Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,2. Nürnberg, 1675.[Spaltenumbruch] und in der andern ein Tieger-Haut/ samt einem Weintrauben/ welchen ein junger Satyrus zu essen versucht. In dieser Figur sihet man/ daß er eine männliche/ fröliche und fleischichte Rundigkeit zuwegen gebracht/ so/ daß es das bäste Bild war/ welches jemalen bey den Modernen gemacht worden/ und alle andere Werke übertroffen. Hierdurch nun wurde der Cardinal von Rouan, um eine Gedächtnus in Rom zu hinterlassen/ bewogen/ daß er ihme ein grosses Marienbild von Und einen todten Christum. Marmor/ so man delle Febre nennet/ mit einem todten Christus auf der Schoß machen lassen/ welcher Christus dann nackend von Musculen/ Adern und Nerven/ auch am Gebein und Leichnam so gemacht/ daß niemand etwas bässers zu sehen Hofnung haben kan. Etliche zwar stimpften darüber/ und sagten/ daß das Angesicht der Maria viel jünger/ als Christi ihres Sohns wäre/ aber solche Unverständige bedachten nicht/ daß einer Jungfer Angesicht viel eine längere Zeit schöner bleibt/ als einer andern Frauen/ und daß die Gesichter der jenigen/ die viel leiden/ gleichwie Christus/ ehender veralten. Weiln nun diß Werk in S.Peters Kirche gestellet worden/ wurde von einigen aus der Lombardie gesagt/ daß es von einem andern gemacht worden/welches/ als es Michael Angelo gehört/ hat er zur Nacht auf den Saum des Kleids Maria seinen Namen eingehauen. Sonsten sezte/ wegen Fürtreflichkeit dieses Bilds/ ein köstlicher Poet/ auf Italiänisch/ folgendes Gedicht hinzu: Bellezza e honestate, Edoglia, e pieta in vivo marmo morte Deh come uoi pur fate Non piangete si forte Cheanzi tempo ris ueglist da morte Et pur mal grado suo Nostro signore & tuo Sposo figliolo & padre Unuo sposo sua figlioula e madre Hierauf bekame er einen sehr großen Ruff/ und wurde nach Florentz/ allwo ein Stuck Marmor von neun Elen hoch war/ gefordert/ daraus nun wolte einer/ Simon da Fiesole, einen Risen machen/ den aber hatte er so böß und übel zugericht/ daß keiner ihm mehr ein Bild/ ohne Zuflickung einiger Stuck/ daraus zu machen getrauet/ sintemalen Mahlt zu Florenz einen David. die Bein alle durchgraben waren/ und also als ein verlassenes Werk da lage. Wie aber Michäel Angelo diesen Stein bekommen/ fertigte er ein Modell von Wachs/ und machte daraus einen jungen David mit der Schleuder in der Hand/ führte ihn auf ein Gerüst/ und bedeckte solchen/ daß es niemand sehen konte/ brachte darauf sein Werk zur Vollkommenheit. Zum letzten/ als er es schier ausgemachet hatte/ und eben im auspolieren begriffen ware/ sagte Pietro Soderini zu ihme/ daß ihme dieses Bildes Nase zu dick wäre. Michael Angelo Behält einen der Kunst Unverständigen/ auf eine artliche Weiss zu seinen Freund. aber merkte wol/ daß er die Sache nicht verstünde/ und daß er also darvon kein Urtheil fällen könte/ doch um diesen auch zu vergnügen/ stiege er geschwind auf das Gerüst/ und nahm in die linke Hand den Meißel/ und ein wenig Schirffenstein/ so auf dem Gerüst lagen/ und machte sich über[Spaltenumbruch] die Nase her/ ließe nach und nach von diesen Schirffen was fallen/ ohn daß er etwas an der Nase veränderte/ nachmalen wendete er ihn/ und sahe nach Soderini, welcher aufwerts gestanden/ zu ihm sprechend/ daß er sich umkehren/ und nun zusehen solte/ izt würde vielleicht die Nase recht seyn/ worauf dieser zur Antwort gegeben/ nun steht es ihme bässer an/ ihr habt ihm damit das Leben gegeben; darmit war Michael Angelo zufrieden/ und lachte bey sich selber/ daß er den Herrn also vergnügt/ und zugleich seinen Unverstand betrogen hatte/ dann gewißlich das Bild so fürtreflich ware/ daß es