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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686.

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Judas allzeit ein Dieb/
mir solst Buttenweiß guldene Götzen schencken/ so könt
ich dir nit auffstehen. Laus, fraus, muliebria sunto. Das
war ein Weiber-List/ das haist hinder das Liecht führen.

Die Menschen kan man hinder das Liecht führen/
das haben erfahren die Soldaten deß Königs Saul. Di-
se waren beordert von dem König/ daß sie sollen den Da-
vid zu ihm führen/ er wolle ihm selbst den Rest geben; die
Michol aber/ als deß Davids Frau Gemahlin/ nach deme
sie ihn in der Stille über das Fenster hinunder gelassen/ hat
ein Bild mit deß Davids Klayder angezogen/ vnnd also
auff das Beth gelegt/ das Gesicht mit einem rauchen
Gaiß-Häutl bedecket. Wie nun die Trabanten mit allem
Ernst in die Behausung kommen/ David gefangener dem
König zu überbringen. Sihe! da hat sich die Frau Mi-
chol
gestellt/ als ware sie gantz melancholisch. Villeicht/
wer waiß/ hat sie die Augen mit Zwiffel-Safft bestrichen;
vnd geseufftzet/ als wie ein Henn/ die den Zipff hat/ sich
sehr beklagt/ daß ihr lieber Herr Gemahel starck vnnd ge
fährlich kranck seye/ zaigt ihnen von fern/ wie er dort im
Beth lige der arme Schlucker/ also werde er ihr Majestät
dem König solcher Gestalten gewiß nicht darvon lauffen.
Sie sollen dises nur also dem Saul in Underthänigkeit vor-
tragen. Die Phantasten haben es kräfftiglich glaubt/ als1. Reg. 19.
lige David auff dem Beth/ da es doch ein hültzernes Bild
ware. Das haist ja hinder das Liecht führen.

Die Menschen kan man hinder das Liecht führen/
aber GOtt nicht/ der selbst das Liecht ist/ so alles durch-
leucht. Er sicht nit allein das außwendige/ sondern auch
das innwendige: er sicht nicht allein das offene/ sondern
auch das verborgene: er sicht nicht allein das bestandene/
sondern auch das verschwigene: er sicht nicht allein das er-
tapte/ sondern auch das vertuschte: er sicht nit allein das
wahre vnd blosse/ sondern auch das verblümlete: er sicht

alles.
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Judas allzeit ein Dieb/
mir ſolſt Buttenweiß guldene Goͤtzen ſchencken/ ſo koͤnt
ich dir nit auffſtehen. Laus, fraus, muliebria ſunto. Das
war ein Weiber-Liſt/ das haiſt hinder das Liecht fuͤhren.

Die Menſchen kan man hinder das Liecht fuͤhren/
das haben erfahren die Soldaten deß Koͤnigs Saul. Di-
ſe waren beordert von dem Koͤnig/ daß ſie ſollen den Da-
vid zu ihm fuͤhren/ er wolle ihm ſelbſt den Reſt geben; die
Michol aber/ als deß Davids Frau Gemahlin/ nach deme
ſie ihn in der Stille uͤber das Fenſter hinunder gelaſſen/ hat
ein Bild mit deß Davids Klayder angezogen/ vnnd alſo
auff das Beth gelegt/ das Geſicht mit einem rauchen
Gaiß-Haͤutl bedecket. Wie nun die Trabanten mit allem
Ernſt in die Behauſung kommen/ David gefangener dem
Koͤnig zu uͤberbringen. Sihe! da hat ſich die Frau Mi-
chol
geſtellt/ als ware ſie gantz melancholiſch. Villeicht/
wer waiß/ hat ſie die Augen mit Zwiffel-Safft beſtrichen;
vnd geſeufftzet/ als wie ein Henn/ die den Zipff hat/ ſich
ſehr beklagt/ daß ihr lieber Herꝛ Gemahel ſtarck vnnd ge
faͤhrlich kranck ſeye/ zaigt ihnen von fern/ wie er dort im
Beth lige der arme Schlucker/ alſo werde er ihr Majeſtaͤt
dem Koͤnig ſolcher Geſtalten gewiß nicht darvon lauffen.
Sie ſollen diſes nur alſo dem Saul in Underthaͤnigkeit vor-
tragen. Die Phantaſten haben es kraͤfftiglich glaubt/ als1. Reg. 19.
lige David auff dem Beth/ da es doch ein huͤltzernes Bild
ware. Das haiſt ja hinder das Liecht fuͤhren.

