuste er sowol zu mahlen/ daß man/ kurtz zu reden/ wol von ihme aussagen mag/ er seye ein universaler, vollkommener/ ungemeiner und erfahrner Mahler gewesen.
Er bliebe unverheuratet/ weil man ihme zum Cardinals-Hut vielfältige Hoffnung gemacht/ indem er aber allzu unmäßig liebte/ wurde er von einem hitzigen Fieber angegriffen/ welches diese schön blühende Kunst-Blume verbrennet/ und eben auf den Tag seiner Geburt/ nämlich am Char-Freytag/ im 37ten Jahr seines Alters/ und 1520ten nach Christi Geburt/ seines Lebens beraubet hat/ mit höchster Betrübnis des Papsts / ganzen Römischen Hofs/ und aller Kunstliebenden/ besonderlich der Mahlere/ weil mit diesem Künstler auch viel Künsten ins Grab verscharret worden; Sein verblichener Leichnam wurde anfänglich in den Saal/ darinnen obgemeldtes sein leztes Stuck gestanden/ und nachmals/ sehr herrlich in die Ritonda beygesetzt/ zu ewigen seinen Ehren aber/ wurde ihm von dem Cardinal Bembo diese Grabschrift gemacht:
Sein Tod. D. O. M.
RAPHAEL. SANZIO. JOHANN. FIL. URBINAT. PICTORI. EMINENTISS. VETERUMQUE. AEMULO: CUIUS. SPIRANTES. PROPE. IMAGINES. SI. CONTEMPLERE. NATURAE. ATQUE. ARTIS. FOEDUS. FACILE. INSPEXERIS. JULII. II. ET. LEONIS. X. PONT. MAX. PICTURAE. ET. ARCHITECTURAE. OPERIBUS. GLORIAM. AUXIT. A. XXXVII. INTEGER. INTEGROS. QUO. DIE. NATUS. EST. EO. ESSE. DESIIT. VIII. DIE. APRIL. MD. XX.
Ille hic est Raphaël, timuit quo sospite vinci rerum magna parens, & moriente mori.
Welches also könte gedeutschet werden:
Hie liget Raphaël, den man nicht kan erheben
nach Würde und Verdienst: Sein Lob wird
nicht verderben:
Es furchte die Natur/ sie müste mit ihm
sterben/
weil sie/ so lang er lebt’/ auch hatte Geist und
Leben.
So schrieb auch Graf Balthasar Castiglione, ihme zu Ehren/ dieses nachfolgende auf seinen Abschied:
Quòd lacerum corpus Medicâ sanaverit
arte.
Hippolytum Stygiis & revocârit aquis,
ad Stygias ipse est raptus Epidaurius un-
das,
sie pretium vitae mors fuit artifici:
Tu quoque dum toto laniatam corpore Ro-
mam,
componis miro Raphaël ingenio,
atque urbis laurum ferro, igni annisque ca-
daver,
ad vitam antiquum jam revocasque de-
cus,
movisti Superûm invidiam, indignataque
mors est,
te dudum extinctis reddere posse ani-
man,
& quòd longa dies paulatim aboleverat,
hoc te
mortali spreta lege parare iterum.
Sic miser, heu! prima cadis interrupte ju-
ventâ,
deberi & morti nostraque nosque mones.
Welches also könte übersetzet werden:
Als Aesculapius mit seiner großen Kunst
und Wissenschaft dem Tod Hippolytum
entzogen/
verlohr er durch diß Werk der andern Götter
Gunst/
drum kam von Jupiter auf ihn ein Keul ge-
flogen:
daß also er dardurch verlore Geist und Leben/
weil er hat anderen das Leben wiedergeben.
So gieng es eben dir/ du Künstler Raphaël:
Die Künste/ so zu Rom/ durch böser Jahre
Zeiten/
durch großer Kriege Grimm/ und andre
schwere Fäll/
verderbet und geschändt schon lagen auf der
Seiten/
erhubst du wiederum zum alten Stand und
Ehren/
du hieltest/ was sich nicht mehr kont des Tods
erwehren:
drum wolte Neid und Tod diß länger lei-
den nicht.
Sie dachten: solte der/ was wir verstört/ er-
heben/
wo bliebe unsre Macht/ die alles sonst zer-
bricht?
Und also nahmen sie bey Zeit dir Geist und
Leben.
Du edler Künstler stirbst noch in gar jun-
gen Jahren/
und lehrst uns/ daß wir all’ auch müssen dir
nachfahren.
Und eben zu dieses fürtrefflichen Künstlers höchstverdienten Ehren/ hab ich auch sein Bildnis dem großgünstigen Liebhaber communiciren/ und/ seiner großen Kunst dabey zu gedenken/ der Kupferblatten O einverleiben wollen.
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