Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.[Spaltenumbruch] Vatter Apollo suchte/ begreifft diesen Verstand/ daß die Hitze/ nachdem sie zerstreuet/ und in mancherley Theile gesondert/ wieder zu ihrem Vatter [Spaltenumbruch] und Ursprunge/ der Sonnen/ sich wende und umkehre. Ende des Ersten Buchs. Der Ausleg- und Sinn-gebender Erklärung/ über die METAMORPHOSIS, Oder Wandlungs-Bücher/ Des Publius Ovidius Naso. Zweytes Buch. [Spaltenumbruch]
Ursprung der Fabel vom Phaeton/ auf die erste Art. DIe Fabel von Phaeton ist genommen und ersonnen/ aus einer wahren Geschicht/ die auch vom Eusebius und Orosius beschrieben ist: Nemlich/ daß zur Zeit des Atheniensischen Königs Cecrops in Griechenlande/ eine Wunder-grosse/ brennende Hitze sich ereignet/ die nicht durch Menschen-Werck/ sondern vom Himmel herab gesand/ und genannt worden/ die Entzündung Phaetons. Diese verbrante die Felder/ machte die Früchte zu Aschen/ trucknete die Flüsse aus/ zündete die Städte an/ und verbrante die Häuser; also/ daß das Volck allenthalben hin fliehen muste/ wo es am besten mochte/ oder vermeinte/ sicher zu seyn. Diese Hitze währete einige Monate/ und mochte nit gelöschet werden/ bis sie der Herbstliche Regen endlich dämpffte und auslöschte. Phaeton nun bedeutet/ als oben bereits angeregt worden/ eine Entzündung/ oder das Brennen. Und ist also Phaeton nicht allein ein Sohn der Sonnen/ welche ein Ursprung und Brunn des Feuers ist/ sondern auch der Clymene/ welche das Wasser/ oder die Feuchtigkeit/ bedeutet. Zumaln dieses Wort/ dem Ursprunge nach/ Griechisch/ von Clio herkommt/ und wallen oder Fliessen bedeutet. Dieweil das Feuer nicht bestehen mag/ es sey dann/ daß es/ durch gehörige Feuchtigkeit/ gestärcket und erhalten werde. Und dieses kommt überein/ mit der Meinung des Anaxagoras und Heraclides/ welche darvor gehalten/ daß die Sterne feurig wären/ und von dem feuchten Dämpfen/ welche die Sonne/ durch die Krafft ihrer Strahlen/ von der Erden in die Höhe zöge/ genehret und erhalten werden müsten. Wann nun diese Dämpffe/ indeme das Wetter sich zum Regen anschickte/ von der Sonne erwärmet/ dicke und entzündet[Spaltenumbruch] würden/ pflegte die Hitze/ als offtmals im Sommer geschähe/ unerträglich zu werden. Was Phaetons begehren bedeute. Das Begehren des Phaetons/ nemlich/ der Sonnen-Wagen zu führen/ ist des Menschen angeborne Lust/ groß zu werden/ welche fast bey allen gespüret Phaetons-Wagen-Leitung/ was sie natürlich bedeute. wird. In dieser Regier- oder Führung/ wird fürs rahtsamste geachtet/ die Mittel Bahn zu halten/ und weder zu hoch/ noch zu niedrig zu fahren. Daß Phaeton/ als er in den brennenden Weg/ oder den zwanzigsten Grad der Waag/ und den zehnten Grad des Scorpions/ kommen/ den Ziegel fallen lassen/ wil andeuten/ daß alsdann eine grosse Dürre sey/ das Kraut verbrenne/ und die Erde zu aller Was Phaetons Niderschlagung vom Donnerkeil natürlich bedeute. Fruchtbarkeit untüchtig werde. Und daß ferner Phaeton/ im Mittel des Herbsts/ von dem Jupiter/ mit einem Donnerstrahl/ geschlagen worden/ zeiget an/ daß um solche Zeit die Hitz gelöschet werde/ und die Erde/ auf Empfangung des erfrischenden Regens/ ihre verbrante Gestalt verliere/ auch wiederum frölich/ und zum Wachsthum bequem und geschickt werde. Diese Fabel lehret auch/ wie schädlich es sey/ wann Kinder/ oder unweise Könige/ und Obrigkeiten/ über die Länder herrschen/ und was/ neben ihrem eignem Verderben/ vor unsäglicher Schade insgemein daraus zu entstehen pflege. Solche unwissende/ oder unverständige Regenten/ werden allhier/ von dem Poeten/ abgebildet und gestraffet. Diese Fabel ist noch/ auf eine andre Geschicht/ von Phaeton/ dem Könige aus Indien/ gegründet: welcher/ hochmütiges Geistes war/ groß