Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.[Spaltenumbruch] Stadt Rom verglichen/ also tituliret/ wann Er saget: --- --- qualis Berecynthia mater Invehitur curru, Phrygias turrita per urbes, Laeta Deum partu, centum comple- xanepones. Mit Berecynthia der Mutter sich ver- gleicht/ die prächtig einher fährt und an die Thür- ne reicht/ Erhaben und gekrönt hochherrlich anzu- schauen/ In Phrygischem Gebiet/ von Männern und von Frauen/ erfreuet durch Geburt der Götter/ und umfängt viel hundert Enckelein/ die allesamt ver- mengt sind mit den Himmlischen/ die/ nach dem kur- zen Leben/ auf hoher Sternen-Burg in süssen Freu- den schweben. Zirnenbaum der grossen Mutter gewidmet. Oder es ist der Zirnen-Baum der grossen Mutter darum gewidmet gewesen/ die weil gesagt wird/ es sey Atis ein vortrefflich schöner Jüngling von ihr geliebt/ und in diesen Baum verwandelt worden. Die Fabel hiervon ist diese: Die in diesen Jüngling verliebte Göttin hat ihn zu sich beruffen/ und ihme die Verwaltung ihres Gottes-Diensts anvertraut/ iedoch mit dem Beding/ daß er ewige Jungfrauschafft halten sollte/ welches er auch zu thun eydlich angelobt/ hernach aber in die Schönheit einer Nymphe/ deß Flusses Sagaris Tochter/ sich verliebt/ deß Versprechens vergessen/ und mit derselben sich vermischet. Nachdem solches die Göttin erfahren/ hat Sie diese Nymphe alsobald aus dem Mittel geräumet/ den Jüngling aber von sich ausgetrieben : Der dann/ nach dem ihm die Sünde im Gewissen aufgewacht/ in solche Unsinnigkeit gerahten/ daß er auf den Bergen umbher lauffend unaufhörlich geschryen/ geheulet und das Haupt sehr verletzet/ an den schärffsten Felsen gantze Stücke Fleisch abgestossen/ und endlich das männliche Glied/ als mit welchem er sich versündigt/ abgeschnitten und von sich geworffen; Da dann die Göttin letztlich aus Mittleiden gegen ihm bewogen/ ihn in einen Zirnen- oder Kiefern-Baum verwandelt/ und damit sie zu erkennen geben möchte/ wie sie dieses Jünglings noch nicht vergessen hätte/ hat sie sich mit Zirninen Zweigen zu krönen/ ihre Priester an einem scharffen Felsen sich zu castriren/ an denen ihr zu heiligen verordneten Festtägen umherzugehen/ die Köpffe anzustossen/ die Arme zu durchstechen/ und den gantzen Leib zu verwunden verordnet/ damit sie hierinn dem Atys nachahmeten. Diese Priester wurden[Spaltenumbruch] auch Galli genennet/ welchen Namen sie von einem so genannten Fluße selbiger Landschafft überkommen/ weil allda die/ so aus selbigen Wasser getruncken/ alsobald in eine rasende Unsinnigkeit geriehten. Pausanias in Achaicis Atta oder Atys. schreibet/ es sey zu Dymeen ein Tempel der Mutter Dindymena und dem Atta oder Atys gewidmet gewesen. Vom Atta erzehlet er diese Fabel/ daß er der Götter-Mutter bey den Lydiern ihren Dienst verrichtet/ dannenhero ihn Jupiter/ als er ihn bey ihr in solchen Gnaden gesehen/ geneidet/ und ein wild Schwein dahin geschicket/ welches der Lydier Arbeit und Wercke verwüstet/ und den Atta selbst umgebracht habe. Von eben diesem erzehlet er noch eine andere weit ungereimtere Fabel/ folgender Gestalt: Man sagt/ es habe der Jupiter im Schlaf den Saamen auf die Erde Agdistis. fallen lassen/ woraus ein Geist beyderley Geschlechts entsprungen/ welchen er Agdistis genennet: weil aber