sich nicht schämen dörffen/ bey allen andern Bildern von Modernen und Antichen/ Griechischen oder Lateinischen zu stehen/ weil in desselben Beinen sehr schöne Umstrich und Umzüge zu sehen; wie dann auch eine sonderbare Gratia und Annehmlichkeit in der Postur, auch gute Vollkommenheit in den Füßen/ Händen/ Angesicht und andern Gliedern zu beobachten; für dieses hatte Michael Angelo zu seinem Lohn von dem fürnehmen Herrn Soderini 400. Cronen bekommen/ und für den Palast des Hertzogs Anno 1504. gestellet. Unterschiedliche Werke von seiner Hand. Wiederum machte er für denselbigen einen David von Kupfer/ der in Frankreich gesandt worden/ und auch sehr künstlich heraus kommen; Nachmalen färtigte er in rund und halb rund ein Marienbild/ von Kupfer gegossen/ für einige Niederländische Edelleute von dem Haus Maschkerous/ die bezahlten ihm darfür 100. Cronen/ und schickten es in Flandern. Einer seiner Freund und Kunst-Liebhaber Angelo Doni genannt/ ein Florentinischer Burger/ als welcher viel künstliche Stück von Antichen und Modernen hatte/ verlangte auch begierig/ etwas von Michael Angelo zu Mahlet ein sehr künstlich Marien-Bild. haben/ deme er dann ein Marienbild/ so auf beyden Knien liget/ und auf den Armen ein Kind hält/ solches aber Joseph zureichet/ und selbiger es empfängt/ gemahlet/ darinn sahe man nun in dem Umsehen Maria/ wie sie ihr Angesicht gantz starr auf das Kindlein schluge/ des Kinds Schönheit aber und ihr Vergnügen/ so sie an dem Kind hatte/ kunte man aus dem gebildten Angesicht abnehmen/ wie nicht weniger auch die Begierde/ so sich bey ihr/ um ihren Ehmann dieses Kindleins auch theilhaftig zu machen/ erregt/ der dann auch mit seinem Angesicht und den Augen erweiset/ daß er selbiges mit ebenmässiger Begierd und Liebe empfangen. Darauf nun/ um seine Kunst weiters zu zeigen/ hat er in eine Landschaft viel nackende Bilder auf unterschiedliche Manier gemacht/ bey welchen alles so Artliche Manier des Michael, die Bezahlung für ein Gemähl zu fordern. artig und nett gerahten/ daß er dergleichen noch niemalen zuwegen gebracht. Als er dieses alles geendiget/ schickte ers dem Angelo Dono nach Haus/ und begehrte 70. Ducaten darfür/ diß bedunkte ihm/ als der ein karger Mann ware/ für ein Gemähl allzu viel/ und sagte deßwegen zu dem Boten/ daß 40. ja genug wären/ die er ihme auch geliefert. Michael Angelo aber sandte den Boten gleich wieder zu ihm/ mit Befehl/ daß er hundert Ducaten bringen/ oder das Gemähl wieder begehren solte. Angelo, welcher das Stuck nicht gern aus den Händen ließe/ botte ihme die zu erst [Spaltenumbruch] und in der andern ein Tieger-Haut/ samt einem Weintrauben/ welchen ein junger Satyrus zu essen versucht. In dieser Figur sihet man/ daß er eine männliche/ fröliche und fleischichte Rundigkeit zuwegen gebracht/ so/ daß es das bäste Bild war/ welches jemalen bey den Modernen gemacht worden/ und alle andere Werke übertroffen. Hierdurch nun wurde der Cardinal von Rouan, um eine Gedächtnus in Rom zu hinterlassen/ bewogen/ daß er ihme ein grosses Marienbild von Und einen todten Christum. Marmor/ so man delle Febre nennet/ mit einem todten Christus auf der Schoß machen lassen/ welcher Christus dann nackend von Musculen/ Adern und Nerven/ auch am Gebein und Leichnam so gemacht/ daß niemand etwas bässers zu sehen Hofnung haben kan. Etliche zwar stimpften darüber/ und sagten/ daß das Angesicht der Maria viel jünger/ als Christi ihres Sohns wäre/ aber solche Unverständige bedachten nicht/ daß einer Jungfer Angesicht viel eine längere Zeit schöner bleibt/ als einer andern Frauen/ und daß die Gesichter der jenigen/ die viel leiden/ gleichwie Christus/ ehender veralten. Weiln nun diß Werk in S.Peters Kirche gestellet worden/ wurde von einigen aus der Lombardie gesagt/ daß es von einem andern gemacht worden/welches/ als es Michaël Angelo gehört/ hat er zur Nacht auf den Saum des Kleids Maria seinen Namen eingehauen. Sonsten sezte/ wegen Fürtreflichkeit dieses Bilds/ ein köstlicher Poet/ auf Italiänisch/ folgendes Gedicht hinzu: Bellezza e honestate, Edoglia, e pieta in vivo marmo morte Deh come uoi pur fate Non piangete si forte Cheanzi tempo ris ueglist da morte Et pur mal grado suo Nostro signore & tuo Sposo figliolo & padre Unuo sposo sua figlioula e madre Hierauf bekame er einen sehr großen Ruff/ und wurde nach Florentz/ allwo ein Stuck Marmor von neun Elen hoch war/ gefordert/ daraus nun wolte einer/ Simon da Fiesole, einen Risen machen/ den aber hatte er so böß und übel zugericht/ daß keiner ihm mehr ein Bild/ ohne Zuflickung einiger Stuck/ daraus zu machen getrauet/ sintemalen Mahlt zu Florenz einen David. die Bein alle durchgraben waren/ und also als ein verlassenes Werk da lage. 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und in der andern ein Tieger-Haut/ samt einem Weintrauben/ welchen ein junger Satyrus zu essen versucht. In dieser Figur sihet man/ daß er eine männliche/ fröliche und fleischichte Rundigkeit zuwegen gebracht/ so/ daß es das bäste Bild war/ welches jemalen bey den Modernen gemacht worden/ und alle andere Werke übertroffen.
Hierdurch nun wurde der Cardinal von Rouan, um eine Gedächtnus in Rom zu hinterlassen/ bewogen/ daß er ihme ein grosses Marienbild von Marmor/ so man delle Febre nennet/ mit einem todten Christus auf der Schoß machen lassen/ welcher Christus dann nackend von Musculen/ Adern und Nerven/ auch am Gebein und Leichnam so gemacht/ daß niemand etwas bässers zu sehen Hofnung haben kan. Etliche zwar stimpften darüber/ und sagten/ daß das Angesicht der Maria viel jünger/ als Christi ihres Sohns wäre/ aber solche Unverständige bedachten nicht/ daß einer Jungfer Angesicht viel eine längere Zeit schöner bleibt/ als einer andern Frauen/ und daß die Gesichter der jenigen/ die viel leiden/ gleichwie Christus/ ehender veralten. Weiln nun diß Werk in S.Peters Kirche gestellet worden/ wurde von einigen aus der Lombardie gesagt/ daß es von einem andern gemacht worden/welches/ als es Michaël Angelo gehört/ hat er zur Nacht auf den Saum des Kleids Maria seinen Namen eingehauen. Sonsten sezte/ wegen Fürtreflichkeit dieses Bilds/ ein köstlicher Poet/ auf Italiänisch/ folgendes Gedicht hinzu:
Und einen todten Christum. Bellezza e honestate,
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Deh come uoi pur fate
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Et pur mal grado suo
Nostro signore & tuo
Sposo figliolo & padre
Unuo sposo sua figlioula e madre
Hierauf bekame er einen sehr großen Ruff/ und wurde nach Florentz/ allwo ein Stuck Marmor von neun Elen hoch war/ gefordert/ daraus nun wolte einer/ Simon da Fiesole, einen Risen machen/ den aber hatte er so böß und übel zugericht/ daß keiner ihm mehr ein Bild/ ohne Zuflickung einiger Stuck/ daraus zu machen getrauet/ sintemalen die Bein alle durchgraben waren/ und also als ein verlassenes Werk da lage. Wie aber Michäel Angelo diesen Stein bekommen/ fertigte er ein Modell von Wachs/ und machte daraus einen jungen David mit der Schleuder in der Hand/ führte ihn auf ein Gerüst/ und bedeckte solchen/ daß es niemand sehen konte/ brachte darauf sein Werk zur Vollkommenheit. Zum letzten/ als er es schier ausgemachet hatte/ und eben im auspolieren begriffen ware/ sagte Pietro Soderini zu ihme/ daß ihme dieses Bildes Nase zu dick wäre. Michaël Angelo aber merkte wol/ daß er die Sache nicht verstünde/ und daß er also darvon kein Urtheil fällen könte/ doch um diesen auch zu vergnügen/ stiege er geschwind auf das Gerüst/ und nahm in die linke Hand den Meißel/ und ein wenig Schirffenstein/ so auf dem Gerüst lagen/ und machte sich über