Wesen von seiner eignen Wissenschafft/ da er doch ein Narr/ ohne Urtheil und Verstand war/ machte/ und mit seinen Gesetzen/ falschen und ungerechten Verordnungen/ als dem rechten Feuer des Irrthums/ sein gantzes Land/ zusamt unzehligem Volcke/ gleichsam verbrante/ [Spaltenumbruch] Vatter Apollo suchte/ begreifft diesen Verstand/ daß die Hitze/ nachdem sie zerstreuet/ und in mancherley Theile gesondert/ wieder zu ihrem Vatter [Spaltenumbruch] und Ursprunge/ der Sonnen/ sich wende und umkehre. Ende des Ersten Buchs. Der Ausleg- und Sinn-gebender Erklärung/ über die METAMORPHOSIS, Oder Wandlungs-Bücher/ Des Publius Ovidius Naso. Zweytes Buch. [Spaltenumbruch]
Ursprung der Fabel vom Phaeton/ auf die erste Art. DIe Fabel von Phaeton ist genommen und ersonnen/ aus einer wahren Geschicht/ die auch vom Eusebius und Orosius beschrieben ist: Nemlich/ daß zur Zeit des Atheniensischen Königs Cecrops in Griechenlande/ eine Wunder-grosse/ brennende Hitze sich ereignet/ die nicht durch Menschen-Werck/ sondern vom Himmel herab gesand/ und genannt worden/ die Entzündung Phaetons. Diese verbrante die Felder/ machte die Früchte zu Aschen/ trucknete die Flüsse aus/ zündete die Städte an/ und verbrante die Häuser; also/ daß das Volck allenthalben hin fliehen muste/ wo es am besten mochte/ oder vermeinte/ sicher zu seyn. Diese Hitze währete einige Monate/ und mochte nit gelöschet werden/ bis sie der Herbstliche Regen endlich dämpffte und auslöschte. Phaeton nun bedeutet/ als oben bereits angeregt worden/ eine Entzündung/ oder das Brennen. Und ist also Phaeton nicht allein ein Sohn der Sonnen/ welche ein Ursprung und Brunn des Feuers ist/ sondern auch der Clymene/ welche das Wasser/ oder die Feuchtigkeit/ bedeutet. Zumaln dieses Wort/ dem Ursprunge nach/ Griechisch/ von Clio herkommt/ und wallen oder Fliessen bedeutet. Dieweil das Feuer nicht bestehen mag/ es sey dann/ daß es/ durch gehörige Feuchtigkeit/ gestärcket und erhalten werde. Und dieses kommt überein/ mit der Meinung des Anaxagoras und Heraclides/ welche darvor gehalten/ daß die Sterne feurig wären/ und von dem feuchten Dämpfen/ welche die Sonne/ durch die Krafft ihrer Strahlen/ von der Erden in die Höhe zöge/ genehret und erhalten werden müsten. Wann nun diese Dämpffe/ indeme das Wetter sich zum Regen anschickte/ von der Sonne erwärmet/ dicke und entzündet[Spaltenumbruch] würden/ pflegte die Hitze/ als offtmals im Sommer geschähe/ unerträglich zu werden. Was Phaetons begehren bedeute. Das Begehren des Phaetons/ nemlich/ der Sonnen-Wagen zu führen/ ist des Menschen angeborne Lust/ groß zu werden/ welche fast bey allen gespüret Phaetons-Wagen-Leitung/ was sie natürlich bedeute. wird. In dieser Regier- oder Führung/ wird fürs rahtsamste geachtet/ die Mittel Bahn zu halten/ und weder zu hoch/ noch zu niedrig zu fahren. Daß Phaeton/ als er in den brennenden Weg/ oder den zwanzigsten Grad der Waag/ und den zehnten Grad des Scorpions/ kommen/ den Ziegel fallen lassen/ wil andeuten/ daß alsdann eine grosse Dürre sey/ das Kraut verbrenne/ und die Erde zu aller Was Phaetons Niderschlagung vom Donnerkeil natürlich bedeute. Fruchtbarkeit untüchtig werde. Und daß ferner Phaeton/ im Mittel des Herbsts/ von dem Jupiter/ mit einem Donnerstrahl/ geschlagen worden/ zeiget an/ daß um solche Zeit die Hitz gelöschet werde/ und die Erde/ auf Empfangung des erfrischenden Regens/ ihre verbrante Gestalt verliere/ auch wiederum frölich/ und zum Wachsthum bequem und geschickt werde. Diese Fabel lehret auch/ wie schädlich es sey/ wann Kinder/ oder unweise Könige/ und Obrigkeiten/ über die Länder herrschen/ und was/ neben ihrem eignem Verderben/ vor unsäglicher Schade insgemein daraus zu entstehen pflege. Solche unwissende/ oder unverständige