die Götter sich für diesem gefürchtet/ hätten sie ihm die Schaam abgeschnitten/ und daher sey der Mandelbaum entsprungen/ dessen Frucht/ nachdem sie reiff worden/ deß Flußes Sagaris Tochter genommen und in ihren Schoß geleget habe/ da dann diese Frucht von Stund an verschwunden/ das Mägdlein aber darvon sey schwanger worden/ und als sie ein Knäblein geboren/ habe ein Bock dasselbe/ weil es hingeleget worden/ versorget: Als aber desselben Schönheit fast über-menschlich/ habe sich Agdistis in den Knaben/ den man Attis hiesse/ verliebt. Dahero man ihn/ als er erwachsen/ nach Pesinunt zu deß Königs Tochter verschickt: Es habe aber Agdistis so viel zu wegen gebracht/ daß Attes/ von der Unsinnigkeit ergriffen/ sich selbsten verschnitten/ deme auch der König/ so ihm'seine Tochter gegeben/ hierinnen nachgefolget; Hierauf habe Agdystis angefangen eine Reu zu empfinden über dasjenige/ so er gethan hatte/ dahero er vom Jupiter erlangte/ daß nichts von deß Attes Leichname faulen oder verwesen mögte. So viel hiervon Pausanias. Was der Attis bedeute. Eusebius lib.III.de Praeparat.Evangel. saget: Attis bedeutet insonderheit die Blumen/ welche ehe sie zur Frucht kommen/ abfallen; daher man sagt/ es sey ihm die Männligkeit abgeschniten worden. Wir kehren uns aber wieder zur grossen Mutter/ welche vorzeiten mit grosser Solennität aus Phrygien nach Rom geführet worden: Dann es hatte der Raht einige Gesandten dahin geschickt/ nachdem sie/ dieselbe in die Stadt holen zu lassen/ durch die Sybillinische Bücher erinnnert worden waren. Das Schiff aber/ in welchem dieses Bild dahin gebracht wurde/ war im Schlunde deß Tyber-Flußes sitzen geblieben/ und hatte durch keine Wie der Vestalin Claudia Keuschheit Gewalt von dannen bewegt werden können. Darauf die Vestalin Claudia/ welche wegen übel-verwahrter Keuschheit in einem bösen Ruffe war (dann weil man sie in Schmuck [Spaltenumbruch] Stadt Rom verglichen/ also tituliret/ wann Er saget: --- --- qualis Berecynthia mater Invehitur curru, Phrygias turrita per urbes, Laeta Deum partu, centum comple- xanepones. Mit Berecynthia der Mutter sich ver- gleicht/ die prächtig einher fährt und an die Thür- ne reicht/ Erhaben und gekrönt hochherrlich anzu- schauen/ In Phrygischem Gebiet/ von Männern und von Frauen/ erfreuet durch Geburt der Götter/ und umfängt viel hundert Enckelein/ die allesamt ver- mengt sind mit den Himmlischen/ die/ nach dem kur- zen Leben/ auf hoher Sternen-Burg in süssen Freu- den schweben. Zirnenbaum der grossen Mutter gewidmet. Oder es ist der Zirnen-Baum der grossen Mutter darum gewidmet gewesen/ die weil gesagt wird/ es sey Atis ein vortrefflich schöner Jüngling von ihr geliebt/ und in diesen Baum verwandelt worden. Die Fabel hiervon ist diese: Die in diesen Jüngling verliebte Göttin hat ihn zu sich beruffen/ und ihme die Verwaltung ihres Gottes-Diensts anvertraut/ iedoch mit dem Beding/ daß er ewige Jungfrauschafft halten sollte/ welches er auch zu thun eydlich angelobt/ hernach aber in die Schönheit einer Nymphe/ deß Flusses Sagaris Tochter/ sich verliebt/ deß Versprechens vergessen/ und mit derselben sich vermischet. Nachdem solches die Göttin erfahren/ hat Sie diese Nymphe alsobald aus dem Mittel geräumet/ den Jüngling aber von sich ausgetrieben : Der