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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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Von Ausbildung der Figuren/ o-
der wie die alte Heyden ihre Götter
gebildet und unterschieden haben.
[Spaltenumbruch]

DEr Anfang und Ursprung der Bilder/ oder die Zeit/ da man begonnen Bilder zumachen und zu verehren/ ist wegen hohen Alters/ und fast undencklich-zuruck gelegter Jahren/ sehr alt/ grau und begreist. Anfänglich hat man durch die Bilder im frischen Angedencken zu erhalten gedacht der Gestalten mächtiger/ weiser und wol regierender Königen/ und anderer Männer/ die eine oder andere nohtwendige Erfindung/ zum gemeinen Nutzen/ vernünfftlich haben hervor und ans Liecht gebracht: Solche Bilder der Welt Wolthäter/ waren in sothaner Würde und Hochachtung bey den Völckern/ daß endlich daraus dieser Misbrauch entstanden/ welcher sie zu verehren und anzubeten gereitzt/ auch die Opffer-Feuer angezündet/ aufgeblasen/ und/ auf den hohen Altaren/ die Opffer rauchen gemacht.

Und obwol viel unter ihnen der Sinnen so gar beraubt nicht waren/ daß sie gemeint/ es habe der unsichtbare/ ewige Gott/ als die sterbliche Menschen/ Haupt/ Hände/ Füsse/ und andere irrdisch materialische Gliedmassen: So haben sie doch meistens ihre Bilder als nackete Menschen gemacht/ darmit sie andeuten wollen/ daß Gott ein gantz geistliches und verständiges Wesen sey: dieweil sie kein Thier funden/ wordurch sie solches besser vorstellen können/ als den Menschen/ welcher über alle Geschöpffe eines göttlichen Geists/ und der Was durch die Nackigkeit/ oder Blöse der göttlichen Bilder angedeutet. gesunden Vernunfft theilhafftig ist. Durch das nackende Vorstellen der Bilder wolten sie auch ausbilden und beweisen/ daß die Macht der Götter vor einem iedweden bloß und offenbar/ sie auch nackend/ rein/ und von aller Sünde weit entfernet/ gerecht von Hertzen/ und von aller List und Betrug unbefleckt wären/ worinnen die Menschen ihnen nachfolgen/ und gleich zu werden trachten müsten. Das unerhebte Bildwerck/ die Mahlerey/ pfleget ebenmässig/ mit ihrem schönen/ frölichen Ansehen/ des Menschen Gesicht und Sinnen zu erqvicken/ wie auch gemeine Plätze/ Kirchen/ Rahthäuser und Spatzier-Gänge zu zieren. Die Gesichter der Götter sind gleichfalls in Gestalten und durch gewisse Kennzeichen unterschieden worden: Etliche alt/ etliche auch jung vom Ansehen/ in Manns- oder Weibs-Gestalt/ einige Kindisch/ und einige kleine Götter/ halb thierisch/ verschiedene Waffen führende/ als den Donnerstrahl/ drey- und vier-zackige Gabeln/ Schlangen-Stöcke/ Helme/ Schilde/ Schwerter/ Lantzen/ wie auch unterschiedliche Thiere um sich habende. Dieser Götter Bilder sind auch gedeutet worden auf verschiedene Zustände/ Eigenschafften und Neigungen der Menschen/ so daß unreine/ schnöde Sünden auch ihre Patronen und [Spaltenumbruch] Götter hatten. Und weiß ich fast nicht/ ob auf der Welt etwas gewesen/ so nicht seinen Gott gehabt; inmassen sie alles/ was sie nur können ausbilden/ mit einigen Beyfügungen und Zeichen/ gemacht und zu wegen gebracht. Dessen erste und vornehmste Anfänger der Egypter gewesen. Welcher Nachfolger die Griechen und Römer/ oder Toscaner worden sind.

Wie sie die erste Gottheiten/
oder Urhebligkeiten der
Dinge ausgebildet.

Demogorgon. DEn Vatter aller Dinge/ nennet der Hetrusische Poet Boccatius, und andere mit ihm/ Demogorgon. Dieser war abgebildet als ein bleicher/ runtzelicht/ grauhärig und groß-bärtig-alter Mann/ mit grünem Moß bekleidet/ und beschattet mit feuchten Nebel-Wolcken/ in dem Eingange einer zwiefachen Höle gleichsam ermüdet darnieder ligend.