Regenten/ werden allhier/ von dem Poeten/ abgebildet und gestraffet. Diese Fabel ist noch/ auf eine andre Geschicht/ von Phaeton/ dem Könige aus Indien/ gegründet: welcher/ hochmütiges Geistes war/ groß Wesen von seiner eignen Wissenschafft/ da er doch ein Narr/ ohne Urtheil und Verstand war/ machte/ und mit seinen Gesetzen/ falschen und ungerechten Verordnungen/ als dem rechten Feuer des Irrthums/ sein gantzes Land/ zusamt unzehligem Volcke/ gleichsam verbrante/ <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p xml:id="p1144.1"><pb facs="#f0198" xml:id="pb-1145" n="[Metamorphosis, S. 22]"/><cb/> Vatter <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-59 http://d-nb.info/gnd/118503642 http://viaf.org/viaf/3261638">Apollo</persName> suchte/ begreifft diesen Verstand/ daß die Hitze/ nachdem sie zerstreuet/ und in mancherley Theile gesondert/ wieder zu ihrem Vatter <cb/> und Ursprunge/ der Sonnen/ sich wende und umkehre.</p> <p rendition="#c">Ende des Ersten Buchs.</p> </div> <div> <head> Der<lb/> Ausleg- und Sinn-gebender<lb/> Erklärung/<lb/> über die<lb/><hi rendition="#aq">METAMORPHOSIS,</hi><lb/> Oder<lb/> Wandlungs-Bücher/<lb/> Des<lb/><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-350 http://d-nb.info/gnd/118590995 http://viaf.org/viaf/88342447">Publius Ovidius Naso</persName>. </head><lb/> <head>Zweytes Buch.</head><lb/> <cb/> <p><note place="right">Ursprung der Fabel vom <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-357 http://d-nb.info/gnd/119243113 http://viaf.org/viaf/817398">Phaeton</persName>/ auf die erste Art.</note><hi rendition="#in">D</hi>Ie Fabel von <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-357 http://d-nb.info/gnd/119243113 http://viaf.org/viaf/817398">Phaeton</persName> ist genommen und ersonnen/ aus einer wahren Geschicht/ die auch vom <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Eusebius</persName> und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Orosius</persName> beschrieben ist: Nemlich/ daß zur Zeit des Atheniensischen Königs <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2241 http://d-nb.info/gnd/12090845X http://viaf.org/viaf/54990676">Cecrops</persName> in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-336 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&place=&nation=&subjectid=1000074">Griechenlande</placeName>/ eine Wunder-grosse/ brennende Hitze sich ereignet/ die nicht durch Menschen-Werck/ sondern vom Himmel herab gesand/ und genannt worden/ die Entzündung <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-357 http://d-nb.info/gnd/119243113 http://viaf.org/viaf/817398">Phaetons</persName>. Diese verbrante die Felder/ machte die Früchte zu Aschen/ trucknete die Flüsse aus/ zündete die Städte an/ und verbrante die Häuser; also/ daß das Volck allenthalben hin fliehen muste/ wo es am besten mochte/ oder vermeinte/ sicher zu seyn. Diese Hitze währete einige Monate/ und mochte nit gelöschet werden/ bis sie der Herbstliche Regen endlich dämpffte und auslöschte. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-357 http://d-nb.info/gnd/119243113 http://viaf.org/viaf/817398">Phaeton</persName> nun bedeutet/ als oben bereits angeregt worden/ eine Entzündung/ oder das Brennen. Und ist also <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-357 http://d-nb.info/gnd/119243113 http://viaf.org/viaf/817398">Phaeton</persName> nicht allein ein Sohn der Sonnen/ welche ein Ursprung und Brunn des Feuers ist/ sondern auch der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1893">Clymene</persName>/ welche das Wasser/ oder die Feuchtigkeit/ bedeutet. Zumaln dieses Wort/ dem Ursprunge nach/ Griechisch/ von Clio herkommt/ und wallen oder