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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] einen Scheidweg kam/ genaß sie zweyer Kinder/ wormit sie Jupiter befruchtet gelassen hatte: welche die Hirten allda aufnahmen/ und erziehen liessen/ bis sie groß waren: da sie das eine Zetus/ das andere aber Amphion nannten: dieweil sie/ auf einem Scheidwege/ geboren waren. Nachdem nun Antiopa/ durch die Dirce/ des Lycus Gemahlin/ immittelst unglaublich geplagt worden/ fande sie ein Mittel wiederum zu entkommen/ und flohe zu ihren Kindern/ die nun allbereits ziemlich groß waren: Und dieweil die Dirce in der Verfolgung ihr inständigst nachsetzte/ bis an den Berg Cytheron/ und ihr numnehro so nahe kam/ daß sie die Hand anlegen wolte/ kamen derselben ihre zwey Kinder zu Hülffe/ fasseten die Dirce/ banden sie alsobald an den Schwantz eines grimmigen Stiers/ von welchem sie gar bald zertrümmert wurde. Da dann/ aus ihrem zerrissenen Leibe/ ein Brunn entsprungen/ der ihren Namen behalten hat. Amphion wolte hierauf gehen/ den Lycus zu verfolgen/ und umzubringen/ wurde aber/ von dem Mercurius/ der den Lycus bewegte/ das Thebische Königreich dem Amphion zu übergeben/ darvon abgehalten. Es sind auch Einige/ die den Amphion unter die güldene Fließ-Helden zehlen. Er war ein vortreflicher Vocal- und Instrumental-Musicus/ oder Sing- und Kling-Künstler/ und/ nach des Plinius Zeugnus/ der erste/ welcher den Maß-Gesang/ auf Lydische Art und Weise/ erfunden hat. Dann vor Alters hatten die Griechen dreyerley Arten oder Weisen des Maß-gesangs/ nemlich die Dorische/ Lydische und Phrygische. Auch waren/ wie Theophrastus berichtet/ die Eigenschafften/ Kräffte oder Erwekkungen der Singkunst/ dreyerley; Traurigkeit nemlich/ Wollust/ und Entrückung des Geistes. Traurigkeit wird kläglicher Weise/ mit dem Gesang/ auf das beweglichste vorgebildet: Auch Redner und Tragedianten/ oder Trauer-Spiel-Dichter/ erheben ihre Stimmen/ wann sie erbärmliche Klagen/ dem Gesange gleich/ vorbringen/ wormit sie ihr Thun desto kräfftiger vorstellen. Ferner entstehet die Wollust dermassen aus dem Gesange/ daß die Seele gleichsam aus der Haut fahren/ oder von dem Leibe ausreissen will/ (insonderheit derer die von leichter und freygeistiger Art sind) und ein unsinniges springen/ tantzen/ oder wenigstens Hände-klatschen/ erweckt/ wann man nicht bequemlich hüpffen kan/ wie Pindarus/ spricht:

Im Schreyen sind sie toll/ sie werffen ihre
Glieder

gantz rasend ab und auf/ der Leib wanckt
hin und wider

sie schütteln Halß und Haupt etc.