Die Menſchen kan man hinder das Liecht fuͤhren/
aber GOtt nicht/ der ſelbſt das Liecht iſt/ ſo alles durch-
leucht. Er ſicht nit allein das außwendige/ ſondern auch
das innwendige: er ſicht nicht allein das offene/ ſondern
auch das verborgene: er ſicht nicht allein das beſtandene/
ſondern auch das verſchwigene: er ſicht nicht allein das er-
tapte/ ſondern auch das vertuſchte: er ſicht nit allein das
wahre vnd bloſſe/ ſondern auch das verbluͤmlete: er ſicht

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[427/0463] Judas allzeit ein Dieb/ mir ſolſt Buttenweiß guldene Goͤtzen ſchencken/ ſo koͤnt ich dir nit auffſtehen. Laus, fraus, muliebria ſunto. Das war ein Weiber-Liſt/ das haiſt hinder das Liecht fuͤhren. Die Menſchen kan man hinder das Liecht fuͤhren/ das haben erfahren die Soldaten deß Koͤnigs Saul. Di- ſe waren beordert von dem Koͤnig/ daß ſie ſollen den Da- vid zu ihm fuͤhren/ er wolle ihm ſelbſt den Reſt geben; die Michol aber/ als deß Davids Frau Gemahlin/ nach deme ſie ihn in der Stille uͤber das Fenſter hinunder gelaſſen/ hat ein Bild mit deß Davids Klayder angezogen/ vnnd alſo auff das Beth gelegt/ das Geſicht mit einem rauchen Gaiß-Haͤutl bedecket. Wie nun die Trabanten mit allem Ernſt in die Behauſung kommen/ David gefangener dem Koͤnig zu uͤberbringen. Sihe! da hat ſich die Frau Mi- chol geſtellt/ als ware ſie gantz melancholiſch. Villeicht/ wer waiß/ hat ſie die Augen mit Zwiffel-Safft beſtrichen; vnd geſeufftzet/ als wie ein Henn/ die den Zipff hat/ ſich ſehr beklagt/ daß ihr lieber Herꝛ Gemahel ſtarck vnnd ge faͤhrlich kranck ſeye/ zaigt ihnen von fern/ wie er dort im Beth lige der arme Schlucker/ alſo werde er ihr Majeſtaͤt dem Koͤnig ſolcher Geſtalten gewiß nicht darvon lauffen. Sie ſollen diſes nur alſo dem Saul in Underthaͤnigkeit vor- tragen. Die Phantaſten haben es kraͤfftiglich glaubt/ als lige David auff dem Beth/ da es doch ein huͤltzernes Bild ware. Das haiſt ja hinder das Liecht fuͤhren. 1. Reg. 19. Die Menſchen kan man hinder das Liecht fuͤhren/ aber GOtt nicht/ der ſelbſt das Liecht iſt/ ſo alles durch- leucht. Er ſicht nit allein das außwendige/ ſondern auch das innwendige: er ſicht nicht allein das offene/ ſondern auch das verborgene: er ſicht nicht allein das beſtandene/ ſondern auch das verſchwigene: er ſicht nicht allein das er- tapte/ ſondern auch das vertuſchte: er ſicht nit allein das wahre vnd bloſſe/ ſondern auch das verbluͤmlete: er ſicht alles. H h h 2

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas01_1686/463>, abgerufen am 22.11.2024.