Fliessen bedeutet. Dieweil das Feuer nicht bestehen mag/ es sey dann/ daß es/ durch gehörige Feuchtigkeit/ gestärcket und erhalten werde. Und dieses kommt überein/ mit der Meinung des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1870 http://d-nb.info/gnd/118502727 http://viaf.org/viaf/24645587">Anaxagoras</persName> und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2757 http://d-nb.info/gnd/118710621 http://viaf.org/viaf/89050190">Heraclides</persName>/ welche darvor gehalten/ daß die Sterne feurig wären/ und von dem feuchten Dämpfen/ welche die Sonne/ durch die Krafft ihrer Strahlen/ von der Erden in die Höhe zöge/ genehret und erhalten werden müsten. Wann nun diese Dämpffe/ indeme das Wetter sich zum Regen anschickte/ von der Sonne erwärmet/ dicke und entzündet<cb/> würden/ pflegte die Hitze/ als offtmals im Sommer geschähe/ unerträglich zu werden.</p> <p><note place="right">Was <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-357 http://d-nb.info/gnd/119243113 http://viaf.org/viaf/817398">Phaetons</persName> begehren bedeute.</note> Das Begehren des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-357 http://d-nb.info/gnd/119243113 http://viaf.org/viaf/817398">Phaetons</persName>/ nemlich/ der Sonnen-Wagen zu führen/ ist des Menschen angeborne Lust/ groß zu werden/ welche fast bey allen gespüret <note place="right"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-357 http://d-nb.info/gnd/119243113 http://viaf.org/viaf/817398">Phaetons</persName>-Wagen-Leitung/ was sie natürlich bedeute.</note> wird. In dieser Regier- oder Führung/ wird fürs rahtsamste geachtet/ die Mittel Bahn zu halten/ und weder zu hoch/ noch zu niedrig zu fahren. 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Und daß ferner <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-357 http://d-nb.info/gnd/119243113 http://viaf.org/viaf/817398">Phaeton</persName>/ im Mittel des Herbsts/ von dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-99 http://d-nb.info/gnd/118558897 http://viaf.org/viaf/22933410">Jupiter</persName>/ mit einem Donnerstrahl/ geschlagen worden/ zeiget an/ daß um solche Zeit die Hitz gelöschet werde/ und die Erde/ auf Empfangung des erfrischenden Regens/ ihre verbrante Gestalt verliere/ auch wiederum frölich/ und zum Wachsthum bequem und geschickt werde. Diese Fabel lehret auch/ wie schädlich es sey/ wann Kinder/ oder unweise Könige/ und Obrigkeiten/ über die Länder herrschen/ und was/ neben ihrem eignem Verderben/ vor unsäglicher Schade insgemein daraus zu entstehen pflege. Solche unwissende/ oder unverständige Regenten/ werden allhier/ von dem Poeten/ abgebildet und gestraffet.</p> <p>Diese Fabel ist noch/ auf eine andre Geschicht/ von <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Phaeton</persName>/ dem Könige aus <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-344 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&place=&nation=&subjectid=7000208">Indien</placeName>/ gegründet: welcher/ hochmütiges Geistes war/ groß Wesen von seiner eignen Wissenschafft/ da er doch ein Narr/ ohne Urtheil und Verstand war/ machte/ und mit seinen Gesetzen/ falschen und ungerechten Verordnungen/ als dem rechten Feuer des Irrthums/ sein gantzes Land/ zusamt unzehligem Volcke/ gleichsam verbrante/ </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[Metamorphosis, S. 22]/0198]
Vatter Apollo suchte/ begreifft diesen Verstand/ daß die Hitze/ nachdem sie zerstreuet/ und in mancherley Theile gesondert/ wieder zu ihrem Vatter
und Ursprunge/ der Sonnen/ sich wende und umkehre.
Ende des Ersten Buchs.
Der
Ausleg- und Sinn-gebender
Erklärung/
über die
METAMORPHOSIS,
Oder
Wandlungs-Bücher/
Des
Publius Ovidius Naso.
Zweytes Buch.