Von der wunderlich erweckenden Krafft der Music. Die aber etwas mehrers und sittsamer waren/ wurden im Geiste entzucket/ daß sie/ als durch göttlichen Trieb/ ihre Stimmen/ über die gemeine gewohnte Maß/ liessen aufsteigen/ auch herrliche oder gleichsam weissagende Worte redeten/ und Lieder sungen. Was soll man doch/ von dem weltbeherrschenden grossen Alexander/ sagen/ der den Saiten des künstlichen Musicanten Timotheus gehorsamen muste/ seine mit Speisen besetzte Taffel verließ/ als ein rasender/ nach den Waffen lieff/ in Meinung/ daß[Spaltenumbruch] er im Streit wäre/ dann bald wiederum gantz weich- und sanfftmühtig sich niedersetzen muste; allerdings nachdem die künstliche Finger den Ton/ entweder rauher/ oder süsser/ veränderten? Der berühmte Held Achilles spielte selbsten auf den Säiten/ ermunterte und schärffte also sein Gemüht/ mit schönen Liedern; damit er sich/ mit einem bereiteten und lustigem Hertzen/ in den Streit begeben möchte: dann durchs Singen erzehlte er die grosse Helden-Thaten/ die vor ihm geschehen waren. Und also war vor Alters die Sing-Kunst beschaffen/ und zu diesem Ende angestellt. Dannenhero die edle Kinder/ und junge Helden/ als Hercules/ Achilles und andere/ zu dem Chiron/ oder andern dergleichen Künstlern/ in die Schule musten. Insonderheit weil/ bey denen Alten/ alle löbliche Künste/ Lehren/ Geschichte/ redliche Thaten/ und Wissenschafften/ in schönen Gedichten und Liedern/ singkünstlich begriffen und verfasst/ und zugleich den Lehrlingen also beygebracht wurden: Also daß die Dinge/ so anietzo mit grosser Mühe und schwerlich gelehrt werden/ damaliger Zeit/ einem iedweden/ vor aller Welt gemein/ und mit fröligen Liedern/ gesungen wurden/ so daß Bauersleute und Vogelsteller/ wie Pindarus sagt/ sich daran belustigten. Weswegen dann nicht zu verwundern ist/ daß der König Amphion/ in dieser süssen Singkunst ein vortreflicher Meister gewest. Heraclides bezeuget/ wie Plutarchus gedenckt/ daß Amphion der erste gewest/ der aufgebracht in der Citter-Spiel Gedichte zu singen: Welche Art und Weise zu singen/ ihn des Jupiters Vatter gelehrt hatte. Dieses wolte besagter Heraclides beweisen/ mit einer Rolle/ die in der Stadt Sycionien sorgfältig verwahret wurde/ worinnen alle Priesterinnen/ künstliche Dichter/ und Musicanten von Argos benamset waren. Einige sagen/ daß Amphion das Leyren/ auf der Harff und Lauten spielen/ von dem Mercurius/ der der Leyer/ oder Laute/ die er anfänglich/ von einer Schildkrote/ gemacht/ erlernet habe: Welches auch Philostrates bezeuget: Diese Erfindung aber habe er/ nachdem er selbige dem Apollo/ und denen Musen bekand gemacht/ dem Amphion geschenckt: welcher/ wie etliche wollen/ zu denen vorigen vier Saiten/ noch drey erfunden und beygefügt. Der berühmte Poet Homerus aber zeiget an/ Mercurius habe seine Leyer dem Apollo gegeben/ um ihn darmit zu befriedigen/ wegen des Diebstahls der Ochsen. Auch sind einige die da sagen/ Apollo; wiederum Andere/ die Musen/ hätten dem Amphion die Harffe/ oder Laute gegeben. Etliche halten darfür/ daß er in der Zauberkunst erfahren gewest. Die