Die Ewigkeit. Auf einer Seiten hatte er die Ewigkeit/ allenthalben grün bekleidet/ weil sie iederzeit jung bleibet: Diese hatte eine grün-sprenglichte Schlange/ welche/ einen runden Zirckel machende/ den Schwantz im Munde hielte: Ihr Haupt war einem Sperber gleich. Auf der andern Seiten neben Der Chaos ihm war der Chaos, den einige ebenmässig für den Demogorgon hielten: Und dieser war gebildet/ als ein ungestalteter Hauffe/ und nicht in vollkommener Menschen-Gestalt. Aus ietztbesagter Höle kam hervor gestiegen die/ mit Blumen und Früchten gezierte/ viel-brüstige Mutter die Die Erde. Erde.

Des Demogorgons Thiere/ oder Zieh-Pferde waren zweene Drachen. Hinter ihm/ in der grösten Dunckelheit und äusserster Tieffe der Höle/ lag sein Sohn der schwartze Erebus, und die Nacht/ eine Tochter der Erden/ in den Armen haltende zwey Kinder: in dem Lincken ein Schlaffendes weisses/ welches der Schlaf war: Und das Die Nacht und der Nacht Kinder/ der Schlaf und Tod Gebrüder. Die Erde. Schwartze/ so sie auf dem Rechten hielte/ und krumme Füsse hatte/ war der Tod. Diese Mutter die Nacht hatte das Haupt mit Mohnhäuptern umbunden/ an den Schultern zwey grosse schwartze Flügel/ wormit sie die Erde überdecket/ und anzusehen war/ als ob sie flöge: Sie schickte auch viel schwartze Träume von ihr aus: Ihre Farb war ebenmässig schwartz/ ihr Kleid aber etwas gläntzend/ und dergestalt bemahlet/ daß man die Zieraten des Himmels drinnen sahe. Die Sterne/ ihre Töchter/ folgen ihr nach/ welches auch der

Von Ausbildung der Figuren/ o-
der wie die alte Heyden ihre Götter
gebildet und unterschieden haben.
[Spaltenumbruch]

DEr Anfang und Ursprung der Bilder/ oder die Zeit/ da man begonnen Bilder zumachen und zu verehren/ ist wegen hohen Alters/ und fast undencklich-zuruck gelegter Jahren/ sehr alt/ grau und begreist. Anfänglich hat man durch die Bilder im frischen Angedencken zu erhalten gedacht der Gestalten mächtiger/ weiser und wol regierender Königen/ und anderer Männer/ die eine oder andere nohtwendige Erfindung/ zum gemeinen Nutzen/ vernünfftlich haben hervor und ans Liecht gebracht: Solche Bilder der Welt Wolthäter/ waren in sothaner Würde und Hochachtung bey den Völckern/ daß endlich daraus dieser Misbrauch entstanden/ welcher sie zu verehren und anzubeten gereitzt/ auch die Opffer-Feuer angezündet/ aufgeblasen/ und/ auf den hohen Altaren/ die Opffer rauchen gemacht.