dann/ nach dem ihm die Sünde im Gewissen aufgewacht/ in solche Unsinnigkeit gerahten/ daß er auf den Bergen umbher lauffend unaufhörlich geschryen/ geheulet und das Haupt sehr verletzet/ an den schärffsten Felsen gantze Stücke Fleisch abgestossen/ und endlich das männliche Glied/ als mit welchem er sich versündigt/ abgeschnitten und von sich geworffen; Da dann die Göttin letztlich aus Mittleiden gegen ihm bewogen/ ihn in einen Zirnen- oder Kiefern-Baum verwandelt/ und damit sie zu erkennen geben möchte/ wie sie dieses Jünglings noch nicht vergessen hätte/ hat sie sich mit Zirninen Zweigen zu krönen/ ihre Priester an einem scharffen Felsen sich zu castriren/ an denen ihr zu heiligen verordneten Festtägen umherzugehen/ die Köpffe anzustossen/ die Arme zu durchstechen/ und den gantzen Leib zu verwunden verordnet/ damit sie hierinn dem Atys nachahmeten. Diese Priester wurden[Spaltenumbruch] auch Galli genennet/ welchen Namen sie von einem so genannten Fluße selbiger Landschafft überkommen/ weil allda die/ so aus selbigen Wasser getruncken/ alsobald in eine rasende Unsinnigkeit geriehten. Pausanias in Achaicis Atta oder Atys. schreibet/ es sey zu Dymeen ein Tempel der Mutter Dindymena und dem Atta oder Atys gewidmet gewesen. Vom Atta erzehlet er diese Fabel/ daß er der Götter-Mutter bey den Lydiern ihren Dienst verrichtet/ dannenhero ihn Jupiter/ als er ihn bey ihr in solchen Gnaden gesehen/ geneidet/ und ein wild Schwein dahin geschicket/ welches der Lydier Arbeit und Wercke verwüstet/ und den Atta selbst umgebracht habe. Von eben diesem erzehlet er noch eine andere weit ungereimtere Fabel/ folgender Gestalt: Man sagt/ es habe der Jupiter im Schlaf den Saamen auf die Erde Agdistis. fallen lassen/ woraus ein Geist beyderley Geschlechts entsprungen/ welchen er Agdistis genennet: weil aber die Götter sich für diesem gefürchtet/ hätten sie ihm die Schaam abgeschnitten/ und daher sey der Mandelbaum entsprungen/ dessen Frucht/ nachdem sie reiff worden/ deß Flußes Sagaris Tochter genommen und in ihren Schoß geleget habe/ da dann diese Frucht von Stund an verschwunden/ das Mägdlein aber darvon sey schwanger worden/ und als sie ein Knäblein geboren/ habe ein Bock dasselbe/ weil es hingeleget worden/ versorget: Als aber desselben Schönheit fast über-menschlich/ habe sich Agdistis in den Knaben/ den man Attis hiesse/ verliebt. 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Das Schiff aber/ in welchem dieses Bild dahin gebracht wurde/ war im Schlunde deß Tyber-Flußes sitzen geblieben/ und hatte durch keine Wie der Vestalin Claudia Keuschheit Gewalt von dannen bewegt werden können. 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Stadt Rom verglichen/ also tituliret/ wann Er saget:
--- --- qualis Berecynthia mater
Invehitur curru, Phrygias turrita
per urbes,
Laeta Deum partu, centum comple-
xanepones.
Mit Berecynthia der Mutter sich ver-
gleicht/
die prächtig einher fährt und an die Thür-
ne reicht/
Erhaben und gekrönt hochherrlich anzu-
schauen/
In Phrygischem Gebiet/ von Männern
und von Frauen/
erfreuet durch Geburt der Götter/ und
umfängt
viel hundert Enckelein/ die allesamt ver-
mengt
sind mit den Himmlischen/ die/ nach dem kur-
zen Leben/
auf hoher Sternen-Burg in süssen Freu-
den schweben.