gemeine Fabel aber vermag/ daß er die Niobe/ des Tantali Tochter/ geehligt/ und die Stadt Thebes in Boeotien ohne Mauren und Thore/ bewohnet habe: Und als er die Stadt wider die Thessalonische Feinde befestigen lassen/ habe er auf seiner Laut oder Leyer dermassen süß und lieblich zu spielen begonnen/ daß die Steine von ihnen selbsten aufgesprungen/ und sich ein ieder an seinen beqvemen Ort gefügt und niedergelegt. Er bauete sieben Thore/ nach seinen sieben Töchtern/ benamset; dann er/ wie bereits erzehlt worden/ sieben Söhne/ und sieben Töchter hatte; Und gleichwie es dem Menschen eine schwere Last ist/ den Uberfluß/

[Spaltenumbruch] einen Scheidweg kam/ genaß sie zweyer Kinder/ wormit sie Jupiter befruchtet gelassen hatte: welche die Hirten allda aufnahmen/ und erziehen liessen/ bis sie groß waren: da sie das eine Zetus/ das andere aber Amphion nannten: dieweil sie/ auf einem Scheidwege/ geboren waren. Nachdem nun Antiopa/ durch die Dirce/ des Lycus Gemahlin/ immittelst unglaublich geplagt worden/ fande sie ein Mittel wiederum zu entkommen/ und flohe zu ihren Kindern/ die nun allbereits ziemlich groß waren: Und dieweil die Dirce in der Verfolgung ihr inständigst nachsetzte/ bis an den Berg Cytheron/ und ihr numnehro so nahe kam/ daß sie die Hand anlegen wolte/ kamen derselben ihre zwey Kinder zu Hülffe/ fasseten die Dirce/ banden sie alsobald an den Schwantz eines grimmigen Stiers/ von welchem sie gar bald zertrümmert wurde. Da dann/ aus ihrem zerrissenen Leibe/ ein Brunn entsprungen/ der ihren Namen behalten hat. Amphion wolte hierauf gehen/ den Lycus zu verfolgen/ und umzubringen/ wurde aber/ von dem Mercurius/ der den Lycus bewegte/ das Thebische Königreich dem Amphion zu übergeben/ darvon abgehalten. Es sind auch Einige/ die den Amphion unter die güldene Fließ-Helden zehlen. Er war ein vortreflicher Vocal- und Instrumental-Musicus/ oder Sing- und Kling-Künstler/ und/ nach des Plinius Zeugnus/ der erste/ welcher den Maß-Gesang/ auf Lydische Art und Weise/ erfunden hat. Dann vor Alters hatten die Griechen dreyerley Arten oder Weisen des Maß-gesangs/ nemlich die Dorische/ Lydische und Phrygische. Auch waren/ wie Theophrastus berichtet/ die Eigenschafften/ Kräffte oder Erwekkungen der Singkunst/ dreyerley; Traurigkeit nemlich/ Wollust/ und Entrückung des Geistes. Traurigkeit wird kläglicher Weise/ mit dem Gesang/ auf das beweglichste vorgebildet: Auch Redner und Tragedianten/ oder Trauer-Spiel-Dichter/ erheben ihre Stimmen/ wann sie erbärmliche Klagen/ dem Gesange gleich/ vorbringen/ wormit sie ihr Thun desto kräfftiger vorstellen. Ferner entstehet die Wollust dermassen aus dem Gesange/ daß die Seele gleichsam aus der Haut fahren/ oder von dem Leibe ausreissen will/ (insonderheit derer die von leichter und freygeistiger Art sind) und ein unsinniges springen/ tantzen/ oder wenigstens Hände-klatschen/ erweckt/ wann man nicht bequemlich hüpffen kan/ wie Pindarus/ spricht:

Im Schreyen sind sie toll/ sie werffen ihre
Glieder

gantz rasend ab und auf/ der Leib wanckt
hin und wider

sie schütteln Halß und Haupt etc.