Und obwol viel unter ihnen der Sinnen so gar beraubt nicht waren/ daß sie gemeint/ es habe der unsichtbare/ ewige Gott/ als die sterbliche Menschen/ Haupt/ Hände/ Füsse/ und andere irrdisch materialische Gliedmassen: So haben sie doch meistens ihre Bilder als nackete Menschen gemacht/ darmit sie andeuten wollen/ daß Gott ein gantz geistliches und verständiges Wesen sey: dieweil sie kein Thier funden/ wordurch sie solches besser vorstellen können/ als den Menschen/ welcher über alle Geschöpffe eines göttlichen Geists/ und der Was durch die Nackigkeit/ oder Blöse der göttlichen Bilder angedeutet. gesunden Vernunfft theilhafftig ist. Durch das nackende Vorstellen der Bilder wolten sie auch ausbilden und beweisen/ daß die Macht der Götter vor einem iedweden bloß und offenbar/ sie auch nackend/ rein/ und von aller Sünde weit entfernet/ gerecht von Hertzen/ und von aller List und Betrug unbefleckt wären/ worinnen die Menschen ihnen nachfolgen/ und gleich zu werden trachten müsten. Das unerhebte Bildwerck/ die Mahlerey/ pfleget ebenmässig/ mit ihrem schönen/ frölichen Ansehen/ des Menschen Gesicht und Sinnen zu erqvicken/ wie auch gemeine Plätze/ Kirchen/ Rahthäuser und Spatzier-Gänge zu zieren. Die Gesichter der Götter sind gleichfalls in Gestalten und durch gewisse Kennzeichen unterschieden worden: Etliche alt/ etliche auch jung vom Ansehen/ in Manns- oder Weibs-Gestalt/ einige Kindisch/ und einige kleine Götter/ halb thierisch/ verschiedene Waffen führende/ als den Donnerstrahl/ drey- und vier-zackige Gabeln/ Schlangen-Stöcke/ Helme/ Schilde/ Schwerter/ Lantzen/ wie auch unterschiedliche Thiere um sich habende. Dieser Götter Bilder sind auch gedeutet worden auf verschiedene Zustände/ Eigenschafften und Neigungen der Menschen/ so daß unreine/ schnöde Sünden auch ihre Patronen und [Spaltenumbruch] Götter hatten. Und weiß ich fast nicht/ ob auf der Welt etwas gewesen/ so nicht seinen Gott gehabt; inmassen sie alles/ was sie nur können ausbilden/ mit einigen Beyfügungen und Zeichen/ gemacht und zu wegen gebracht. Dessen erste und vornehmste Anfänger der Egypter gewesen. Welcher Nachfolger die Griechen und Römer/ oder Toscaner worden sind.

Wie sie die erste Gottheiten/
oder Urhebligkeiten der
Dinge ausgebildet.

Demogorgon. DEn Vatter aller Dinge/ nennet der Hetrusische Poet Boccatius, und andere mit ihm/ Demogorgon. Dieser war abgebildet als ein bleicher/ runtzelicht/ grauhärig und groß-bärtig-alter Mann/ mit grünem Moß bekleidet/ und beschattet mit feuchten Nebel-Wolcken/ in dem Eingange einer zwiefachen Höle gleichsam ermüdet darnieder ligend.

Die Ewigkeit. Auf einer Seiten hatte er die Ewigkeit/ allenthalben grün bekleidet/ weil sie iederzeit jung bleibet: Diese hatte eine grün-sprenglichte Schlange/ welche/ einen runden Zirckel machende/ den Schwantz im Munde hielte: Ihr Haupt war einem Sperber gleich. Auf der andern Seiten neben Der Chaos ihm war der Chaos, den einige ebenmässig für den Demogorgon hielten: Und dieser war gebildet/ als ein ungestalteter Hauffe/ und nicht in vollkommener Menschen-Gestalt. Aus ietztbesagter Höle kam hervor gestiegen die/ mit Blumen und Früchten gezierte/ viel-brüstige Mutter die Die Erde. Erde.

Des Demogorgons Thiere/ oder Zieh-Pferde waren zweene Drachen. Hinter ihm/ in der grösten Dunckelheit und äusserster Tieffe der Höle/ lag sein Sohn der schwartze Erebus, und die Nacht/ eine Tochter der Erden/ in den Armen haltende zwey Kinder: in dem Lincken ein Schlaffendes weisses/ welches der Schlaf war: Und das Die Nacht und der Nacht Kinder/ der Schlaf und Tod Gebrüder. Die Erde. Schwartze/ so sie auf dem Rechten hielte/ und krumme Füsse hatte/ war der Tod. Diese Mutter die Nacht hatte das Haupt mit Mohnhäuptern umbunden/ an den Schultern zwey grosse schwartze Flügel/ wormit sie die Erde überdecket/ und anzusehen war/ als ob sie flöge: Sie schickte auch viel schwartze Träume von ihr aus: Ihre Farb war ebenmässig schwartz/ ihr Kleid aber etwas gläntzend/ und dergestalt bemahlet/ daß man die Zieraten des Himmels drinnen sahe. Die Sterne/ ihre Töchter/ folgen ihr nach/ welches auch der

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 169]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/345>, abgerufen am 23.11.2024.