die Nase her/ ließe nach und nach von diesen Schirffen was fallen/ ohn daß er etwas an der Nase veränderte/ nachmalen wendete er ihn/ und sahe nach Soderini, welcher aufwerts gestanden/ zu ihm sprechend/ daß er sich umkehren/ und nun zusehen solte/ izt würde vielleicht die Nase recht seyn/ worauf dieser zur Antwort gegeben/ nun steht es ihme bässer an/ ihr habt ihm damit das Leben gegeben; darmit war Michaël Angelo zufrieden/ und lachte bey sich selber/ daß er den Herrn also vergnügt/ und zugleich seinen Unverstand betrogen hatte/ dann gewißlich das Bild so fürtreflich ware/ daß es sich nicht schämen dörffen/ bey allen andern Bildern von Modernen und Antichen/ Griechischen oder Lateinischen zu stehen/ weil in desselben Beinen sehr schöne Umstrich und Umzüge zu sehen; wie dann auch eine sonderbare Gratia und Annehmlichkeit in der Postur, auch gute Vollkommenheit in den Füßen/ Händen/ Angesicht und andern Gliedern zu beobachten; für dieses hatte Michaël Angelo zu seinem Lohn von dem fürnehmen Herrn Soderini 400. Cronen bekommen/ und für den Palast des Hertzogs Anno 1504. gestellet.
Mahlt zu Florenz einen David.
Behält einen der Kunst Unverständigen/ auf eine artliche Weiss zu seinen Freund. Wiederum machte er für denselbigen einen David von Kupfer/ der in Frankreich gesandt worden/ und auch sehr künstlich heraus kommen; Nachmalen färtigte er in rund und halb rund ein Marienbild/ von Kupfer gegossen/ für einige Niederländische Edelleute von dem Haus Maschkerous/ die bezahlten ihm darfür 100. Cronen/ und schickten es in Flandern. Einer seiner Freund und Kunst-Liebhaber Angelo Doni genannt/ ein Florentinischer Burger/ als welcher viel künstliche Stück von Antichen und Modernen hatte/ verlangte auch begierig/ etwas von Michaël Angelo zu haben/ deme er dann ein Marienbild/ so auf beyden Knien liget/ und auf den Armen ein Kind hält/ solches aber Joseph zureichet/ und selbiger es empfängt/ gemahlet/ darinn sahe man nun in dem Umsehen Maria/ wie sie ihr Angesicht gantz starr auf das Kindlein schluge/ des Kinds Schönheit aber und ihr Vergnügen/ so sie an dem Kind hatte/ kunte man aus dem gebildten Angesicht abnehmen/ wie nicht weniger auch die Begierde/ so sich bey ihr/ um ihren Ehmann dieses Kindleins auch theilhaftig zu machen/ erregt/ der dann auch mit seinem Angesicht und den Augen erweiset/ daß er selbiges mit ebenmässiger Begierd und Liebe empfangen. Darauf nun/ um seine Kunst weiters zu zeigen/ hat er in eine Landschaft viel nackende Bilder auf unterschiedliche Manier gemacht/ bey welchen alles so artig und nett gerahten/ daß er dergleichen noch niemalen zuwegen gebracht. Als er dieses alles geendiget/ schickte ers dem Angelo Dono nach Haus/ und begehrte 70. Ducaten darfür/ diß bedunkte ihm/ als der ein karger Mann ware/ für ein Gemähl allzu viel/ und sagte deßwegen zu dem Boten/ daß 40. ja genug wären/ die er ihme auch geliefert. Michaël Angelo aber sandte den Boten gleich wieder zu ihm/ mit Befehl/ daß er hundert Ducaten bringen/ oder das Gemähl wieder begehren solte. Angelo, welcher das Stuck nicht gern aus den Händen ließe/ botte ihme die zu erst
Unterschiedliche Werke von seiner Hand.
Mahlet ein sehr künstlich Marien-Bild.
Artliche Manier des Michaël, die Bezahlung für ein Gemähl zu fordern.
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