Von der wunderlich erweckenden Krafft der Music. Die aber etwas mehrers und sittsamer waren/ wurden im Geiste entzucket/ daß sie/ als durch göttlichen Trieb/ ihre Stimmen/ über die gemeine gewohnte Maß/ liessen aufsteigen/ auch herrliche oder gleichsam weissagende Worte redeten/ und Lieder sungen. Was soll man doch/ von dem weltbeherrschenden grossen Alexander/ sagen/ der den Saiten des künstlichen Musicanten Timotheus gehorsamen muste/ seine mit Speisen besetzte Taffel verließ/ als ein rasender/ nach den Waffen lieff/ in Meinung/ daß[Spaltenumbruch] er im Streit wäre/ dann bald wiederum gantz weich- und sanfftmühtig sich niedersetzen muste; allerdings nachdem die künstliche Finger den Ton/ entweder rauher/ oder süsser/ veränderten? Der berühmte Held Achilles spielte selbsten auf den Säiten/ ermunterte und schärffte also sein Gemüht/ mit schönen Liedern; damit er sich/ mit einem bereiteten und lustigem Hertzen/ in den Streit begeben möchte: dann durchs Singen erzehlte er die grosse Helden-Thaten/ die vor ihm geschehen waren. Und also war vor Alters die Sing-Kunst beschaffen/ und zu diesem Ende angestellt. Dannenhero die edle Kinder/ und junge Helden/ als Hercules/ Achilles und andere/ zu dem Chiron/ oder andern dergleichen Künstlern/ in die Schule musten. Insonderheit weil/ bey denen Alten/ alle löbliche Künste/ Lehren/ Geschichte/ redliche Thaten/ und Wissenschafften/ in schönen Gedichten und Liedern/ singkünstlich begriffen und verfasst/ und zugleich den Lehrlingen also beygebracht wurden: Also daß die Dinge/ so anietzo mit grosser Mühe und schwerlich gelehrt werden/ damaliger Zeit/ einem iedweden/ vor aller Welt gemein/ und mit fröligen Liedern/ gesungen wurden/ so daß Bauersleute und Vogelsteller/ wie Pindarus sagt/ sich daran belustigten. Weswegen dann nicht zu verwundern ist/ daß der König Amphion/ in dieser süssen Singkunst ein vortreflicher Meister gewest. Heraclides bezeuget/ wie Plutarchus gedenckt/ daß Amphion der erste gewest/ der aufgebracht in der Citter-Spiel Gedichte zu singen: Welche Art und Weise zu singen/ ihn des Jupiters Vatter gelehrt hatte. Dieses wolte besagter Heraclides beweisen/ mit einer Rolle/ die in der Stadt Sycionien sorgfältig verwahret wurde/ worinnen alle Priesterinnen/ künstliche Dichter/ und Musicanten von Argos benamset waren. Einige sagen/ daß Amphion das Leyren/ auf der Harff und Lauten spielen/ von dem Mercurius/ der der Leyer/ oder Laute/ die er anfänglich/ von einer Schildkrote/ gemacht/ erlernet habe: Welches auch Philostrates bezeuget: Diese Erfindung aber habe er/ nachdem er selbige dem Apollo/ und denen Musen bekand gemacht/ dem Amphion geschenckt: welcher/ wie etliche wollen/ zu denen vorigen vier Saiten/ noch drey erfunden und beygefügt. Der berühmte Poet Homerus aber zeiget an/ Mercurius habe seine Leyer dem Apollo gegeben/ um ihn darmit zu befriedigen/ wegen des Diebstahls der Ochsen. Auch sind einige die da sagen/ Apollo; wiederum Andere/ die Musen/ hätten dem Amphion die Harffe/ oder Laute gegeben. Etliche halten darfür/ daß er in der Zauberkunst erfahren gewest. Die gemeine Fabel aber vermag/ daß er die Niobe/ des Tantali Tochter/ geehligt/ und die Stadt Thebes in Boeotien ohne Mauren und Thore/ bewohnet habe: Und als er die Stadt wider die Thessalonische Feinde befestigen lassen/ habe er auf seiner Laut oder Leyer dermassen süß und lieblich zu spielen begonnen/ daß die Steine von ihnen selbsten aufgesprungen/ und sich ein ieder an seinen beqvemen Ort gefügt und niedergelegt. Er bauete sieben Thore/ nach seinen sieben Töchtern/ benamset; dann er/ wie bereits erzehlt worden/ sieben Söhne/ und sieben Töchter hatte; Und gleichwie es dem Menschen eine schwere Last ist/ den Uberfluß/