DIe Fabel von Phaeton ist genommen und ersonnen/ aus einer wahren Geschicht/ die auch vom Eusebius und Orosius beschrieben ist: Nemlich/ daß zur Zeit des Atheniensischen Königs Cecrops in Griechenlande/ eine Wunder-grosse/ brennende Hitze sich ereignet/ die nicht durch Menschen-Werck/ sondern vom Himmel herab gesand/ und genannt worden/ die Entzündung Phaetons. Diese verbrante die Felder/ machte die Früchte zu Aschen/ trucknete die Flüsse aus/ zündete die Städte an/ und verbrante die Häuser; also/ daß das Volck allenthalben hin fliehen muste/ wo es am besten mochte/ oder vermeinte/ sicher zu seyn. Diese Hitze währete einige Monate/ und mochte nit gelöschet werden/ bis sie der Herbstliche Regen endlich dämpffte und auslöschte. Phaeton nun bedeutet/ als oben bereits angeregt worden/ eine Entzündung/ oder das Brennen. Und ist also Phaeton nicht allein ein Sohn der Sonnen/ welche ein Ursprung und Brunn des Feuers ist/ sondern auch der Clymene/ welche das Wasser/ oder die Feuchtigkeit/ bedeutet. Zumaln dieses Wort/ dem Ursprunge nach/ Griechisch/ von Clio herkommt/ und wallen oder Fliessen bedeutet. Dieweil das Feuer nicht bestehen mag/ es sey dann/ daß es/ durch gehörige Feuchtigkeit/ gestärcket und erhalten werde. Und dieses kommt überein/ mit der Meinung des Anaxagoras und Heraclides/ welche darvor gehalten/ daß die Sterne feurig wären/ und von dem feuchten Dämpfen/ welche die Sonne/ durch die Krafft ihrer Strahlen/ von der Erden in die Höhe zöge/ genehret und erhalten werden müsten. Wann nun diese Dämpffe/ indeme das Wetter sich zum Regen anschickte/ von der Sonne erwärmet/ dicke und entzündet
würden/ pflegte die Hitze/ als offtmals im Sommer geschähe/ unerträglich zu werden.
Ursprung der Fabel vom Phaeton/ auf die erste Art. Das Begehren des Phaetons/ nemlich/ der Sonnen-Wagen zu führen/ ist des Menschen angeborne Lust/ groß zu werden/ welche fast bey allen gespüret wird. In dieser Regier- oder Führung/ wird fürs rahtsamste geachtet/ die Mittel Bahn zu halten/ und weder zu hoch/ noch zu niedrig zu fahren. Daß Phaeton/ als er in den brennenden Weg/ oder den zwanzigsten Grad der Waag/ und den zehnten Grad des Scorpions/ kommen/ den Ziegel fallen lassen/ wil andeuten/ daß alsdann eine grosse Dürre sey/ das Kraut verbrenne/ und die Erde zu aller Fruchtbarkeit untüchtig werde. Und daß ferner Phaeton/ im Mittel des Herbsts/ von dem Jupiter/ mit einem Donnerstrahl/ geschlagen worden/ zeiget an/ daß um solche Zeit die Hitz gelöschet werde/ und die Erde/ auf Empfangung des erfrischenden Regens/ ihre verbrante Gestalt verliere/ auch wiederum frölich/ und zum Wachsthum bequem und geschickt werde. Diese Fabel lehret auch/ wie schädlich es sey/ wann Kinder/ oder unweise Könige/ und Obrigkeiten/ über die Länder herrschen/ und was/ neben ihrem eignem Verderben/ vor unsäglicher Schade insgemein daraus zu entstehen pflege. Solche unwissende/ oder unverständige Regenten/ werden allhier/ von dem Poeten/ abgebildet und gestraffet.
Was Phaetons begehren bedeute.
Phaetons-Wagen-Leitung/ was sie natürlich bedeute.
Was Phaetons Niderschlagung vom Donnerkeil natürlich bedeute. Diese Fabel ist noch/ auf eine andre Geschicht/ von Phaeton/ dem Könige aus Indien/ gegründet: welcher/ hochmütiges Geistes war/ groß Wesen von seiner eignen Wissenschafft/ da er doch ein Narr/ ohne Urtheil und Verstand war/ machte/ und mit seinen Gesetzen/ falschen und ungerechten Verordnungen/ als dem rechten Feuer des Irrthums/ sein gantzes Land/ zusamt unzehligem Volcke/ gleichsam verbrante/
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 22]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/198>, abgerufen am 16.02.2025. |