Oder es ist der Zirnen-Baum der grossen Mutter darum gewidmet gewesen/ die weil gesagt wird/ es sey Atis ein vortrefflich schöner Jüngling von ihr geliebt/ und in diesen Baum verwandelt worden. Die Fabel hiervon ist diese: Die in diesen Jüngling verliebte Göttin hat ihn zu sich beruffen/ und ihme die Verwaltung ihres Gottes-Diensts anvertraut/ iedoch mit dem Beding/ daß er ewige Jungfrauschafft halten sollte/ welches er auch zu thun eydlich angelobt/ hernach aber in die Schönheit einer Nymphe/ deß Flusses Sagaris Tochter/ sich verliebt/ deß Versprechens vergessen/ und mit derselben sich vermischet. Nachdem solches die Göttin erfahren/ hat Sie diese Nymphe alsobald aus dem Mittel geräumet/ den Jüngling aber von sich ausgetrieben : Der dann/ nach dem ihm die Sünde im Gewissen aufgewacht/ in solche Unsinnigkeit gerahten/ daß er auf den Bergen umbher lauffend unaufhörlich geschryen/ geheulet und das Haupt sehr verletzet/ an den schärffsten Felsen gantze Stücke Fleisch abgestossen/ und endlich das männliche Glied/ als mit welchem er sich versündigt/ abgeschnitten und von sich geworffen; Da dann die Göttin letztlich aus Mittleiden gegen ihm bewogen/ ihn in einen Zirnen- oder Kiefern-Baum verwandelt/ und damit sie zu erkennen geben möchte/ wie sie dieses Jünglings noch nicht vergessen hätte/ hat sie sich mit Zirninen Zweigen zu krönen/ ihre Priester an einem scharffen Felsen sich zu castriren/ an denen ihr zu heiligen verordneten Festtägen umherzugehen/ die Köpffe anzustossen/ die Arme zu durchstechen/ und den gantzen Leib zu verwunden verordnet/ damit sie hierinn dem Atys nachahmeten. Diese Priester wurden
auch Galli genennet/ welchen Namen sie von einem so genannten Fluße selbiger Landschafft überkommen/ weil allda die/ so aus selbigen Wasser getruncken/ alsobald in eine rasende Unsinnigkeit geriehten. Pausanias in Achaicis schreibet/ es sey zu Dymeen ein Tempel der Mutter Dindymena und dem Atta oder Atys gewidmet gewesen. Vom Atta erzehlet er diese Fabel/ daß er der Götter-Mutter bey den Lydiern ihren Dienst verrichtet/ dannenhero ihn Jupiter/ als er ihn bey ihr in solchen Gnaden gesehen/ geneidet/ und ein wild Schwein dahin geschicket/ welches der Lydier Arbeit und Wercke verwüstet/ und den Atta selbst umgebracht habe. Von eben diesem erzehlet er noch eine andere weit ungereimtere Fabel/ folgender Gestalt: Man sagt/ es habe der Jupiter im Schlaf den Saamen auf die Erde fallen lassen/ woraus ein Geist beyderley Geschlechts entsprungen/ welchen er Agdistis genennet: weil aber die Götter sich für diesem gefürchtet/ hätten sie ihm die Schaam abgeschnitten/ und daher sey der Mandelbaum entsprungen/ dessen Frucht/ nachdem sie reiff worden/ deß Flußes Sagaris Tochter genommen und in ihren Schoß geleget habe/ da dann diese Frucht von Stund an verschwunden/ das Mägdlein aber darvon sey schwanger worden/ und als sie ein Knäblein geboren/ habe ein Bock dasselbe/ weil es hingeleget worden/ versorget: Als aber desselben Schönheit fast über-menschlich/ habe sich Agdistis in den Knaben/ den man Attis hiesse/ verliebt. Dahero man ihn/ als er erwachsen/ nach Pesinunt zu deß Königs Tochter verschickt: Es habe aber Agdistis so viel zu wegen gebracht/ daß Attes/ von der Unsinnigkeit ergriffen/ sich selbsten verschnitten/ deme auch der König/ so ihm’seine Tochter gegeben/ hierinnen nachgefolget; Hierauf habe Agdystis angefangen eine Reu zu empfinden über dasjenige/ so er gethan hatte/ dahero er vom Jupiter erlangte/ daß nichts von deß Attes Leichname faulen oder verwesen mögte. So viel hiervon Pausanias. Eusebius lib.III.de Praeparat.Evangel. saget: Attis bedeutet insonderheit die Blumen/ welche ehe sie zur Frucht kommen/ abfallen; daher man sagt/ es sey ihm die Männligkeit abgeschniten worden.
Zirnenbaum der grossen Mutter gewidmet.
Atta oder Atys.
Agdistis.
Was der Attis bedeute.Wir kehren uns aber wieder zur grossen Mutter/ welche vorzeiten mit grosser Solennität aus Phrygien nach Rom geführet worden: Dann es hatte der Raht einige Gesandten dahin geschickt/ nachdem sie/ dieselbe in die Stadt holen zu lassen/ durch die Sybillinische Bücher erinnnert worden waren. Das Schiff aber/ in welchem dieses Bild dahin gebracht wurde/ war im Schlunde deß Tyber-Flußes sitzen geblieben/ und hatte durch keine Gewalt von dannen bewegt werden können. Darauf die Vestalin Claudia/ welche wegen übel-verwahrter Keuschheit in einem bösen Ruffe war (dann weil man sie in Schmuck
Wie der Vestalin Claudia Keuschheit
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