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Er bauete sieben Thore/ nach seinen sieben Töchtern/ benamset; dann er/ wie bereits erzehlt worden/ sieben Söhne/ und sieben Töchter hatte; Und gleichwie es dem Menschen eine schwere Last ist/ den Uberfluß/
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[[Metamorphosis, S. 74]/0250] einen Scheidweg kam/ genaß sie zweyer Kinder/ wormit sie Jupiter befruchtet gelassen hatte: welche die Hirten allda aufnahmen/ und erziehen liessen/ bis sie groß waren: da sie das eine Zetus/ das andere aber Amphion nannten: dieweil sie/ auf einem Scheidwege/ geboren waren. Nachdem nun Antiopa/ durch die Dirce/ des Lycus Gemahlin/ immittelst unglaublich geplagt worden/ fande sie ein Mittel wiederum zu entkommen/ und flohe zu ihren Kindern/ die nun allbereits ziemlich groß waren: Und dieweil die Dirce in der Verfolgung ihr inständigst nachsetzte/ bis an den Berg Cytheron/ und ihr numnehro so nahe kam/ daß sie die Hand anlegen wolte/ kamen derselben ihre zwey Kinder zu Hülffe/ fasseten die Dirce/ banden sie alsobald an den Schwantz eines grimmigen Stiers/ von welchem sie gar bald zertrümmert wurde. Da dann/ aus ihrem zerrissenen Leibe/ ein Brunn entsprungen/ der ihren Namen behalten hat. Amphion wolte hierauf gehen/ den Lycus zu verfolgen/ und umzubringen/ wurde aber/ von dem Mercurius/ der den Lycus bewegte/ das Thebische Königreich dem Amphion zu übergeben/ darvon abgehalten. Es sind auch Einige/ die den Amphion unter die güldene Fließ-Helden zehlen. Er war ein vortreflicher Vocal- und Instrumental-Musicus/ oder Sing- und Kling-Künstler/ und/ nach des Plinius Zeugnus/ der erste/ welcher den Maß-Gesang/ auf Lydische Art und Weise/ erfunden hat. Dann vor Alters hatten die Griechen dreyerley Arten oder Weisen des Maß-gesangs/ nemlich die Dorische/ Lydische und Phrygische. Auch waren/ wie Theophrastus berichtet/ die Eigenschafften/ Kräffte oder Erwekkungen der Singkunst/ dreyerley; Traurigkeit nemlich/ Wollust/ und Entrückung des Geistes. Traurigkeit wird kläglicher Weise/ mit dem Gesang/ auf das beweglichste vorgebildet: Auch Redner und Tragedianten/ oder Trauer-Spiel-Dichter/ erheben ihre Stimmen/ wann sie erbärmliche Klagen/ dem Gesange gleich/ vorbringen/ wormit sie ihr Thun desto kräfftiger vorstellen. Ferner entstehet die Wollust dermassen aus dem Gesange/ daß die Seele gleichsam aus der Haut fahren/ oder von dem Leibe ausreissen will/ (insonderheit derer die von leichter und freygeistiger Art sind) und ein unsinniges springen/ tantzen/ oder wenigstens Hände-klatschen/ erweckt/ wann man nicht bequemlich hüpffen kan/ wie Pindarus/ spricht: Im Schreyen sind sie toll/ sie werffen ihre Glieder gantz rasend ab und auf/ der Leib wanckt hin und wider sie schütteln Halß und Haupt etc. Die aber etwas mehrers und sittsamer waren/ wurden im Geiste entzucket/ daß sie/ als durch göttlichen Trieb/ ihre Stimmen/ über die gemeine gewohnte Maß/ liessen aufsteigen/ auch herrliche oder gleichsam weissagende Worte redeten/ und Lieder sungen. Was soll man doch/ von dem weltbeherrschenden grossen Alexander/ sagen/ der den Saiten des künstlichen Musicanten Timotheus gehorsamen muste/ seine mit Speisen besetzte Taffel verließ/ als ein rasender/ nach den Waffen lieff/ in Meinung/ daß er im Streit wäre/ dann bald wiederum gantz weich- und sanfftmühtig sich niedersetzen muste; allerdings nachdem die künstliche Finger den Ton/ entweder rauher/ oder süsser/ veränderten? Der berühmte Held Achilles spielte selbsten auf den Säiten/ ermunterte und schärffte also sein Gemüht/ mit schönen Liedern; damit er sich/ mit einem bereiteten und lustigem Hertzen/ in den Streit begeben möchte: dann durchs Singen erzehlte er die grosse Helden-Thaten/ die vor ihm geschehen waren. Und also war vor Alters die Sing-Kunst beschaffen/ und zu diesem Ende angestellt. Dannenhero die edle Kinder/ und junge Helden/ als Hercules/ Achilles und andere/ zu dem Chiron/ oder andern dergleichen Künstlern/ in die Schule musten. Insonderheit weil/ bey denen Alten/ alle löbliche Künste/ Lehren/ Geschichte/ redliche Thaten/ und Wissenschafften/ in schönen Gedichten und Liedern/ singkünstlich begriffen und verfasst/ und zugleich den Lehrlingen also beygebracht wurden: Also daß die Dinge/ so anietzo mit grosser Mühe und schwerlich gelehrt werden/ damaliger Zeit/ einem iedweden/ vor aller Welt gemein/ und mit fröligen Liedern/ gesungen wurden/ so daß Bauersleute und Vogelsteller/ wie Pindarus sagt/ sich daran belustigten. Weswegen dann nicht zu verwundern ist/ daß der König Amphion/ in dieser süssen Singkunst ein vortreflicher Meister gewest. Heraclides bezeuget/ wie Plutarchus gedenckt/ daß Amphion der erste gewest/ der aufgebracht in der Citter-Spiel Gedichte zu singen: Welche Art und Weise zu singen/ ihn des Jupiters Vatter gelehrt hatte. Dieses wolte besagter Heraclides beweisen/ mit einer Rolle/ die in der Stadt Sycionien sorgfältig verwahret wurde/ worinnen alle Priesterinnen/ künstliche Dichter/ und Musicanten von Argos benamset waren. Einige sagen/ daß Amphion das Leyren/ auf der Harff und Lauten spielen/ von dem Mercurius/ der der Leyer/ oder Laute/ die er anfänglich/ von einer Schildkrote/ gemacht/ erlernet habe: Welches auch Philostrates bezeuget: Diese Erfindung aber habe er/ nachdem er selbige dem Apollo/ und denen Musen bekand gemacht/ dem Amphion geschenckt: welcher/ wie etliche wollen/ zu denen vorigen vier Saiten/ noch drey erfunden und beygefügt. Der berühmte Poet Homerus aber zeiget an/ Mercurius habe seine Leyer dem Apollo gegeben/ um ihn darmit zu befriedigen/ wegen des Diebstahls der Ochsen. Auch sind einige die da sagen/ Apollo; wiederum Andere/ die Musen/ hätten dem Amphion die Harffe/ oder Laute gegeben. Etliche halten darfür/ daß er in der Zauberkunst erfahren gewest. Die gemeine Fabel aber vermag/ daß er die Niobe/ des Tantali Tochter/ geehligt/ und die Stadt Thebes in Boeotien ohne Mauren und Thore/ bewohnet habe: Und als er die Stadt wider die Thessalonische Feinde befestigen lassen/ habe er auf seiner Laut oder Leyer dermassen süß und lieblich zu spielen begonnen/ daß die Steine von ihnen selbsten aufgesprungen/ und sich ein ieder an seinen beqvemen Ort gefügt und niedergelegt. Er bauete sieben Thore/ nach seinen sieben Töchtern/ benamset; dann er/ wie bereits erzehlt worden/ sieben Söhne/ und sieben Töchter hatte; Und gleichwie es dem Menschen eine schwere Last ist/ den Uberfluß/ Von der wunderlich erweckenden Krafft der Music.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 74]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/250>, abgerufen am 21.11.2024.